Eine ganz persönliche Weihnachtsgeschichte: Jedes Jahr musste in Gabun immer ein Teil der Direktoren der Luftfahrtbehörde, für die ich arbeitete, über die Weihnachtsfeiertage anwesend sein, so dass es mich im 2. Jahr dort traf. Mein Sohn, der vorübergehend auch dort lebte, und ich würden also den Heiligabend alleine in Libreville verbringen, heimfliegen zur Familie in Deutschland konnten wir vergessen.
Dennoch sind wir beide nicht ganz allein, denn einen gibt’s noch: Oumar, meinen gardien (Hauswächter), der zwar Moslem aber völlig begeistert von der Idee ist, mit uns zusammen Weihnachten zu feiern. Er will ganz genau wissen, wie man vorgehen muss bzgl. Baum usw., was es zu essen gibt und dergleichen.
Ich mache mich also auf die Suche nach einem Baum. Es gibt sehr schöne Echttannen in Libreville, eingeflogen aus Frankreich, die um die 300 Euro kosten – das ist mir aber entschieden zu viel, so dass ich mich für eine chinesische Plastiktanne entscheide. Hässlich zwar, aber was solls, bei der Hitze ist das eh besser, der echte Baum würde sowieso nicht lange halten. Dann noch etwas Deko besorgt, ein Geschenk für Oumar (gutes Rasierwasser und Deo, damit er auch mal Dinge in seinem Hüttchen stehen hat, wo etwas drin ist, denn er dekoriert dort immer mit meinen leeren Deo- und Parfumflaschen), und ab nach Hause mit dem ganzen Zeug.
Am Heiligen Abend fahren wir nochmal schnell los, Kartoffeln für den obligatorischen Kartoffelsalat und Bockwürstchen zu holen. Es ist entsetzlich heiß, wie da Weihnachtsstimmung aufkommen soll, ist mir schleierhaft. Also erstmal die Klimaanlage volle Power in Gang setzen, damit wenigstens die Temperaturen in etwa stimmen.
Nachmittags schmücken wir den Baum, ich mache den Kartoffelsalat fertig, verpacke die Geschenke, und die „Bescherung“ kann theoretisch losgehen, bis mir einfällt: wer singt? Wir können doch hier nicht alleine vor uns hinsingen, das ist ja lächerlich. Also noch schnell ein paar Elvis-Presley-Weihnachtslieder bei youtube runtergeladen, und endlich ist die Stimmung perfekt.
Oumar ist ganz aufgeregt und entschwindet in sein Hüttchen, um sich umzuziehen, wie er sagt, und erscheint tatsächlich total gestylt in seinem heißgeliebten Bundesligashirt, das ich ihm auf seinen Wunsch hin im Sommer mitgebracht habe, und strahlt, als er sein Geschenk auspackt. „Sowas habe ich noch nie bekommen“, freut er sich.
Während die Weihnachtslieder vor sich hindudeln, essen wir, wobei es aber ein Problem gibt: „Ist das Christenwurst“? fragt Oumar. Ich weiß, was er meint, aber die Antwort nicht, denn ich habe nicht drauf geachtet beim Einkauf, ob es nun Schwein-, Rind- oder Geflügelbockwurst ist. „Keine Ahnung, vielleicht ist es auch Buddhistenwurst“ antworte ich etwas genervt, weil ich mich über mich selbst ärgere, „iss sie also lieber nicht, man weiß ja nie“. „O.k.“, sagt er, bringt die beiden eigentlich für ihn gedachten Würste zusammen mit den Kartoffelsalatresten in den Kühlschrank und geht dann raus vors Tor zu seinen gardien-Freunden, um sein Geschenk vorzuführen und vom deutschen Heiligabend zu berichten.
Ein seltsamer Heiligabend, und es blieb auch der einzige, den ich während meiner 7 Jahre in Gabun dort verbrachte, denn irgendwie war das Ganze doch etwas traurig.
Am nächsten Morgen gibt’s aber schon wieder Grund zu lachen: die Wurst unbestimmter Religion ist aus dem Kühlschrank verschwunden, Oumar hat sie gegessen! Da war der Hunger stärker als der Glaube …, und um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen, haben wir kein Sterbenswörtchen darüber verloren. (Ingrid Aouane)