Das Terrornetzwerk des Islamischen Staats wurde in den letzten Jahren deutlich geschwächt. Am Ende ist er dadurch aber keineswegs. Am 19. Juli 2021, dem Vorabend des diesjährigen muslimischen Opferfestes, sprengte sich ein Selbstmordattentäter inmitten eines belebten Marktes in Sadr City in die Luft, einem Bagdader Stadtteil, der als Hochburg einer der größten schiitischen Strömungen des Irak gilt. Fast 100 Menschen kamen ums Leben.
Schockierend war nicht nur der schreckliche Anblick der Opfer, sondern auch, dass der „Islamische Staat“ – so sahen es viele Beobachter – plötzlich wieder da war und auf diese Weise zuschlagen konnte. Prompt gab die Terrororganisation über ihre Agentur Amaq den Anschlag bekannt, und ihr Online-Magazin an-Naba‘ widmete ihm am folgenden Tag ein Editorial, das die Tat würdigte. Zudem wurde auf weitere Attentate verwiesen, die Ableger des IS in Nigeria, auf dem Sinai, in Afghanistan und in Irakisch-Kurdistan verübt haben sollen.
Tatsächlich stellt sich die Frage, ob der Anschlag in Bagdad wirklich so überraschend kam und ein Ausnahmefall ohne spezifischen Kontext war, oder ob er – wie der IS selbst immer wieder behauptet – dafür steht, dass die blutrünstige Bande sich neu aufstellt und neue Schlagkraft entwickelt.
Die westliche und die arabische Presse sprechen nicht mehr so viel vom IS seit vor vier Jahren dessen „Kalifat“ in Mossul und Raqqa zerschlagen wurde und er nicht nur den Großteil seines Herrschaftsgebiets in Irak und Syrien verlor, sondern auch die meisten seiner Führungspersonen, einschließlich des „Kalifen“ Abu Bakr al-Baghdadi getötet wurden. Das heißt jedoch nicht, dass „Da’esh“ damit Geschichte wäre und seine Anhänger sich in die Niederlage gefügt hätten.
Tatsache ist, dass der IS in seiner Stammregion im Irak immer aktiv geblieben ist, besonders im „Dreieck des Schreckens“ zwischen den Provinzen Kirkuk, Ninive und Salah ad-Din sowie in den Wüstengebieten zwischen Anbar und der irakisch-syrischen Grenze. Auch war der genannte Anschlag nicht der erste seit der Zerschlagung des Kalifats. Bereits am 21. Januar dieses Jahres gelang es zwei Selbstmordattentätern des IS, in eine Einkaufsstraße von Bagdad vorzudringen und etwa 35 Menschen zu töten, über 100 wurden verwundet. Am 15. April platzierte die Organisation dann im Urfali-Markt von Sadr City eine Autobombe, der vier Menschen zum Opfer fielen. Und ebenfalls in Sadr City explodierte am 30. Juni ein Sprengsatz im Maridi-Markt, wodurch 17 Personen verwundet wurden.
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