Airbnb und Marokko müssen in der besetzten Westsahara erhobene Steuern zurückerstatten

Airbnb und Marokko müssen in der besetzten Westsahara erhobene Steuern zurückerstatten

Nachdem die Plattform aufgehört hat, sahraouische Städte als marokkanisch zu listen, steht sie nun vor einer neuen Forderung: Die rückwirkende Rückzahlung der seit 2019 eingezogenen Steuern an das sahraouische Volk. Eine juristische Frage mit internationalen Implikationen, die die Steuerpflichten von Plattformen in allen umstrittenen Gebieten neu definieren könnte.

Ende Juli 2025, nach einem Aufforderungsschreiben vom 13. Juni 2025 der Organisation Western Sahara Resource Watch (WSRW), änderte Airbnb seine Kartografie und hörte auf, Laâyoune, Dakhla und Boujdour als marokkanische Städte darzustellen. In dem Schreiben wies WSRW auf die „schweren geografischen Fehler“ in der Datenbank des Unternehmens hin, „die nicht den Karten der UNO und den internationalen Gerichtsentscheidungen zur Frage der Westsahara entsprechen“. Unter Berufung auf das Völkerrecht schloss sich die Plattform der Position der Vereinten Nationen an, die die Westsahara seit 1963 als „nicht selbstverwaltetes“ Gebiet einstuft – im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der dieses Territorium klar vom Königreich Marokko unterscheidet.

Diese kartografische Korrektur bedeutet rechtlich, dass der marokkanische Rechtsrahmen, insbesondere das Steuerrecht, auf diesem besetzten Gebiet nicht legitim anwendbar ist. Dies gilt für die Zukunft, ab dem Zeitpunkt der Änderung, impliziert aber auch die Anerkennung, dass die in der Vergangenheit angewandte Besteuerung fehlerhaft war.

Die umstrittene Steuerpraxis
Seit 2019 verpflichtet die marokkanische Gesetzgebung ausländische digitale Plattformen, automatisch verschiedene Abgaben pro Übernachtung einzuziehen: Kurtaxe, Mehrwertsteuer und Einkommenssteuer auf Vermietungen. Diese Beträge mussten an die marokkanische Staatskasse überwiesen werden, unter Verwendung der von Rabat bereitgestellten Steuerkennungen. Allein für die Vermietungen in der Westsahara dürfte es sich um mehrere Millionen Dirham (mehrere Hunderttausend Euro) jährlich gehandelt haben.

Solange Airbnb Unterkünfte in Laâyoune oder Dakhla als „marokkanisch“ verortete, folgten diese Steuern automatisch dem marokkanischen Steuerkreislauf. Diese Praxis stellt damit eine „ungerechtfertigte Bereicherung“ dar, die dem Völkerrecht zu besetzten Gebieten widerspricht: Es ist einer Besatzungsmacht verboten, wirtschaftlichen Nutzen aus einem Gebiet zu ziehen, das ihr rechtlich nicht gehört.

Ein déjà-vu: das palästinensische Beispiel
Ähnliche Fragen musste Airbnb bereits in den besetzten palästinensischen Gebieten beantworten. 2018 kündigte das Unternehmen nach Druck von Human Rights Watch und Amnesty International an, rund 200 Inserate in israelischen Siedlungen im Westjordanland zu entfernen. Doch 2019 machte Airbnb – unter dem Druck von Klagen und Anti-Boykott-Gesetzen in mehreren US-Bundesstaaten – wieder einen Rückzieher.

Stattdessen behielt die Plattform die Inserate im Westjordanland bei, versprach aber, „sämtliche Gewinne“ aus diesen Vermietungen an humanitäre Organisationen zu spenden. Diese Gelder gehen an das Institute for Economics and Peace, einen internationalen Thinktank mit Sitz in Sydney, Australien. Airbnb weigert sich jedoch, die Beträge offenzulegen, was die finanzielle Dimension dieser „Kompensation“ im Dunkeln lässt.

