Über 1 Millionen COVID-Tote seit G7-Versäumnis bei Impfstoff-Patenten vor vier Monaten

Über 1 Millionen COVID-Tote seit G7-Versäumnis bei Impfstoff-Patenten vor vier MonatenBeim aktuellen Impftempo in Ländern mit niedrigem Einkommen wird es 57 Jahren dauern, bis dort alle Menschen geschützt sind: Seit dem außerordentlichem G7-Gipfel im Februar sind mehr als eine Million Menschen an COVID-19 gestorben. Damals versäumten es die Staats- und Regierungschefs, sich für die Aussetzung des Patentschutzes auszusprechen, damit Impfstoffe auch in Ländern des Globalen Südens hergestellt werden können. Die People’s Vaccine Alliance, in der sich Oxfam, USAIDS, die Health Justice Initiative und weitere NGOs zusammengeschlossen haben, fordert die G7 auf, diesen Fehler bei ihrem kommenden Gipfel zu korrigieren. Denn ohne eine massive Ausweitung der Impfstoff-Produktion wird es nicht gelingen, die Bevölkerungen in einkommensschwachen Ländern – z.B. in Afrika – bald zu impfen.

Bereits heute treffen sich die G7-Gesundheitsminister*innen zu Gesprächen.
Berechnungen der People’s Vaccine Alliance zufolge war die Wahrscheinlichkeit, in den G7-Ländern eine Impfung zu erhalten, im vergangenen Monat 77-Mal höher als in Ländern mit niedrigem Einkommen. Insgesamt wurden in den G7-Ländern im Mai täglich 4,6 Millionen Menschen geimpft. Bleibt es bei dieser Rate, kann dort bis zum 8. Januar 2022 jede*r Einwohner*in einen vollständigen Impfschutz erhalten. Im Gegensatz dazu werden in Ländern mit niedrigem Einkommen aktuell nur 63.000 Menschen täglich geimpft, weshalb es bei gleichbleibendem Tempo 57 Jahren dauern würde, um dort einen Impfschutz in der gesamten Bevölkerung zu erreichen. Von den 1,77 Milliarden Dosen COVID-Impfstoff, die weltweit bislang verabreicht wurden, entfielen 28 Prozent auf die G7-Länder und nur 0,3 Prozent auf Länder mit niedrigem Einkommen, obwohl in beiden Ländergruppen ähnlich viele Menschen leben.

„Es ist obszön, dass Großbritannien, Deutschland und andere wohlhabende Staaten, die in der Lage sind, ihre eigene Bevölkerung zu impfen, einkommensschwache Länder – z.B. in Afrika – daran hindern, selbst die Impfdosen herzustellen, die sie brauchen“, kritisiert Anna Marriott, Oxfams Expertin für Gesundheitspolitik. „Die Staats- und Regierungschefs der G7 können sich bei ihrem kommenden Gipfel auf die richtige Seite der Geschichte stellen, wenn sie den Vorschlag zur Aussetzung der Impfstoff-Patente unterstützen – so wie es bereits über 100 Länder tun.“

Deutschland und Großbritannien blockieren Aussetzung

Von den G7-Staaten unterstützen diese Forderung bislang nur die USA. Das Vereinigte Königreich und Deutschland sind dagegen, während Kanada, Frankreich, Japan und Italien unentschlossen sind. Dabei sind laut einer Anfang Mai veröffentlichten Umfrage durchschnittlich 70 Prozent der Menschen in den G7-Staaten der Meinung, ihre Regierungen sollten dafür sorgen, dass Pharmaunternehmen ihr Wissen über COVID-19-Impfstoffe teilen, damit qualifizierte Hersteller auf der ganzen Welt in Produktion einsteigen und das Angebot erhöhen können.

Die Bundesregierung rechtfertigt ihren Widerstand gegen die Aussetzung der Impfstoff-Patente unter anderem mit ihrem Beitrag zur COVAX-Initiative. Diese wurde gegründet, um wirtschaftlich benachteiligten Ländern den Zugang zu COVID-Impfstoffen zu erleichtern. Doch damit ist der Wettlauf gegen die Zeit nicht zu gewinnen. So hatte COVAX bis Ende Mai weniger als ein Drittel der versprochenen Impfdosen geliefert. Auf diese Weise würden bis Ende des Jahres bestenfalls zehn Prozent der Menschen im globalen Süden geimpft sein. Ohne eine Aussetzung des Patentschutzes wird es nicht gelingen, das Impftempo in den ärmsten Ländern dieser Welt wesentlich zu erhöhen.

Expert*innen fürchten, dass Mutationen die aktuellen Impfstoffe gegen Covid-19 in einem Jahr oder weniger unwirksam machen könnten. Das zeigt eine Ende März veröffentlichte Umfrage unter führenden Epidemiolog*innen und Virolog*innen aus 28 Ländern. (Oxfam)