Anne Soy, Afrikakorrespondentin der BBC, hat sich die für die aus GB abgeschobenen – pardon, auf ihre Asylentscheidung wartenden – vorgesehenen Unterkünfte für Asylbewerber:innen angeschaut, und man kann nur sagen: da gibt’s doch nichts zu meckern! Sie werden sicherlich von anderen, in Lagern Ausharrenden beneidet werden, denn nette Hotels mit Blick auf die Hauptstadt Kigali, mit TV, Pool und allem Luxus, sowie großräumige, moderne Bungalows stehen bereit – was will man mehr?
Mit der verblassenden rosa Farbe an seinen Wänden liegt das Hotel Rouge par Désir etwa 10 Fahrminuten vom Zentrum von Kigali, der Hauptstadt Ruandas, entfernt. Das sechsstöckige Hotel verfügt über 72 Zimmer mit Blick auf die hügelige Stadt. Es befindet sich in einem Wohngebiet mit Einfamilienhäusern und Unternehmen und wird einer der Orte in der Stadt sein, an denen Ruanda plant, Asylsuchende aufzunehmen, die im Rahmen des umstrittenen Abkommens zwischen den beiden Regierungen vom Vereinigten Königreich hierhin geschickt wurden. Leiterin Jackie Uwamungu führt Anne freudig durch die Räumlichkeiten. „Wir haben VIP-, Silber-, Doppel- und Zwillingszimmer, einen Swimmingpool und einen Konferenzraum“, sagt sie. Die Zimmer verfügen über ein Bett, einem mobilen Schrank, einen Schreibtisch mit Stühlen und einem kleinen Fernseher an der Wand. Für Jackie ist das Migrationsabkommen eine willkommene Erleichterung nach den Covid-19 Ausfällen. „Oh, das wird unser Geschäft ankurbeln, ehrlich gesagt“, gibt sie zu.
Doch nicht alle Ruander sind von der Idee des Abkommens begeistert. Victoire Ingabire Umuhoza, eine Oppositionspolitikerin und ehemalige politische Gefangene, ist der Ansicht, dass die ruandische Regierung, bevor sie anbietet, Asylsuchende aufzunehmen, sich auf die Lösung der politischen und sozialen Probleme konzentrieren sollte, die die Ruander selbst dazu veranlassen, im Ausland Zuflucht zu suchen.
Die ruandische Regierung hat in Menschenrechtskreisen den Ruf, repressiv zu sein. Sie wurde bereits beschuldigt, Killerkommandos zu entsenden, um Dissidenten im Exil zu töten, und von den Ruandern in der Diaspora Loyalität zu verlangen.
Der britische Premierminister Boris Johnson verteidigte den Plan seiner Regierung, Asylsuchende in das ostafrikanische Land zu schicken. Das Vereinigte Königreich wird Asylbewerbern mit einem One-Way-Ticket (!) nach Ruanda befördern. „Ruanda hat sich in den letzten Jahrzehnten völlig verändert, es ist ein völlig anderes Land als früher“, sagte er kürzlich, entgegen aller Kritik an Präsident Kagame, der seit 1994 an der Macht ist.
Obwohl nicht klar ist, wie viele Asylbewerber:innen das Vereinigte Königreich zu schicken gedenkt, hat Ruanda auch 102 Zimmer in der Hallmark Residence im Vorort Nyarugunga in Kigali identifiziert. Hier gibt es 30 möblierte Bungalows mit drei und vier Schlafzimmern, die über eigene Eingänge und Gärten verfügen. Das stelle man sich mal vor! Sowas haben die Asylsuchenden garantiert noch nicht mal in ihrem Heimatland! Die sollten wirklich dankbar sein anstatt sich gegen ihren „Ausflug“ nach Ruanda zu wehren.
Das von der britischen und der ruandischen Regierung unterzeichnete „Asyl-Partnerschaftsabkommen“ legt fest, dass das Abkommen ab dem Tag seines Inkrafttretens fünf Jahre lang gilt und im vierten Jahr verlängert werden kann – obwohl Rechtsgruppen versprochen haben, in Großbritannien eine Klage gegen das Abkommen zu organisieren, um seine Umsetzung zu vereiteln.
Auf die Frage, was dies für Ruanda bedeute, antwortete Regierungssprecherin Yolande Makolo: „Nun, was bedeutet dies für uns alle, die wir die Flüchtlingskonvention unterzeichnet haben? Wir haben uns verpflichtet, Menschen zu schützen, die vor Verfolgung fliehen, und wir haben dies in unserer jüngsten Geschichte getan, in den letzten nunmehr fast 30 Jahren.“
Die britische Regierung behauptet, sie werde „120 Millionen Pfund in die wirtschaftliche Entwicklung und das Wachstum Ruandas investieren“ und „Asyloperationen, Unterbringung und Integration in ähnlicher Weise finanzieren wie die Kosten, die im Vereinigten Königreich für diese Dienstleistungen anfallen“. Das Abkommen wird von den beiden Regierungen als „Partnerschaft für Migration und wirtschaftliche Entwicklung“ beschrieben.
