In Somalia herrscht die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten. In den ersten zehn Wochen dieses Jahres mussten bereits mehr als 450.000 Menschen ihr Zuhause auf der Suche nach Wasser und Nahrung verlassen, berichtet Save the Children. Die Zahlen steigen rapide an, und immer mehr Kinder leiden an Unterernährung.
Die Auswirkungen der Klimakrise sind in Somalia besonders stark zu spüren. Das Land am Horn von Afrika kämpft nun mit der dritten Dürre innerhalb eines Jahrzehnts. Etwa 90 Prozent des Landes und 4,3 Millionen Menschen – ein Viertel der Bevölkerung – sind betroffen. Einige Gebiete erleben die größte Trockenheit seit 40 Jahren. Verschärft wird die Situation zusätzlich durch die Folgen des Krieges in der Ukraine, der Lebensmittelpreise und die Transportkosten für wichtige Importe wie Weizenmehl in die Höhe treibt. Dies weckt Befürchtungen, dass sich die tödliche Hungersnot von 2011 wiederholen könnte. Damals starben ungefähr 260.000 Menschen, die Hälfte von ihnen Kinder unter fünf Jahren.
“Die damalige Hungersnot war eine der größten vermeidbaren humanitären Katastrophen der Neuzeit und löste weltweit ein Gefühl der Scham aus. Internationale Organisationen haben einfach zu spät reagiert”, sagt Save the Childrens Kommunikationsdirektorin Martina Dase, die vor Ort ist, um sich ein Bild von der Situation zu machen. “Dieses Mal müssen wir es besser machen. Schon jetzt sterben Kinder, und es werden täglich mehr. Als Menschheit haben wir hier eine besondere Verpflichtung zu verhindern, dass sich 2011 wiederholt. Noch ist es möglich.”
Da der internationale Aufruf der UN zur humanitären Hilfe bisher nur 3,8 Prozent der nötigen 1,46 Milliarden USD aufgebracht hat, appelliert Save the Children an die internationale Gemeinschaft, ihre Finanzierungsbemühungen zu verstärken. Sonst könnten nach Schätzungen der Vereinten Nationen bis Mitte des Jahres 1,4 Millionen Kinder akut unterernährt sein – 64 Prozent mehr als vor zwei Jahren.
“Die Zahlen sind erschreckend. Aber noch viel grausamer ist es, einem kleinen Mädchen beim Sterben zuzusehen. In Kismayo kam für die Vierjährige jede Hilfe zu spät, weil ihre Mangelernährung schon zu weit fortgeschritten war. Das sind Bilder, die mich seitdem nicht mehr loslassen”, sagt Martina Dase.
Das medizinische Personal der Kinderrechtsorganisation im Regionalkrankenhaus von Kismayo berichtet, dass sich die Zahl der eingelieferten Kinder im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht hat und mehr Fälle von Unterernährung, Lungenentzündung und Durchfall auftreten. Eine von Save the Children unterstützte mobile Gesundheitseinheit, die in einem nahegelegenen vertriebenen Lager arbeitet, meldete im vergangenen Monat acht Todesfälle von Kindern aufgrund von Unterernährung.
“Dies ist eine der schlimmsten Dürreperioden, die ich je erlebt habe. Wir sind an Dürreperioden in Somalia gewöhnt, aber diese ist anders. Es wird immer schlimmer und wir haben alles verloren. Seit drei Jahren haben wir keinen guten Regen mehr erlebt”, erzählt eine 50-jährige Bäuerin, die ihren gesamten Viehbestand verlor und damit auch ihren Lebensunterhalt. Sie ist eine von mehr als 30.000 Menschen, die in einem der zwei im Oktober errichteten Lager in Luglow, nahe der südlichen Hafenstadt Kismayo, Zuflucht suchen musste. Hier kann sie für ihre Kinder und Enkel zumindest den Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser und Gesundheitsdiensten sicherstellen.
Auf der staubigen Straße nach Luglow liegen die verrottenden Kadaver von toten Rindern und Eseln von Fliegen umschwärmt und täglich treffen mehr Menschen ein. “Ich kann nicht vorhersagen, was als Nächstes passieren wird, aber ich glaube nicht, dass wir jemals zurückkehren können, da wir nichts haben”, sagt sie. “Wenn wir krank sind, können wir nichts tun. Jetzt brauchen wir eine bessere Unterkunft, und wenn wir Unterstützung bekommen, könnten wir versuchen, in der Stadt neu anzufangen. Das ist jetzt mein größter Wunsch.”
Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der vertriebenen Menschen in diesem Jahr auf bis zu 1,4 Millionen ansteigen soll, ist Save the Children über den Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und der Gesundheitsversorgung in vielen der 5.000 Vertriebenenlager in Somalia besorgt. Finanzmittel werden dringend benötigt, um Familien lebensrettende Unterstützung zukommen zu lassen.
“Wir sind Zeugen einer Klimakatastrophe, die sich vor uns abspielt. In Somalia gab es schon immer Dürren, etwa alle zehn Jahre, aber diese schnell aufeinanderfolgenden Dürren bedeuten, dass die Menschen nicht die Zeit haben, sich dazwischen zu erholen und ihre Ernten oder ihren Viehbestand wiederherzustellen. Es ist bedrohlich, denn fast das gesamte Land ist von dieser Dürre betroffen”, sagt der Landesdirektor von Save the Children in Somalia, Mohamud Mohamed Hassan. “Wir wissen, dass es weltweit viele konkurrierende Krisen gibt und dass die Ukraine wahrscheinlich alles überlagern wird, aber wir dürfen die Kinder in Somalia nicht im Stich lassen. Wir können sie retten, wenn wir jetzt handeln!”
Save the Children arbeitet seit 1951 in Somalia und ist auf nationaler und internationaler Ebene führend in der humanitären Hilfe. Zudem engagiert sich die Organisation in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Bildung, Kinderschutz und Kinderrechte. Im Jahr 2021 erreichte die Kinderrechtsorganisation über 3 Millionen Menschen in Somalia, darunter mehr als 1,8 Millionen Kinder.
Save the Children Deutschland beteiligt sich mit einer Förderung des Auswärtigen Amtes bei humanitären Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, WASH (Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene) und Kinderschutz. Zudem bietet sie bedürftigen Familien mit Kindern in Somalia Geldtransfers für die Soforthilfe. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fördert im Rahmen der Übergangshilfe über die Zusammenarbeit mit Save the Children Projekte in Somalia und verfolgt unter anderem das Ziel binnenvertriebene Jugendliche in Baidoa, Garowe und Mogadischu dabei zu unterstützen, verbesserte Einkommensmöglichkeiten und soziale Teilhabe zu erlangen. (Save the Children)