„Sie haben mich entführt, um mich zum Schweigen zu bringen“ – In der DR Kongo klagt eine Geschäftsfrau über eine staatlich organisierte Verschleppung

„Sie haben mich entführt, um mich zum Schweigen zu bringen“ – In der DR Kongo klagt eine Geschäftsfrau über eine staatlich organisierte Verschleppung
Symbolbild

Am Morgen des 30. September 2024 steht Gisèle Nebale Busima kurz davor, den Vertrag ihres Lebens zu unterzeichnen. In ihrem Büro im Stadtteil Gombe bringt sie letzte Details eines Projekts zur Errichtung landwirtschaftlicher Silos zu Papier – eine Initiative zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung in mehreren kongolesischen Provinzen. Das Vorhaben wird von höchsten Stellen unterstützt, und sie hat monatelang dafür verhandelt. Sie ahnt nicht, dass sie ihr Büro an diesem Tag nicht in Freiheit verlassen wird.

„Ich war gerade angekommen, als vier Männer auf mich warteten. Einer stellte sich als Oberst Ralph Muzimba vor. Er hatte weder einen Haftbefehl noch eine Uniform – nur eine kalte Selbstsicherheit.“ Er sagte: „General Ndaywel will dich sprechen.“ Ohne jede Erklärung wurde sie abgeführt.

Gisèle, ehemalige Direktorin einer Privatbank und Unternehmerin mit Schwerpunkt Agrarfinanzierung, verbringt die folgenden 45 Tage eingesperrt in einem Zimmer des Hotels Castello – ein Gebäude, das vom kongolesischen Militärgeheimdienst beschlagnahmt und in ein geheimes Gefängnis umgewandelt wurde. Dort wird sie ohne Urteil, ohne Anwalt, ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Und ohne jemals offiziell zu erfahren, was man ihr vorwirft.

Eine Beziehung, ein Plan, eine Trennung
Auf den ersten Blick gibt es keinen Grund, warum Gisèle Nebale ins Visier geraten sollte. Doch ihre Geschichte kreuzt sich mit der eines Mannes auf dem Weg zur Macht: Patrick Muyaya Katembwe, Kommunikationsminister der Demokratischen Republik Kongo, Regierungssprecher und medienpräsente Figur des Tshisekedi-Regimes.

Die Geschichte beginnt Jahre zuvor. Zwischen 2017 und 2021 führt Gisèle eine Liebesbeziehung mit Patrick Muyaya, damals noch Abgeordneter, heute Minister. Die Beziehung war nicht nur emotional – sie sagt, sie habe seine Wahlkampagne 2018 finanziert, mit dem Ziel, danach Zugang zu öffentlichen Aufträgen und strategischen Positionen zu erhalten. Ein unausgesprochener Pakt, wie sie sagt, zwischen Ambition und Loyalitätsversprechen.

Doch nach seinem Aufstieg zur Macht entfernt sich Muyaya. Gisèle erfährt, dass er sie belogen hat, ein Doppelleben führt, ein Kind mit einer anderen Frau hat – zusätzlich zu seiner Ehe. Die Beziehung zerbricht.

„Er nannte mich ‚seine zweite Ehefrau‘ – aber ich war zum Hindernis geworden“, vor allem bei einem Vertrag über die Erhebung von Lizenzgebühren im Kommunikationsministerium, bei dem sie ohne Begründung ausgeschlossen wurde.

„Sie haben mich mit Pegasus überwacht“
Als Gisèle wieder auf eigenen Beinen steht, eine Firma gründet, zwischen Lomé, Boston und Kinshasa reist und neue Partnerschaften im Agrarsektor aufbaut, beginnt sich die Lage zu verändern. Ihr Umfeld berichtet von Gerüchten – jemand will sie diskreditieren.

