« Wir haben jahrzehntelang Feldforschung gemacht in Dörfern, in denen dann Massaker verübt wurden »: wie ein belgischer Geografieprofessor einen unsichtbaren Krieg sichtbar machte. Jan Nyssen hat als Erster erhoben, dass im Tigray-Krieg eine halbe Million Menschen gestorben sein könnten. Er tat das mithilfe wissenschaftlicher Werkzeuge und mit Informationen von Menschen, denen er sich moralisch verpflichtet fühlte.
Es ist etwas mehr als zwei Jahre her, da war Jan Nyssen ein gewöhnlicher Geografieprofessor in Belgien. Er forschte zu Bodenerosion und Geomorphologie, unter anderem in den Schweizer Alpen. Es waren Themen, die ausserhalb von Fachkreisen selten Aufsehen erregen.
Dann brach im November 2020 Krieg aus in einer Gegend, die Nyssen gut kennt. Seit den 1990er Jahren hatte er in Tigray geforscht, einer Region mit sechs Millionen Einwohnern im Norden von Äthiopien. Nun lief dort eine Offensive des äthiopischen Militärs, die eine abtrünnige Regionalregierung entfernen sollte. Aus der Offensive wurde ein grausamer Bürgerkrieg.
Nyssen und sein Team hielten Kontakt zu Forschungspartnern und Bekannten in der Region. Sie begannen, den Krieg zu dokumentieren. Dazu nutzten sie ihre wissenschaftliche Werkzeugkiste: Satellitenbilder, Landkarten, Statistiken, Telefon-Interviews, wenn verfügbar auch soziale Netzwerke. Sie leisteten eine Arbeit, die Journalisten nur höchst eingeschränkt tun konnten, denn Tigray stand unter einer Blockade. Internet und Telefon waren meist unterbrochen, Recherchen in der Region ließ die äthiopische Regierung nicht zu. So blieb der Krieg weitgehend unsichtbar.
Lesen Sie HIER das Interview in der NZZ.