IPG-Journal: Prügelknabe Südafrika – Pandemiebekämpfung erfordert Transparenz und Solidarität

IPG-Journal: Prügelknabe Südafrika - Pandemiebekämpfung erfordert Transparenz und Solidarität
In den ersten 48 Stunden nach Verkündung beklagten die Tourismusverbände bereits Stornierungen im Wert von 55 Millionen Euro.

Wie das geht, hat Südafrika gerade gezeigt. Es sollte dafür nicht bestraft werden. Die üblichen Klischees vom Katastrophen- und Armutskontinent Afrika waren in der deutschen Omikron-Berichterstattung erneut schnell zur Hand: „Das Virus aus Afrika ist bei uns“, titelte die Rheinpfalz am Sonntag. Die Rhein-Neckar-Zeitung packte ein Foto einer Wellblechhütte auf ihre Titelseite – statt zum Beispiel ein Foto des hochmodernen Forschungslabors, welches die Variante entdeckt hat. Und Spiegel Online berichtete von Fluchtszenen am Johannesburger Flughafen: „Wegen der neuen Virusvariante versuchen Menschen, Flüge in ihre Heimatländer zu ergattern.“

Aber nicht wegen der Variante herrschte dort Andrang. Sondern wegen der unmittelbar von vielen Ländern verhängten Reisebeschränkungen. Und deren Sinn für die Pandemiebekämpfung ist umstritten. Die WHO zeigt sich skeptisch. Ohnehin wurde die neue Variante bereits in elf Ländern nachgewiesen. Sicher ist aber: die Konsequenzen der Restriktionen sind hart – für die betroffenen Menschen und auch die Wirtschaft. Südafrikas Tourismusbranche steht kurz vor der Hauptsaison – und nun vor einem Desaster. Allein in den ersten 48 Stunden nach Verkündung beklagten die Tourismusverbände bereits Stornierungen im Wert von 55 Millionen Euro.

Obwohl diese Konsequenzen abzusehen waren, hatte Südafrika unmittelbar nach der Entdeckung der Mutation den Rest der Welt gewarnt. Und das sogar noch bevor abschließende Erkenntnisse über ihren Ursprung vorliegen, der eventuell gar nicht in Südafrika ist, sowie über Krankheitsverläufe und Impfwirksamkeit. Es drängt sich die Frage auf, was uns weltweit erspart geblieben wäre, hätten seit der Entdeckung des Coronavirus SARS-CoV-2 alle Länder so solidarisch gehandelt wie es Südafrika nun tut.

Stattdessen wird das Land zum Dank für die Transparenz einmal mehr isoliert und stigmatisiert. Südafrika werde „bestraft für fortschrittliche Genomanalysen“, so das südafrikanische Außenministerium. Es ist kein Zufall, dass schon die zweite Variante in Südafrika entdeckt wurde. Das von HIV und anderen Epidemien gebeutelte Land hat in den vergangenen Jahrzehnten in erstklassige Epidemiologie investiert. „Exzellente Wissenschaft sollte belohnt, nicht bestraft werden“, beklagt die Regierung.

Lesen Sie HIER weiter. (Friedrich Ebert Stiftung, Foto: Matthias Mullie)