*Volker Seitz: Auch für viele Afrikaner wird das Leben immer teurer

*Volker Seitz: Auch für viele Afrikaner wird das Leben immer teurer

Deutsche Firmen, die in Afrika erfolgreich investieren wollen, sollten sich – neben dem Zustand der Verkehrswege, Elektrizität, Wasser, Internet, Rechtssicherheit und Bildungsniveau der Arbeitskräfte – auch mit Lebenshaltungskosten auseinandersetzen.

Für Investoren ist Afrika immer noch ein schwieriges Pflaster. Der Kontinent gilt als einer der konfliktreichsten der Welt. Den viel beschworenen Chancen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklungen stehen vielen Staaten immer die Faktoren Ungleichheit und Unsicherheit entgegen. Es bedarf deshalb Recherche, Transparenz und Vertrauen. Vor einem Engagement ist eine fundierte Einschätzung des jeweiligen Marktes und der Risiken vorzunehmen. Als vielversprechende Wirtschaftszweige werden Maschinen- und Anlagenbau, Nahrungsmittelverarbeitung, Energieerzeugung, Landwirtschaftsmaschinen, Automobile, Chemische Erzeugnisse oft genannt.

Business Insider Africa hat mit Daten von Numbeo (Belgrad) die Top 10 afrikanischen Länder mit den höchsten Lebenshaltungskosten (LHI) aufgelistet. Deutsche Firmen, die in Afrika erfolgreich investieren wollen, sollten sich – neben dem Zustand der Verkehrswege, Elektrizität, Wasser, Internet, Rechtssicherheit und Bildungsniveau der Arbeitskräfte –  auch mit Lebenshaltungskosten auseinander setzen.

Die meisten Expatriates werden sich in den Hauptstädten umsehen und Geschäftschancen prüfen. Die Preise für lebenswichtige Güter und Dienstleistungen wie Wohnen, Nahrung, Transport, Gesundheitsversorgung und Bildung spiegeln sich direkt im Lebenshaltungskostenindex wider.

Zu beachten ist aber: Bei hohen Lebenshaltungskosten haben Einheimische nur ein begrenztes verfügbares Einkommen und wenig Kaufkraft. Die reiche Elite kann sich besser an steigende Ausgaben anpassen, während Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen die Hauptlast tragen.

In vielen Staaten gehören Wohlstandsgefälle, Gewalt und Kriminalität zu den Hauptproblemen. Diese zunehmende wirtschaftliche Ungleichheit kann soziale Unruhen auslösen und benachteiligte Gruppen weiter isolieren. Selbst in Wachstumsländern kommt das Wachstum viel zu selten bei den Menschen an. Was wächst ist die extreme Ungleichheit. Die meisten fragilen Staaten liegen immer noch in Afrika.

Keine Bevölkerung weltweit wächst schneller als in Afrika. Durch dieses gewaltige Wachstum werden Fortschritte neutralisiert.

Unternehmen sehen sich in der Regel mit steigenden Betriebskosten konfrontiert, da ihre Nebenkosten, Mieten und Lohnkosten steigen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die oft das Rückgrat der afrikanischen Volkswirtschaften bilden, könnten unter solchen Bedingungen Schwierigkeiten bekommen. Länder mit hohen Lebenshaltungskosten werden mit erhöhten Lohnerwartungen konfrontiert sein, was möglicherweise zum Inflationsdruck beiträgt.

Andererseits kann eine geringere Lohnentwicklung zu einer Abwanderung von ambitionierten Fachkräften führen, da talentierte Menschen im Ausland oder in angrenzenden Ländern mit niedrigeren Lebenshaltungskosten nach besseren Möglichkeiten suchen.

Afrika ist nicht homogen
Darüber hinaus können hohe Lebenshaltungskosten ausländische Investoren abschrecken, insbesondere wenn sie diese Ausgaben als gewinnmindernd empfinden. Für Länder, denen es jedoch gelingt, durch hohe Produktivität und/oder robuste Infrastruktur ein Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, könnten die Auswirkungen weniger gravierend sein.

Die Top-10-Liste
1. Äthiopien  LHI: 43.2  Globaler Rang: 53

2. Botswana  LHI: 39.5  Globaler Rang: 65

3. Mosambik  LHI: 38.9  Globaler Rang: 66

4. Cote d’Ivoire  LHI: 38.8  Globaler Rang: 69

5. Somalia  LHI: 38.7  Globaler Rang: 70

6. Kamerun  LHI: 36.2  Globaler Rang: 76

7. Mauritius  LHI: 35.6  Globaler Rang: 80

8. Simbabwe  LHI: 34.7 Globaler Rang: 83

9. Ruanda LHI: 34.6 Globaler Rang: 85

10. Sambia LHI: 33.8 Globaler Rang: 91

Verglichen mit den Daten aus dem gleichen Zeitraum des Vorjahres steht Äthiopien jetzt auf Platz 1 der Liste, im Gegensatz zu Mosambik, dessen Lebenshaltungskostenindex geringfügig höher ist als der von Mosambik, der deutlich gesunken ist.