Dies mag ein PR-Sieg für das ostafrikanische Land sein, doch es gibt weiterhin ernsthafte Bedenken hinsichtlich seiner Menschenrechtsbilanz.
Human Rights Watch warf der britischen Regierung vor, „Missstände zu übersehen“, um eine „grausame“ Asylpolitik zu rechtfertigen. Ihr Direktor für Zentralafrika, Lewis Mudge, kritisierte die Sicherheitsbewertung Ruandas durch das Vereinigte Königreich, da sie „Fakten auswählt oder völlig ignoriert, um eine offensichtliche Schlussfolgerung zu untermauern“. Mudge sagte, die ruandischen Behörden hätten bei Protesten wegen der Lebensmittelrationen für Flüchtlinge aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo im Februar und März 2018 übermäßige Gewalt angewendet, 12 Menschen getötet und 60 festgenommen. Er berichtete außerdem, dass mindestens 35 Flüchtlinge zwischen Oktober 2018 und September 2019 zu Haftstrafen zwischen drei Monaten und 15 Jahren verurteilt worden seien. In einem Fall, so Mudge weiter, sei ein Flüchtling beschuldigt worden, Informationen mit Human Rights Watch geteilt zu haben, und verbüße derzeit eine 15-jährige Haftstrafe. Die ruandische Regierung bestreitet diese Vorwürfe und wirft Human Rights Watch vor, zu fabulieren und falsche Behauptungen zu veröffentlichen.
Frau Makolo behauptet, dass es Ruanda in Bezug auf die Menschenrechte „so gut wie jedem anderen Land“ gehe. Es sei „ein work in progress, sogar im Vereinigten Königreich selbst [und in den] fortschrittlichsten Ländern“, sagte sie und fügte hinzu, dass Flüchtlinge, die sich z.B. als LGBTQ identifizieren, in Ruanda „so frei wie jeder andere“ wären. In ihrem Reisehinweis für Ruanda weist die britische Regierung jedoch darauf hin, dass Homosexualität in dem Land nicht illegal ist, aber „von vielen immer noch schlecht angesehen wird“. „LGBT-Personen können diskriminiert werden, auch von den lokalen Behörden. Es gibt keine speziellen Antidiskriminierungsgesetze, die LGBT-Personen schützen“, sagt Mudge. Na,ja, man/frau/divers muss sich ja nicht unbedingt outen.
Auf die Frage, ob der Abschluss des Abkommens es der britischen Regierung ermöglicht, ihre Verantwortung gegenüber Flüchtlingen nach internationalem Recht abzugeben, antwortet Makolo, dass die Flüchtlingskonvention nicht besagt, „dass sie das absolute Recht haben, das Land zu wählen, in das sie gehen“. „Wir sehen es daher als eine gemeinsame Verantwortung an. Ruanda möchte Teil der Lösung sein“, fügte sie hinzu. Ruanda wird die Asylanträge der Migranten bearbeiten und sie im Einklang mit dem ruandischen Gesetz, der Flüchtlingskonvention und internationalen Gesetzen „ansiedeln oder zurückschicken“, so die Vereinbarung.
Dänemark befindet sich ebenfalls in Gesprächen mit Ruanda, um ein ähnliches Abkommen abzuschließen.
Ein weiteres Abkommen über Migranten, in dessen Rahmen Hunderte von Asylsuchenden von Libyen nach Ruanda gebracht wurden, wird vom UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, verwaltet. Sie werden in Gashora untergebracht, einem Lager etwa 60 km südlich der Hauptstadt. Fast 1.000 Menschen, die meisten von ihnen vom Horn von Afrika, wurden dort seit 2019 untergebracht. Nach Angaben der Beamten wurden 626 Personen in Drittländern neu angesiedelt, hauptsächlich in Kanada, Schweden, Norwegen, Frankreich und Belgien.
Mindestens fünf Flüchtlinge aus dem Lager, mit denen die BBC-Korrespondentin gesprochen hat, lachten, als sie gefragt wurden, ob sie sich in einem afrikanischen Land, insbesondere in Ruanda, niederlassen wollten. Viele haben Folter, Hunger, Erpressung durch Menschenhändler und Sklaverei ertragen und schwierige Wüstenbedingungen oder den Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, überlebt. Zwar haben sie alle erklärt, dass Ruanda ein sichererer und freundlicherer Ort sei, doch ihre Entschlossenheit, eines Tages in Europa oder Nordamerika zu leben, ist weit davon entfernt, nachzulassen.
Es gibt keine Aufzeichnungen über einen Migranten, der in Ruanda Asyl beantragt hat. Unverständlich – um nicht zu sagen undankbar -, wo doch alles dafür getan wird, dass sie sich wohlfühlen und es ihnen dort doch so gut geht, oder? (Quelle/mit BBC)