KAS-Report: Vom Frühling in die Tragödie – Der unbeachtete Krieg im Sudan

KAS-Report: Vom Frühling in die Tragödie - Der unbeachtete Krieg im Sudan

In weniger als 18 Monaten hat sich der Krieg im Sudan zur größten humanitären Katastrophe der Gegenwart entwickelt. Gleichzeitig sind Deutschland und Europa völlig mit den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten beschäftigt. Dennoch besteht ein objektives Interesse der deutschen Politik, die Lage im Sudan zu stabilisieren und einer weiteren Verstärkung des Migrationsdrucks auf die europäischen Grenzen entgegenzuwirken.

Was vor mehr als 18 Monaten als Kampf zweier sudanesischer Militärs um die Zentralgewalt in Khartum begann, hat inzwischen nicht nur den drittgrößten Flächenstaat Afrikas in ein totales Chaos gestürzt, sondern auch die politische Tektonik an der bedeutenden Scharnierstelle zwischen dem Nahen und Mittleren Osten, dem Horn von Afrika und der Sahelregion verschoben. Von den Auswirkungen des Krieges im Sudan sind vor allem die Staaten Ägypten, Äthiopien, Südsudan, Uganda, Tschad und Libyen betroffen, in denen knapp ein Viertel der Gesamtbevölkerung Afrikas lebt.

Der Oberbefehlshaber der regulären sudanesischen Streitkräfte (Sudanese Armed Forces, SAF), Generalleutnant Abdel Fatah al-Burhan, und der Kommandeur der vor mehr als 20 Jahren entstandenen paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, konnten sich nach einer kurzen Phase der gemeinsamen Herrschaft nicht über die exakte Machtverteilung einigen. Dies führte am 15. April 2023 in der sudanesischen Hauptstadt zum Ausbruch von Kämpfen zwischen den Militärs und den Paramilitärs. Die anfänglichen Hoffnungen auf einen schnellen Einstieg in substanzielle Verhandlungen haben sich lange zerstoben. Die fortschreitende Regionalisierung des Konflikts infolge der Interventionen zahlreicher Akteure mit teilweise stark divergierenden Interessen hat zurückliegende Sondierungsbemühungen erheblich verkompliziert und diplomatische Lösungen bis dato unmöglich gemacht. Mittlerweile übersteigt die Gesamtzahl der sudanesischen Bürger, die seit dem 15. April ihre Heimat verlassen mussten, die Marke von 13 Millionen. Die humanitäre Lage im Sudan hat das Ausmaß der Katastrophe in Syrien zwischen 2015 und 2018 erreicht. Für die deutsche und europäische Politik ergibt sich die Relevanz der Lage im Sudan aus derselben geografischen Nähe und denselben Sicherheitsinteressen, wie sie mit Blick auf die Sahelregion herrschen – Eindämmung von Flucht- und Migrationspotenzial durch Stärkung staatlicher und wirtschaftlicher Strukturen sowie die Bekämpfung nichtstaatlicher Gewaltakteure. Angesichts der Fokussierung auf die Konflikte in Osteuropa sowie im Nahen und Mittleren Osten erfährt der Sudankonflikt in der europäischen Politik und Öffentlichkeit jedoch wenig Beachtung.

Militärs, Paramilitärs und die kurze Hoffnung auf Demokratie im Sudan

Auch wenn bereits in den Wochen vor dem 15. April 2023 über Befürchtungen eines bewaffneten Konflikts zwischen SAF und RSF berichtet wurde, kam der Ausbruch der Gewalt für viele Beobachter überraschend. Fast auf den Tag genau vier Jahre zuvor, am 11. April 2019, waren die heutigen Kontrahenten al-Burhan und Hemedti gemeinsam am Sturz des sudanesischen Langzeitherrschers Omar al-Baschir beteiligt gewesen. Als im Juli desselben Jahres unter Vermittlung Äthiopiens und der Afrikanischen Union (AU) eine Übergangsregierung vereinbart wurde, erhielten beide Generäle Posten in dem auf drei Jahre angelegten, elfköpfigen „Souveränen Rat“. Neben der Einrichtung dieses aus Militärs und Zivilisten paritätisch besetzten Rates unter dem Vorsitz al-Burhans wurde der politisch unbelastete Ökonom Abdalla Hamdok zum Ministerpräsidenten bestellt und ein sowohl von Persönlichkeiten des alten Regimes als auch neuen Repräsentanten zusammengesetztes Kabinett berufen. Am Ende der Übergangsphase von insgesamt 39 Monaten waren demokratische Wahlen vorgesehen und Medien berichteten von der Fortsetzung des „Arabischen Frühlings“ beziehungsweise einer neuen Welle desselben. Dazu sollte es aufgrund eines erneuten Putsches im Oktober 2021 allerdings nicht kommen.

Die Gründung der RSF als zusätzlicher bewaffneter Akteur erwies sich als fatal.

Gerade einmal zwei Jahre nach Etablierung der politischen Übergangsstrukturen beendete das sudanesische Militär das noch junge demokratische Experiment im Land und entmachtete den zivilen Teil der Übergangsregierung unter Ministerpräsident Hamdok. Angeführt wurde der erneute Putsch am 25. Oktober 2021 von General al-Burhan, der hierbei vor allem von den SAF, aber auch den von General Hemedti geführten RSF unterstützt wurde. Nach andauernden Protesten der Zivilbevölkerung und Druck aus dem Ausland wurde Hamdok am 21. November wieder eingesetzt. Die Macht blieb jedoch fast vollständig in den Händen des Militärs und das ursprünglich vereinbarte Gleichgewicht zwischen Militär und Zivilisten wurde nicht wiederhergestellt. Den dennoch anhaltenden Großdemonstrationen begegnete die Armee mit konsequenter Härte. Dies führte am 2. Januar 2022 zum endgültigen Rücktritt des Ministerpräsidenten. Zwölf Monate später wurde ein erneutes Abkommen über eine zweijährige Interimsphase unter einer Militärregierung mit anschließender Übergabe der Macht an eine zivile Regierung beschlossen.

HIER der ganze Bericht. (Adenauer Stiftung)