Klartext über die Lage in Afrika, wo Russland und China ähnlich wie die alten Kolonialmächte ihren Einfluss ausbauen, kann man in einem aktuellen Interview lesen.
Die Zeitschrift E+Z, Entwicklung und Zusammenarbeit, hat soeben das Ende der Printausgabe verkündet. Das letzte Heft geht im November in Druck. Das ist sehr schade, da die Internetausgabe, wie wissenschaftliche Studien zeigen, tendenziell oberflächlich ist (Werbung, Links, diverse Benachrichtigungen und sonstige online typische Irritationen stören). Das sage nicht ich, sondern der Chefredakteur, Hans Dembowski. Davon abgesehen, lese ich nicht gerne lange Texte online.
In dem aktuellen Heft Nr. 2/2024 ist ein sehr interessantes Interview über Russland, China und (am Rande) Frankreich in Afrika. Interessant, weil ein Afrikaner die Lage analysiert. Vladimir Antwi-Danso, Dekan und akademischer Direktor der ghanaischen Streitkräfte-Hochschule in Accra, kennt die Verhältnisse auf seinem Kontinent besser als viele Kommentatoren, die Afrika höchstens von Kurzbesuchen kennen.
Gewaltanwendung oder Unterdrückung von Dissens
„Die gescheiterte Intervention Frankreichs, welche die Sahel-Region stabilisieren sollte, hatte kinetische und nicht kinetische Dimensionen. Kinetisch bedeutet Gewaltanwendung. Einerseits sollten Aufständische bekämpft werden, andererseits aber sollten der Bau von Dingen wie Straßen und Krankenhäusern sowie Demokratieförderung Herzen und Köpfe gewinnen. Aus offensichtlichen Gründen verlassen sich Militärs auf Gewaltanwendung.“ sagt Antwi-Danso.
Tuareg würden sich z.B. nicht mit den Nationalstaaten identifizieren, zu denen sie gehören sollen. Sie würden für einen eigenen Staat kämpfen. Entscheidend sei, dass es in den Problemgegenden eigentlich nie Staatlichkeit gegeben hätte, außer wenn Sicherheitskräfte Gewalt angewendet haben. Daran habe auch das französische Militär nichts geändert. Auch die russischen Söldner würden das nicht tun.
Frankreich habe weitgehend ignoriert, dass die vermeintlichen Terroristen oft lokale Gemeinschaften politisch vertreten hätten. Russland halte das nicht anders.
Erfahrung mit Russland
Das Muster sei in ganz Afrika gleich. Russische Kräfte würden nicht Geld, sondern Rohstoffe fordern. Ihnen würden Minen zur Ausbeutung überlassen. Das unterliege der Geheimhaltung, so dass es kaum öffentliche Rechenschaft gäbe, das gefalle beiden Seiten, der jeweiligen afrikanischen Regierung und ihrem russischen Gegenüber. So würden beide Seiten auch keinen großen Wert auf Arbeitsrecht oder Umweltschutz legen.
Aus Libyen ist bekannt, dass Russland bewusst Zurückhaltung übt, um langfristig dort Fuß zu fassen. (Vgl. Wolfram Lacher, Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik „Unsichtbare Besatzung: Die Türkei und Russland in Libyen“ vom 10.07.2024)
Russland und China
Russland und China seien in den aktuellen Wettkampf um Afrika eingestiegen, aber sie kooperieren nicht strategisch. Beide wollten Öl, Erze, Holz und andere Rohstoffe. Sie wollten auch militärisch Fuß fassen. Das ähnele dem alten Kolonialismusmuster.
Klar sei, dass die Menschen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich leid seien. Allerdings glaubt er nicht, dass Frankreich endgültig ausgestiegen sei. Es würde sicherlich wieder aktiv werden.
Nicht nur Frankreich, sondern alle westlichen Staaten haben – nach meinem Eindruck – in Afrika Vertrauen verloren. Alle militärischen Interventionen haben immer die herrschenden „Eliten“ gestützt. Die Herrscher sehen dank der Anwesenheit ausländischer Akteure ihre Macht und Einkünfte gesichert. Jetzt eben durch die Russen.
Afrikanische Regierungen – Priorität Machterhalt
Großenteils würden sie nicht viel über die Zukunft ihrer Nation nachdenken, sondern versuchen, kurzfristig alle Chancen, die sich irgendwie ergeben, zu ergreifen. Ihre Priorität sei der Machterhalt.
Leider hat Vladimir Antwi-Danso recht. Die traditionelle Führungsschicht will zwar Veränderungen, aber nur, damit sich nichts wirklich ändert. Ihr Zweck bleibt der alte: Machterhalt. In Kamerun kennen die Menschen seit 42 Jahren nur den Präsidenten Paul Biya (91), und im Nachbarland Äquatorialguinea regiert seit 45 Jahren Teodoro Obiang (82). Ihnen eifert der Autokrat Yoweri Museveni (79) mit „nur“ 38 Jahren in Uganda im Amt nach.
Politik ist ein Geschäft. Wer an der Macht ist, kontrolliert alles, auch die Wirtschaft, und kann riesige Summen veruntreuen. Alles Gerede über „Good Governance“ ist oft nur rhetorische Kosmetik. Regime, die ich auf dem Kontinent kennengelernt habe, wiesen bei Korruption und Betrug eine hohe Kreativität auf. ( Quelle: achgut.com, mit freundlicher Genehmigung des Autors *Volker Seitz, Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage)