Moderne Sklaverei auf Plantagen, kaum Schutz vor COVID-19, Hungerlöhne trotz Rekordgewinnen: Deutsche Supermärkte erlebten im Corona-Jahr 2020 einen Umsatzboom, das Vermögen ihrer Eigentümer:innen wuchs um bis zu 30 Prozent. Die Arbeiter:innen in den globalen Lieferketten schuften trotzdem zu Hungerlöhnen, sind kaum geschützt oder haben ihre Arbeit ganz verloren. Das zeigt der neue Oxfam-Bericht „Pandemie-Profiteure und Virus-Verlierer:innen“. Recherchen in vier Ländern belegen Ausbeutung und schockierende Fälle von moderner Sklavenarbeit. Zudem erhalten Arbeiter:innen immer weniger vom Erlös der von ihnen geernteten Produkte. Oxfam fordert, dass die Rekordumsätze der Supermärkte bei den Menschen ankommen müssen, die unser Essen herstellen.
Im Corona-Jahr 2020 wurden Supermärkte zu Krisengewinnern. Laut Oxfams Recherchen stiegen die Umsätze von Discountern wie Lidl und Aldi um knapp neun Prozent, bei klassischen Supermärkten wie Rewe und EDEKA um knapp 17 Prozent. Der Umsatzboom spiegelt sich auch bei den Vermögen der Eigentümer:innen wider. Das Vermögen von Beate Heister und Karl Albrecht Junior, den Haupteigentümer:innen von Aldi Süd, wuchs von knapp 18 auf fast 25 Milliarden Euro. Das Vermögen von Dieter Schwarz, dem Eigentümer der Schwarz-Gruppe, zu der Kaufland und Lidl gehören, wuchs um mehr als 30 Prozent.
„Während die Supermarktketten Kasse machten, kämpfen die Arbeiter:innen, die unser Essen herstellen, um ihre Existenz“, sagt Tim Zahn, Oxfam Experte für Wirtschaft und Menschenrechte. Oxfam-Recherchen in Brasilien, Indien, Südafrika und Thailand ergaben, dass viele Arbeiter:innen ihre Arbeitsplätze verloren haben. Wenn sie weiterarbeiten konnten, sind sie bei ihrer Arbeit kaum gegen Corona geschützt. Die Pandemie verstärkt darüber hinaus die Benachteiligung von Frauen, die durch die Pandemie überdurchschnittlich häufig ihre Jobs verloren haben und zusätzliche Care-Arbeit leisten.
Profite entlang der Lieferkette extrem ungleich verteilt
Neue Oxfam-Berechnungen für Kaffee aus Brasilien, Tee aus Indien und Wein aus Südafrika zeigen, dass Arbeiter:innen immer weniger vom Preis bekommen, den Konsument:innen im Supermarkt bezahlen, während die Supermärkte den größten Anteil für sich behalten. Arbeiter:innen auf Traubenplantagen in Südafrika und auf Teeplantagen im indischen Bundesstaat Assam erhalten nur ein Prozent des Verkaufspreises. So verdienen Teepflücker:innen im indischen Bundesstaat Assam täglich gerade einmal 1,91 Euro. Im Kaffeesektor im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais beträgt die Lücke zwischen gezahlten Löhnen und existenzsichernden Löhnen 40 Prozent. „Dabei wäre Geld genug da“, so Tim Zahn. „Allein die Pandemiegewinne der Eigentümer von Aldi Süd hätten ausgereicht, um rund vier Millionen Beschäftigten im brasilianischen Kaffee-Sektor existenzsichernde Löhne zu zahlen.“
Fälle von „moderner Sklavenarbeit“ in Lieferketten deutscher Supermärkte
Auf Kaffeeplantagen in Brasilien hat Oxfam besonders drastische Fälle gefunden. Hier stehen einige Plantagenbesitzer:innen wegen „moderner Sklaverei“ auf der offiziellen „Lista suja“ (übersetzt: schmutzige Liste) der Regierung. Arbeiter:innen, mit denen Oxfam gesprochen hat, berichten von Unterkünften ohne fließendes Wasser, extremer körperlicher Arbeit und fehlendem Schutz gegen giftige Pestizide oder das Coronavirus. Von ihren niedrigen Löhnen können die Arbeiter:innen kaum leben, zudem müssen sie Ausrüstung und Schutzkleidung selbst kaufen, wofür sie sich oft bei den Plantagenbesitzern verschulden. Obwohl die Plantagen auf der schmutzigen Liste stehen, hat Oxfam Belege für Verbindungen zu deutschen Supermarktketten.
Oxfam fordert, dass Arbeiter:innen in den globalen Lieferketten ausreichend gegen Corona geschützt sind, kostenlose Schutzbekleidung erhalten und im Falle einer COVID-19-Erkrankung weiterhin Lohn bekommen. Außerdem müssen die Supermarktketten ihr Geschäftsmodell verändern, so dass die Beschäftigten in den globalen Lieferketten von ihrer Arbeit leben können und ihre Rechte geachtet werden. Das kürzlich verabschiedete Lieferkettengesetz ist ein erster Schritt, doch nur eine Minimallösung. Die Bundesregierung muss dieses nachschärfen und sich für eine weitreichendere Regelung in der EU einsetzen. (OXFAM)