Äthiopien, Südsudan und Madagaskar am schlimmsten betroffen: Großer Hunger – von Menschen gemacht

Äthiopien, Südsudan und Madagaskar am schlimmsten betroffen: Großer Hunger – von Menschen gemachtAnlässlich des Welternährungstages an diesem Samstag weist MISEREOR auf die angespannte Hunger-Situation in mehreren Ländern Afrikas hin. Dramatisch ist die Lage aktuell unter anderem in Äthiopien, Südsudan und Madagaskar. MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel wirbt für Solidarität und ruft zu entschiedenem Handeln auf: „Ernährungskrisen sind in den meisten Fällen von Menschen gemacht. Wir können etwas dagegen tun, zumal global genügend Lebensmittel verfügbar sind, damit alle Menschen auf diesem Erdplaneten satt werden. Deutschland muss seine Bemühungen zu ziviler Konfliktbearbeitung und Krisenprävention verstärken, ebenso seinen Einsatz für gerechtere Handelsstrukturen und an den Klimawandel angepasste landwirtschaftliche Anbaumethoden. Den Schlüssel zur Lösung vieler Hungerkrisen haben wir in der Hand.“

Ein Beispiel für menschengemachten Hunger ist die derzeitige Krisenlage in Äthiopien. Nach Angaben von MISEREOR-Berater Atsbaha Gebre-Selassie sind allein in der dortigen Bürgerkriegsregion Tigray etwa sieben Millionen Menschen davon betroffen, dass aufgrund militärischer Belagerung und Abschottung dringend benötigte Lieferungen von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern nicht zu ihnen gebracht werden können. Hunger werde als Kriegswaffe eingesetzt, gewaltsame Militärangriffe hätten Menschen daran gehindert, ihre Ernten einzufahren.

Von Blättern und Blüten ernährt
Gebre-Selassie schildert, welche dramatischen Folgen der Kriegsbeginn in Äthiopien im November vergangenen Jahres hatte: „Menschen flohen in Wälder und Berge und versuchten sich von Blättern und Blüten zu ernähren. Soldaten plünderten alle gespeicherten Getreidevorräte und Lebensmittel in verlassenen Siedlungen, schlachteten Tiere. Wasserbrunnen und Küchenutensilien wurden zerstört, Obstbäume gefällt.“ In Tigray gebe es aktuell für viele Arbeitnehmer*innen kein Gehalt, Banken seien geschlossen, Elektrizität, Telefon oder Internet funktionierten nicht. Verschärft wird die Situation durch die Folgen der Corona-Pandemie, die insbesondere sozial schwächere Bevölkerungskreise in schwere existenzielle Krisen geführt hätten, so dass diese von Lebensmittelhilfe abhängig wurden. Nicht zuletzt wurden Teile von Äthiopien seit 2019 von Heuschreckenschwärmen heimgesucht, die Getreide, Gemüse, Bäume und Futtergräser vernichteten.

Konflikte um die Verteilung von Macht
Ähnlich schwerwiegend ist die Problemlage zurzeit im Südsudan: „Gewalttätige Konflikte zwischen verschiedenen Ethnien oder auch innerhalb einer Volksgruppe um Machtverteilung und -ausübung führen zu Vertreibungen und damit auch Hunger“, analysiert Uwe Bergmeier, Leiter der Dialog- und Verbindungsstelle von MISEREOR für den Südsudan. Inzwischen wird die Zahl der Menschen, die aufgrund neu eskalierender Gewalt ihre Dörfer verlassen mussten, auf 80.000 geschätzt. Es trifft dieses fragile Land umso härter, da etwa die Hälfte der Bevölkerung seit vielen Jahren bereits von Hunger akut bedroht ist und über drei Millionen Menschen vertrieben wurden und daher in Notunterkünften leben. MISEREOR beteiligt sich momentan an Nothilfen zur Versorgung der Betroffenen mit Nahrungsmitteln. Auch im Südsudan kommen weitere Problemfaktoren hinzu – wie etwa extreme Regenfälle im Nordosten des Landes, die zu folgenschweren Überflutungen von landwirtschaftlichen Nutzflächen geführt haben.

2000 Kilometer auf der Flucht
Schließlich ein Blick nach Madagaskar: Bischof Marie Fabien Raharilamboniaina aus der Diözese Morondava berichtet von etwa 30.000 Menschen, die aus der Hungerregion im Süden der Insel geflohen und in seinem Bistum gestrandet sind: „Sie sind 2000 Kilometer gelaufen, um zu uns zu kommen. Auf dem Weg auch durch Wüstengebiete gab es Tote wegen Hunger und Erschöpfung. Aus Verzweiflung überfallen einige der Geflüchteten Busse, stehlen Geld und Gepäck der Reisenden. Es ist der Hunger, der sie zu diesen barbarischen Taten treibt.“ Die Diözese bemüht sich, die Geflüchteten zu unterstützen – mit Lebensmitteln und Schulbildung für Kinder. Bischof Raharilambonianina hält den Klimawandel für eine Hauptursache der Hungersnot im Süden Madagaskars. Er befürchtet – auch in Folge der Fluchtbewegungen – massive soziale Unruhen in seinem Bistum, wenn es keine Perspektiven für die Zugewanderten gibt und der lokalen Bevölkerung nicht geholfen wird, die Geflüchteten aufzunehmen.

„Auch wenn die Zahl der Hungernden weltweit zuletzt wieder gestiegen ist, ist das Ziel zwei („Den Hunger beenden“) innerhalb der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bis 2030 nach wie vor erreichbar“, appelliert MISEREOR-Chef Spiegel an die Bundesregierung, in ihrem Engagement für eine Welt ohne Hunger nicht nachzulassen.“ (misereor)