IPG-Journal: Protest-Feuerwerk – wachsender Unmut in Tunesien

IPG-Journal: Protest-Feuerwerk – wachsender Unmut in Tunesien

Arabischer Herbst: Nach Protesten entlässt Präsident Saied die Regierung und friert das Parlament ein. Interview mit Johannes Kadura, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tunesien.

Nach massiven Protesten im ganzen Land gegen die tunesische Regierung hat Präsident Kais Saied Premier Hichem Mechichi entlassen und das tunesische Parlament für 30 Tage eingefroren. Was war der Auslöser für die Proteste? Wie wird das Vorgehen Saieds in der Bevölkerung gesehen?

Die Unzufriedenheit der Bevölkerung bahnte sich seit längerem an. In den sozialen Medien war vielfach dazu aufgerufen worden, am 25. Juli gegen die Regierung zu demonstrieren. In vielen Städten kamen die Menschen diesem Aufruf nach.

Der Unmut der Bevölkerung entlud sich vornehmlich gegen die moderat islamistische Ennahda-Partei, die an der Regierung beteiligt ist. Tunesien steckt in einer tiefen Krise. Zehn Jahre nach der Revolution geht es den Menschen nicht wirklich besser, sowohl wirtschaftlich als auch in vielen sozialen Belangen. Gerade auch im Kontext der Pandemie wuchs der Unmut gegen die Regierung weiter an. Die Regierung wird – zu Recht – als ineffektiv angesehen: Sie hat es weder geschafft, Reformen auf den Weg zu bringen, um die allgemeine politische und wirtschaftliche Lage des Landes zu verbessern, noch die Pandemie in den Griff zu bekommen. Tunesien steht im internationalen Vergleich sehr schlecht da.

Man muss die Proteste vor diesem Hintergrund verstehen. Hinzu kommen auch Faktoren wie die zunehmende Polizeigewalt, gerade gegen junge Protestierende in den letzten Wochen. Die soziale Sprengkraft der vielfältigen Probleme veranlasste Präsident Saied, die Regierung zu entlassen und die Parlamentstätigkeit einzufrieren.

Die Entscheidung des Präsidenten stößt bislang auf relativ große Zustimmung bei der Bevölkerung. Am Sonntagabend, als die Entscheidung verkündet wurde, gab es Autokorsos, Hupkonzerte, Feuerwerke – die Menschen feierten auf der Straße. Zumindest in der Mittelschicht und im Ballungsraum Tunis sehen es viele als den einzigen Weg aus der politischen Krise und unterstützen die Entscheidung des Präsidenten.

Saied beruft sich auf die tunesische Verfassung. Die meisten Parteien im Parlament, allen voran die Ennahda, sprechen dagegen von einem „Angriff auf die Demokratie“ – manche sogar von einem Staatsstreich. Wie ist das zu bewerten?

Lesen Sie HIER weiter. (Friedrich Ebert Stiftung, Foto:ia)