63 Humanitäre Organisationen erklären: Tunesien ist kein sicherer Ort

63 Humanitäre Organisationen erklären: Tunesien ist kein sicherer Ort
Aus Tunesien flüchtende Menschen werden von SOS Humanity aus Seenot gerettet (Raphael Schumacher/SOS Humanity)

Berlin, 04.10.2024. Vor dem Hintergrund der Einrichtung einer tunesischen Such- und Rettungsregion (SRR) im Juni 2024 betonen 63 humanitäre, Menschenrechts- und zivile Such- und Rettungsorganisationen in einer gemeinsamen Erklärung, dass Tunesien kein sicherer Ort für aus Seenot gerettete Menschen ist. SOS Humanity hat heute gemeinsam mit Organisationen wie Sea-Watch, Amnesty International und Human Rights Watch die Erklärung veröffentlicht, in der die tunesischen Behörden aufgefordert werden, die Menschenrechtsverletzungen gegen Menschen auf der Flucht und das harte Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft zu beenden.

Sie kritisieren, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten internationale Menschenrechte verletzen, indem sie ihre Zusammenarbeit mit Tunesien verstärken, um Migranten von den europäischen Küsten fernzuhalten.

„Flüchtlinge sind in Tunesien nicht sicher“, erklärt Marie Michel, politische Expertin von SOS Humanity. „Menschenrechtsverletzungen in Tunesien gegen Menschen auf der Flucht sind in Hunderten von Fällen dokumentiert worden, insbesondere seit dem Frühjahr 2023. Es gibt dort kein Asylsystem und keinen Schutz für Flüchtlinge. Für uns als nichtstaatliche Such- und Rettungsorganisation ist es daher unmöglich, Menschen, die wir aus Seenot im Mittelmeer gerettet haben, nach Tunesien zu bringen. Dies würde einen Verstoß gegen internationales Recht bedeuten. Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, Überlebende an einen sicheren Ort zu bringen. Tunesien ist ebenso wenig ein sicherer Ort wie Libyen. SOS Humanity und unsere Mitunterzeichnenden kritisiert aufs Schärfste die verstärkte Zusammenarbeit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten mit tunesischen Akteuren, die Menschenrechtsverletzungen begehen. Die EU hat die Einrichtung der TUN SRR unterstützt, obwohl dies eine Wiederauflage des libyschen Modells bedeutet: Die Verantwortung für Such- und Rettungsmaßnahmen wird an Akteure übertragen, welche die illegale Rückholung (Pull-backs) von Menschen auf der Flucht durchführen, die ständig gegen internationales Recht verstoßen und die Menschenrechte verletzen. Darüber hinaus befürchten wir, dass die Einrichtung der TUN SRR den ohnehin schrumpfenden humanitären Raum im zentralen Mittelmeer weiter einschränken und unsere dringend benötigten Such- und Rettungseinsätze gefährden wird.“

Die unterzeichnenden Organisationen appellieren an die EU und ihre Mitgliedstaaten, Tunesien im Hinblick auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen aufzufordern, die Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen, Asylsuchenden und Migranten zu beenden. Sie fordern, dass Europa nach der Einrichtung einer tunesischen Such- und Rettungszone im Juni 2024 sicherstellen muss, dass das Völkerrecht und die Menschenrechte sowohl auf See als auch auf dem tunesischen Festland eingehalten werden. (SOS Humanity)