Angriffe auf und Entführungen von Kinder/n in West- und Zentralafrika sind ein zunehmendes Problem

Angriffe auf und Entführungen von Kinder/n in West- und Zentralafrika sind ein zunehmendes Problem
©UNICEF/Apochi Owoicho: Schüler der Urie-Grundschule im Bundesstaat Delta, Nigeria

Die Entführung von 150 Schülern aus einer Schule im nigerianischen Bundesstaat Kaduna am 5. Juli ist die jüngste in einer alarmierenden Serie von Entführungen und Angriffen auf Kinder, darunter auch Schulkinder, in Teilen West- und Zentralafrikas. Es ist zu befürchten, dass nichtstaatliche bewaffnete Gruppen und Konfliktparteien in Burkina Faso, Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo (DRK), Niger und Nigeria wie in den vergangenen Jahren in den kommenden Wochen, bevor die Regenzeit und Überschwemmungen ihre Bewegungsmöglichkeiten einschränken, diese Gewalt verstärken werden.

Solche Taten scheinen sich zu häufen und geben Anlass zu ernster Sorge um die Sicherheit und das Wohlergehen der Kinder in der Region. Bereits im Jahr 2020 lebte laut dem jüngsten Bericht des UN-Generalsekretärs über Kinder und bewaffnete Konflikte ein Drittel der kindlichen Opfer von schweren Gewalttaten in West- und Zentralafrika.

In Burkina Faso haben Angriffe auf Zivilisten und andere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht in den letzten Wochen stark zugenommen. Am 5. Juni wurden bei einem stundenlangen Überfall auf ein Dorf in der Provinz Yagha mindestens 130 Zivilisten getötet. Es war der tödlichste Angriff, den das Land seit Beginn der Gewalt im Jahr 2015 erlebt hat. In diesem Monat sind bereits 178 Zivilisten getötet worden, darunter auch Kinder. Mehr als 1,2 Millionen Menschen, davon 61 Prozent Kinder, sind inzwischen durch die Gewalt vertrieben worden. Diese Zahl hat sich in nur drei Jahren verzehnfacht.

In Kamerun griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe am 6. Juni ein religiöses Zentrum in Mamfe an, töteten einen 12-jährigen Jungen und verletzten einen 16-Jährigen. Angriffe auf Zivilisten und die Entführung und Hinrichtung von Schulkindern und Lehrern nehmen im Nordwesten und Südwesten zu. Wir schätzen, dass eine Million kamerunischer Kinder Schutz vor Gewalt benötigen. Auch die Mitarbeiter humanitärer Organisationen sind zunehmenden Bedrohungen ausgesetzt. Dutzende von lokalen NGO-Mitarbeitern wurden angegriffen, entführt oder getötet. Der erste gezielte Angriff auf einen humanitären UN-Konvoi fand im vergangenen März statt.

In den ersten drei Monaten des Jahres 2021 haben wir außerdem einen äußerst besorgniserregenden Anstieg der Verletzungen von Kinderrechten in der Zentralafrikanischen Republik festgestellt, und zwar vor dem Hintergrund der wachsenden Unsicherheit und der Spannungen im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen 2020. Die Zahl der gemeldeten Fälle von sexueller Gewalt gegen Mädchen hat sich zwischen dem letzten Quartal 2020 und dem ersten Quartal 2021 fast verfünffacht, von 10 auf 49. Die offizielle Zahl der getöteten oder schwer verletzten Kinder war Anfang 2021 siebenmal höher als Ende 2020, während die Zahl der Angriffe oder Besetzungen von Schulen und Krankenhäusern im gleichen Zeitraum von 30 auf 44 stieg.

Auch aus Niger werden Angriffe auf Kinder, Familien und Schulen berichtet. In diesem Jahr haben bewaffnete Gruppen bereits fast 300 Menschen, darunter 45 Kinder, bei konzertierten Angriffen auf Dörfer in den Regionen Tillábery und Tahoua getötet. Bei einigen dieser Angriffe zielten die Angreifer auf Familien, die Wasser holten. Bis zu 80 Prozent der Kinder, die in den am stärksten von der Gewalt betroffenen Gebieten leben, benötigen als Folge psychosoziale Unterstützung.

In Nigeria wurden seit Dezember nach Schätzungen der UN mindestens 950 Schüler von Bewaffneten aus ihren Schulen entführt. Allein in den letzten sechs Wochen wurden bei vier Angriffen an verschiedenen Orten im Zentrum und Nordwesten Nigerias fast 500 Kinder entführt. Viele dieser Kinder werden immer noch vermisst. Es ist schwer, sich den Schmerz und die Angst vorzustellen, die ihre Familien und Angehörigen angesichts ihres Verschwindens empfinden müssen.

In der Demokratischen Republik Kongo wurden allein im ersten Quartal 2021 mehr als 3.400 Verstöße gegen Kinder (wie Rekrutierung in bewaffnete Gruppen, Entführungen oder Tötungen) bestätigt, was 64 Prozent der im gesamten Jahr 2020 verzeichneten Verstöße ausmacht.

Es reicht nicht aus, diese Verbrechen zu verurteilen, besonders in einer Zeit, in der Millionen von Kindern einer wachsenden Schutzkrise ausgesetzt sind. Kinder, die in diesen Gebieten leben, brauchen eine konzertierte Aktion, die es ihnen ermöglicht, in Sicherheit zu leben, zur Schule zu gehen oder Wasser zu holen, ohne Angst, angegriffen oder von ihren Familien weggebracht zu werden.

Dies beginnt bei nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen und allen Konfliktparteien, die die Rechte von Kindern verletzen: sie haben die moralische und rechtliche Verpflichtung, alle Angriffe auf Zivilisten sofort einzustellen und Zivilisten und zivile Einrichtungen während jeder militärischen Operation zu respektieren und zu schützen. Sie haben auch die Verantwortung, die Arbeit von UNICEF und anderen humanitären Akteuren vor Ort zur Unterstützung gefährdeter Kinder nicht zu behindern, sondern zu erleichtern.

Auch die internationale Gemeinschaft hat eine wichtige Rolle zu spielen. Unsere Geber müssen ihre Beiträge erhöhen, damit wir unsere Anstrengungen zur Verringerung der Gefährdung von Kindern und zur Erhöhung ihrer Widerstandsfähigkeit, die beide für ihren Schutz notwendig sind, verstärken können. Dazu gehört die Schaffung von sicheren, temporären Lernumgebungen für Kinder in Gebieten, in denen Schulen aufgrund von Unsicherheit geschlossen wurden, die psychosoziale Betreuung von Gewaltbetroffenen und die Unterstützung von Aktivitäten zur Aufklärung über Minengefahren.

Es muss alles getan werden, um diese sich beschleunigende Kinderschutzkrise anzugehen, da die Region am Rande einer Katastrophe steht.“ (UNICEF-Direktorin Henrietta Fore)