DAS-Afrika-Pressespiegel KW 30: Am seidenen Faden?

DAS-Afrika-Pressespiegel KW 30: Am seidenen Faden?Politische Krise in Tunesien – Präsident entlässt Regierung: Tunesiens Präsident Kais Saied, hat in der Nacht zum Montag im Beisein von Armeegenerälen Premierminister Hichem Mechichi entlassen und die Arbeit des Parlaments für 30 Tage ausgesetzt. Außerdem wurde die Immunität aller Abgeordneten aufgehoben. Saied kündigte darüber hinaus an, die exekutiven Aufgaben zunächst selbst an der Seite eines neuen Premierministers übernehmen zu wollen sowie künftig das Amt des Generalstaatsanwaltes auszuüben. Saieds Handlungen folgen auf einen Tag teils gewaltsamer Proteste in mehr als 20 tunesischen Städten gegen Misswirtschaft, Korruption und die Handhabung der Corona-Pandemie durch die Regierung und die stärkste Partei im Parlament, die islamisch-konservative Ennahdha.

Tunesien erlebt derzeit einen starken Anstieg der Corona-Infektionen, während sich die wirtschaftliche Krise im Land bereits in den vergangenen Monaten immer weiter zugespitzt hat. Vor diesem Hintergrund stößt Saieds Machtübernahme vor allem in der jungen Bevölkerung Tunesiens auf breite Unterstützung, Zehntausende bejubelten sie auf den Straßen. Auch die mächtige Gewerkschaft Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT) stellte sich hinter die Handlungen des Präsidenten. Parlamentspräsident Rachid Ghannouchi von der Ennahdha-Partei nannte das Vorgehen hingegen einen Staatsstreich und erfuhr Unterstützung zweier weiterer wichtiger Parteien im Parlament. Präsident Saied selbst sieht sein Handeln als verfassungskonform. Er beruft sich auf Artikel 80 der im Jahr 2014 in Kraft getretenen tunesischen Verfassung, die im Falle einer „unmittelbaren Bedrohung“ nicht näher spezifizierte außergewöhnliche Maßnahmen genehmigt. Allerdings gilt es als umstritten, ob die bis heute nicht vollständig umgesetzte Verfassung die Machtübernahme des Präsidenten überhaupt rechtfertigt. Denn der für derartige Vorgänge nötige Verfassungsgerichtshof hat seine Arbeit bis dato noch nicht aufgenommen.

Ungeachtet dessen entließ Saied am Montagnachmittag per Dekret auch den Verteidigungsminister und die Justizministerin. Am Dienstag folgten weitere Dekrete zur Suspendierung einer langen Liste hochrangiger Regierungsbeamter. Am selben Tag lenkte die Ennahdha-Partei ein und erklärte sich zu vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bereit. Sowohl der EU-Außenbeauftragte Josep Borell als auch Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian äußerten sich am Mittwoch besorgt über die jüngsten Ereignisse und forderten eine umgehende Rückkehr zur rechtsstaatlichen Ordnung. Denn die tunesische Demokratie galt international bisher als Musterbeispiel für einen gelungenen demokratischen Transitionsprozess nach dem Arabischen Frühling im Jahr 2011. Am Donnerstag schien Saied mit der Ernennung von Ridha Gharsallaoui als Innenminister auf den nationalen wie internationalen Druck zu reagieren. Wann der Posten des Premierministers neu besetzt werden wird, blieb jedoch zunächst offen. Die UGTT verkündete mittlerweile, einen Fahrplan für die weiteren Schritte aus der politischen Krise vorzubereiten.

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