Das Bild von Afrika wird in der breiten Medienwelt oft in eine verzerrte und negative Darstellung gerückt. Der Kontinent mit immensem Potenzial ist stark belastet durch Stereotype wie Korruption, Gewalt, Konflikte, schwache Staatsführung, Krankheiten sowie anhaltenden Hunger und Armut. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, sind enorme Anstrengungen erforderlich.
In den Entwicklungsstrategien der afrikanischen Staaten wurde in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt die Industrialisierung in den Mittelpunkt gestellt. Dies gilt auch und insbesondere für die Agrarwirtschaft.
Agrarindustrieller Ausbau in Afrika
Die Vereinten Nationen haben mit der Resolution 4/217 den „Internationalen Tag der Industrialisierung Afrikas“ eingeführt, der jährlich am 20. November begangen wird. In einem Beitrag anlässlich des Tags im Jahr 2022 habe ich darauf hingewiesen, dass die traditionell gewachsene Basis der Agrarwirtschaft der wichtigste wirtschaftliche Träger der Industrialisierung ist. Diese erfordert jedoch eine strategisch angepasste Entwicklungsplanung, die nachhaltig wirkende Modernisierungsprozesse integriert. Ziel ist es, einen hohen Grad an Eigenständigkeit für die Agrarwirtschaft zu erreichen und die gewaltigen Importvolumen für Nahrungsmittel zu reduzieren.
Die Erkenntnis lautet: Den Hunger in Afrika können wir nur durch beschleunigte Maßnahmen zur Nutzung der eigenen lokalen landwirtschaftlichen Potenziale bekämpfen. Die Welthungerhilfe schätzt ein, dass sich die Ernährungssituation in Afrika sogar verschlechtert hat, und spricht von einer Stagnation im Kampf gegen den Hunger. Ein wesentlicher Faktor für die verschärften Hungersnöte ist das starke Bevölkerungswachstum auf dem Kontinent.
Botschafter a.D. Volker Seitz betonte in einem Beitrag (AP 95/24), dass Hungersnöte in der Regel menschengemacht und selten natürlich bedingt sind.
Was muss Afrika selbst tun?
Es ist notwendig, dass qualifizierte Führungskräfte und Eliten der afrikanischen Länder verantwortungsvoller den Herausforderungen für die Entwicklung einer produktiven Landwirtschaft nachkommen. Minister Robert Habeck formulierte auf dem 5. German-African Business Summit (GABS) am 2. Dezember 2024 in Nairobi die Forderung: „Deutsche Unternehmen brauchen ein sicheres und stabiles Afrika, um zu investieren.“
Deutschlands Engagement als angesehener Partner in Afrika wird jedoch durch fehlenden Risikomut und zu teure Angebote für Leistungen und Ausrüstungen belastet.
Offensiveres deutsches Engagement
Die deutsche Mitwirkung in der Entwicklung einer regional angepassten Agrarwirtschaft sollte darauf abzielen, stabile Strukturen zu schaffen, zum Beispiel in Form von kooperativen Stationen. Hier könnten Kleinbauern gemeinschaftlich eine höhere Produktivität erreichen. Ein vielversprechender Ansatz ist auch die Errichtung von Industrieparks, die über die Initiative „Compact with Africa“ bereits vorgeschlagen wurde. Solche Komplexe können, verbunden mit Ökolandbau, die gesamte Wertschöpfungskette abdecken – von der Landgewinnung und Modernisierung der Agrararbeit über Verarbeitung und Lagerung bis hin zur Vermarktung der Produkte. Erste Anwendungserfahrungen gibt es beispielsweise mit chinesischen Akteuren in Ghana.
Nun, an der Schwelle zu 2025, stellt sich die Frage, wie konkret und angepasst die Zielstellungen der deutschen Wirtschaft in der Intensivierung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit umgesetzt werden. Konzeptionen und Finanzierungswege liegen vor, doch es geht nun um die operative Umsetzung und die Realisierung vereinbarter Projekte in der Agrarwirtschaft. Dabei sollten Schwerpunkte mit einzelnen ausgewählten Reformländern gesetzt und entsprechende Vorschläge erarbeitet werden.
Zukunftspartnerschaft
Bundesminister Cem Özdemir setzte mit seiner im Januar 2023 gestarteten „Initiative für eine Zukunftspartnerschaft“ einen wichtigen Impuls. Diese Initiative spricht von einer Agrardiplomatie, die in enger Abstimmung mit der Afrikanischen Union (AU) erfolgen soll. Im Fokus steht ein „Agrarpolitischer Dialog“, der im November 2024 in Äthiopien einen weiteren Schritt machte. Ein Jugendforum („African Youth and Agribusiness Forum“) wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und der AU initiiert. Zudem wird ein deutsch-afrikanisches Team mit einem Agrarattaché an der Deutschen Botschaft in Addis Abeba stationiert.
Minister Özdemir tauschte sich mit der AU-Kommissarin für ländliche Wirtschaft und Landwirtschaft, Mrs. Josefa Sacko, über das Konzept des BMEL zur Zusammenarbeit und Transformation der Ernährungssysteme aus. Das BMEL verpflichtet sich, mit technischem Know-how aus Wissenschaft und Forschung den Ausbau landwirtschaftlicher Projekte zu unterstützen.
Vorschläge für weiteres Engagement
Ich plädiere dafür, dass das BMEL über bestehende Beratungsfirmen hinaus Industrie- und Agrarunternehmen die Chancen für nachhaltige Afrikaprojekte näherbringt. Dies erfordert mehr Interesse und Mut zu stärkerem Engagement. Ein Gremium mit Industrie- und Gewerbeunternehmen könnte geeignete Investitionsobjekte für einzelne afrikanische Reformländer identifizieren und vorschlagen.
Darüber hinaus sollte vom traditionellen Liefergeschäft mit Agromaschinen und Ausrüstungen auf integrierte Lösungen für Entwicklungsprojekte umgestellt werden. Dies sollte mit den vorliegenden Investitionswünschen afrikanischer Partner abgestimmt sein.
Die Initiative von Minister Özdemir zielt darauf ab, mit industriellen Kapazitäten in der Agrarwirtschaft Arbeitsplätze zu schaffen, der Jugend eine Lebensperspektive zu bieten und die Arbeit der Frauen zu entlasten.Fazit
Jede der dargelegten Maßnahmen muss dazu beitragen, Hunger und Armut auf dem Kontinent zu beseitigen. Wenn wir Afrikas Wachstum verschlafen, verpassen wir die Chance, mit dem rasanten Engagement globaler Akteure wie China, Indien und Russland mitzuhalten, die auf dem Kontinent willkommen sind. (Gerd Eckert, Dipl. oec., Berlin)