Im Durchschnitt ist der Lebenshaltungskostenindex für die meisten Länder auf der Top-10-Liste gesunken. Beispielsweise wiesen die Côte d’Ivoire, Mauritius, Kamerun, Sambia und Simbabwe im Jahr 2024 Lebenshaltungskostenindizes von 44,7, 41,1, 39,6, 39,8 und 36,8 auf, verglichen mit Lebenshaltungskostenindizes von 38,8, 35,6, 36,2, 33,8 und 34,7 zu ​​Beginn des Jahres 2025.

Neu in der Top-10-Liste sind in diesem Jahr Botswana, Somalia ( erstaunlich in einer dauerhaften Konfliktregion) und Ruanda, die Südafrika, Senegal und Uganda ersetzen. Sie standen im letzten Jahr auf der Liste der TOP 10.

Nichts ersetzt den Augenschein
Man kann in Afrika viel falsch machen, wenn man nicht mit den kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen vertraut ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass persönliche Beziehungen auf dem Kontinent einen großen Stellenwert haben. Ich habe – wie ich in meinem Buch ausführe – zahlreiche integre Afrikaner kennen gelernt, die mir  – ohne  Gegenleistung – mit Rat und Tat eine große Hilfe waren.

Der Kontinent besteht aus 55 unterschiedlichen Nationen und 55 potenziellen Absatzmärkten. Die regionalen Unterschiede sind groß. Die Realität in Afrika ( zuum Beispiel schwierige Administration, Verlässlichkeit politischer Akteure und Geschäftsumfeld) ist viel komplexer als es die üblichen Papiere suggerieren. Deshalb geht heute nur etwa ein Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen nach Afrika.

Im Ranking der 20 stabilsten Staaten in Afrika nach dem Fragile States Index 2024 von Statista ist der Inselstaat Mauritius mit einem Indexwert von 37,8 Punkten der stabilste Staat des Kontinents und gleichzeitig der einzige in Afrika mit der Risikostufe „Very stable“. Danach kommen die Seychellen, Botswana, Kap Verden, Namibia und Ghana. Nichts ersetzt den Augenschein.

Selbst Christoph Kannengießer, Geschäftsführer des Afrika-Vereins gibt zu, dass deutsche Unternehmen größere Herausforderungen zu bewältigen haben als an anderen internationalen Standorten. Das sei eng verknüpft mit der Risikowahrnehmung und der Risikoeinstufung des Kontinents durch Finanz- und Finanzierungsakteure, durch Staaten und Ratingagenturen.

*Volker Seitz, ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird arm regiert“, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage). Das Buch wurde seit dem erstmaligen Erscheinen (2009) mit jeder der zahlreichen Neuauflagen aktualisiert und erweitert. Von der ersten Auflage bis heute haben sich die Seitenzahlen fast verdoppelt. Das Buch hat durch seine Informationsdichte einen hohen Wert. Seine Aussagen gelten nach wie vor. Die so genannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik. Solange immer Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert werden. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum gehe es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit, fragt Seitz. Es würden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend werde nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden. Afrikanische Kritiker würden nicht zu den Kongressen eingeladen.

Hilfsgelder heizten in vielen Ländern die Korruption an und halten Afrika in Abhängigkeit. Deshalb plädiert Seitz aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften, die bisherige Hilfe durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Wirkliche Hilfe würde bei der intensiven Förderung von Geburtenkontrolle beginnen. Weniger Geburten hätten in Teilen Asiens und Südamerikas zu besseren Lebensbedingungen geführt. Er wundert sich über die Ignoranz in der Politik und den Medien, wenn es um das wahre Problem Afrika gehe.

Seitz wird nie pauschal, hebt immer wieder positive Beispiele hervor und würdigt sie im Detail. Ein Buch, das über weite Strecken auch Lesevergnügen bereitet, ist immer noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung. Es richtet sich nicht an ein Fachpublikum. Der Autor bedient sich einer Sprache, die klar ist, dass sie auch Lesern ohne jegliche Vorkenntnisse einen Zugang zu der Thematik – die uns alle betrifft – eröffnet. (Quelle: achgut.com, mit frdl. Genehmigung des Autors)