Buchtipp: Amara Johnson: „Der Glatzkopf oder die Flucht nach Nigeria“ – Satiren über das multikulturelle Leben in Deutschland

Buchtipp: Amara Johnson: „Der Glatzkopf oder die Flucht nach Nigeria“ - Satiren über das multikulturelle Leben in DeutschlandVor einem halben Jahr legte die aus Nigeria stammende Autorin Amara Johnson ihren vielbeachteten Roman „Die Untertanin und ich“ vor, in dem sie die haarsträubenden Zustände an ihrer Schule, in der sie als Lehrerin arbeitet, aufs Korn nimmt. In ihrem neuen Buch „Der Glatzkopf oder die Flucht nach Nigeria“ beleuchtet sie auf satirische Weise die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland, die in Wahrheit keine sei und noch einiges tun müsse, um eine zu werden. So werde zwar die Buntheit und Bereicherung, die man Einwanderern aus anderen Kulturen verdanke, in Sonntagsreden beschworen, doch im Alltag komme es kaum zu nachhaltigen Begegnungen zwischen Deutschen und Migranten, geschweige denn zu einem kulturellen Austausch.

In der Geschichte „Die Klofrau und Gott“ erzählt Johnson auf anrührende Weise von Mama Jane, einer Nigerianerin, die in Frankfurt als Toilettenfrau arbeitet und die Gottesdienste einer nigerianischen Pfingstgemeinde regelmäßig besucht, wo nicht nur gebetet und gesungen wird: „Es wurden Ehen angebahnt, Wohnungen vermittelt, Lebensmittel und Stoffe feilgeboten und Geldgeschäfte abgewickelt.“

Eines Tages wäre es wegen eines Missverständnisses beinahe zu einem Bruch zwischen Mama Jane und der Ich-Erzählerin gekommen, die sie am Telefon auf „übelste Weise beschimpft und beleidigt“ hat. Doch überraschenderweise nimmt Mama Jane ihrer Landsmännin den Fauxpas nicht übel: „Was ich ihr auch immer an den Kopf geschleudert hatte – sie blieb mir auf wundersame Weise gewogen: sanftmütig, und als sei ihr Glaube an das Gute in mir durch nichts zu erschüttern.“ Am Ende der Geschichte besucht Amara Johnson Mama Jane in ihrer kleinen Wohnung, und die beiden Frauen lernen sich näher kennen …

Wer einen Facebookaccount hat, wird so manches Mal mit dem Gedanken gespielt haben, einen der vielen Facebook-Freunde einmal persönlich kennen zu lernen. Genau das hat Amara Johnson getan. Sie lernte den „Glatzkopf“, der sie vor Jahren auf Facebook „entspannt und freundlich“ angelächelt hatte, in Offenbach kennen. So unterhaltsam der Abend mit der „Glatze“ auch verlief – die Enttäuschung konnte nicht ausbleiben. Zwar setzte sich der Freund pathetisch für eine „weltoffene Gesellschaft und die Menschenrechte“ ein, aber im Grunde fehlte dem Vertreter der Spaßgesellschaft doch die notwendige Glaubwürdigkeit. Und so überrascht es Amara Johnson auch nicht, dass er Mitglied der Kasperle-Partei ist.

In der Geschichte „Das blaue Wunder“ erzählt die Deutschlehrerin von ihren Schwierigkeiten, den Schülern Schillers „Wilhelm Tell“ näherzubringen, der sich in ihren Mündern „in eine Parodie zu verwandeln“ droht. Schließlich aber gelingt es ihr auf unverhoffte Weise doch, denn es kommt zum Aufruhr der Klasse gegen ihre allzu kleinbürgerlichen Eltern …

Und auch Amara Johnsons letzte Geschichte über das große Z – kongenial illustriert von John Bridge – stellt das subversive Potenzial der nigerianischen Autorin und Lehrerin unter Beweis, mit dem sie ihre Schule in den Grundfesten erschüttert.

Amara Johnsons neues Buch stellt eine aufwühlende Lektüre dar, die ich uneingeschränkt empfehlen kann. (Ester Awonoor)

Amara Johnson
„Der Glatzkopf oder die Flucht nach Nigeria“, mit Bildern von John Bridge
9, 90 Euro
Engelsdorfer Verlag Leipzig
ISBN 978-3-96940-341-9