Dieses Modell hat jedoch mehrere gravierende Schwächen: Es stellt die steuerliche Legitimität der Besatzung nicht infrage, sieht keine rückwirkende Rückerstattung vor, und die Gelder kommen nicht direkt den Palästinensern zugute, deren Land weiterhin besetzt ist. Außerdem bleibt unklar, ob die Einnahmen aus dem Westjordanland in der Unternehmenssteuer berücksichtigt und an Israel abgeführt werden oder ob Airbnb sie schlicht selbst einbehält.

Drei mögliche Strategien für die Westsahara
Da das „palästinensische Modell“ unzureichend ist, prüfen sahraouische Rechtsvertreter drei ambitioniertere Wege:
– Internationaler Treuhandfonds. Nach dem Vorbild des „Development Fund for Iraq“ (2003–2010), der die Öleinnahmen unter UN-Mandat verwaltete, könnte ein Treuhandkonto eingerichtet werden. Dieses würde künftige Steuern bis zur endgültigen Klärung des Gebietsstatus sammeln – inklusive rückwirkender Überweisung der seit 2019 erhobenen Summen.
– Europäische Klagen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Oktober 2024, das die EU-Marokko-Handelsabkommen mangels Zustimmung des sahraouischen Volkes für ungültig erklärte, bietet eine juristische Grundlage. Sahraouische Eigentümer und die als legitime Vertretung anerkannte Frente Polisario könnten auf Schadenersatz samt Zinsen wegen „Verlust der steuerlichen Souveränität“ klagen.
– Direkter Vertragsdruck. Digitale Plattformen (Airbnb, Booking, Expedia, Hotels.com) sowie internationale Unternehmen, die in der Westsahara tätig sind, könnten aufgefordert werden, ihre Steuerabgaben an Marokko auszusetzen, bis ein legitimer sahraouischer Ansprechpartner anerkannt ist. Bei Weigerung drohen Klagen wegen „Beihilfe zur Ausplünderung von Ressourcen“ – ein Vorwurf, den bereits mehrere Kanzleien im Bereich Unternehmensverantwortung prüfen.

Ohne klare Zusage zur Steuererstattung werde zudem eine Klage in New York – am Unternehmenssitz von Airbnb – vorbereitet, um die Zahlungen nach Rabat gerichtlich einfrieren zu lassen.

Ein globales Problem für umstrittene Gebiete
Der Fall Westsahara steht exemplarisch für ein größeres Problem. Airbnb ist auch in anderen umstrittenen Regionen tätig: Südossetien, Abchasien, Nordzypern und Bergkarabach – überall stellen sich ähnliche Fragen der steuerlichen Legitimität. Lediglich die Krim wurde von der Plattform entfernt, nachdem internationale Sanktionen infolge der russischen Annexion 2014 verhängt wurden.

Die Vielzahl dieser Fälle zeigt: Plattformen verfolgen keine einheitliche Linie im Umgang mit besetzten oder strittigen Gebieten, sondern reagieren je nach politischem und juristischem Druck unterschiedlich.

Die zentrale Frage, wer das legitime Recht zur Steuererhebung in der Westsahara besitzt, könnte einen Präzedenzfall für die Anwendung des Völkerrechts auf digitale Plattformen in besetzten oder umstrittenen Territorien schaffen.

Im Gegensatz zum palästinensischen Kompromiss, der den Status quo aufrechterhält und Gewinne nur intransparent umleitet, muss das sahraouische Modell auf einer vollständigen und rückwirkenden Rückerstattung bestehen – mit klarer Anerkennung der Unrechtmäßigkeit der marokkanischen Besteuerung.

Die Lösung dieses Steuerkonflikts könnte so ein strengeres Modell schaffen, das auf ähnliche Situationen weltweit übertragbar wäre, in denen Technologieunternehmen in rechtlich ungeklärten Gebieten tätig sind. (Quelle: afrik.com)