Dann folgen Anzeichen von Überwachung: Nachrichten, die sie nie geschrieben hat, tauchen auf. Ihr Telefon verhält sich seltsam. „Ich habe schnell verstanden, dass sie in mein Handy eingedrungen waren. Später erfuhr ich, dass sie Pegasus benutzten.“

Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group, die von vielen Regierungen zur Überwachung von Journalisten, Oppositionellen und Aktivisten eingesetzt wird. „Sie hatten Zugriff auf all meine Gespräche. Ich sah, wie meine privaten Fotos kursierten, Nachrichten wurden aus dem Zusammenhang gerissen, meine Geschäftspartner verleumdet.“ Sie beschuldigt ihren Ex-Partner, die Geheimdienste auf sie angesetzt zu haben. „Ich bin überzeugt, dass Patrick Muyaya mich zur Zielscheibe gemacht hat – aus Eifersucht, aus verletztem Stolz.“

Laut ihrem Bericht wurden Hacker aus Nigeria und Kenia rekrutiert, in einer Residenz in Kinshasa untergebracht und beauftragt, sie auszuspionieren.

„Sie haben mein WhatsApp gekapert, sich als ich ausgegeben, Geld von meinen Angehörigen erpresst – alles angeblich im Namen der nationalen Sicherheit.“

Insgesamt sollen über 4.000 US-Dollar erbeutet worden sein.

Die „Operation Castello“
Am 30. September wird sie ohne Haftbefehl festgenommen und ins Hotel Castello gebracht, wo sie bis zum 22. November 2024 festgehalten wird – mehr als 45 Tage.

Das ehemalige Hotel ist laut ihrer Aussage heute ein informelles Gefängnis, betrieben von der Demiap (Militärische Aufklärungseinheit) und dem Nationalen Nachrichtendienst (ANR).

„Es gab keine Unterlagen, keine schriftlichen Befehle. Man sagte mir nur: Du bleibst hier. Ich wurde rund um die Uhr überwacht. Man verbot mir, laut zu sprechen oder Geräusche zu machen.“

Kein Gerichtsakt. Kein Verfahren. Keine Information an die US-Botschaft – Gisèle ist auch US-Staatsbürgerin.

Sie beschreibt ein feindseliges, unhygienisches Umfeld. Sie wird krank, erhält aber erst nach Tagen einen Besuch von einem Militärarzt.

„Ich lebte in einem überwachten Zimmer, ohne medizinische Versorgung. Man ließ mich krank werden. Manchmal bekam ich kein Essen. Ich bat nur darum, rauszugehen, um einen Arzt zu sehen.“

Sie wird mehrfach verhört: über ihre Kontakte zu bestimmten Generälen, ihre Bekanntschaft mit Corneille Nangaa (ehemaliger Präsident der CENI), mögliche Verbindungen zu Joseph Kabila. Man wirft ihr vor, eine ruandische Spionin zu sein.

„Es war grotesk. Sie wollten mich mit allem in Verbindung bringen, was das Regime als Feind sieht – M23, Exilanten, sogar die Beraterin von Sassou Nguesso.“

Gisèle bestreitet alles. Sie spricht von einem politischen Vernichtungsversuch.

Laut ihr soll Patrick Muyaya selbst den Befehl zu ihrer Festnahme gegeben haben, über seine Kontakte in den Nachrichtendiensten. General Daywell, der ihre Inhaftierung überwacht haben soll, habe ihr mehrfach gesagt, er „warte auf Anweisungen von oben“. „Er wollte mich brechen. Ich war zu unabhängig, zu sichtbar, zu frei – und ich wusste zu viel.“

Sie spricht von sexueller Belästigung, nächtlichen Einschüchterungen, Versprechen auf Freilassung im Austausch gegen Schweigen. „Man drohte mir: Wenn du redest, landest du in den ANR-Gefängnissen. Man wird dich verschwinden lassen.“

Bei ihrer Freilassung soll man ihr geraten haben, zu sagen, sie sei krank gewesen oder auf Reisen – um ihre Abwesenheit zu erklären.

Ein politischer Rachefeldzug im Tarnmantel der Sicherheit
Heute lebt Gisèle teilweise im Exil in den USA, untergebracht bei Verwandten. Sie hat das US-Außenministerium informiert, über Anwälte in Brüssel Anzeige erstattet, Amnesty International und die Clinton-Stiftung alarmiert.

Doch nach ihrer Freilassung geht der Albtraum weiter: Eine regelrechte Medienkampagne gegen sie beginnt.

Anonyme Artikel, aus dem Zusammenhang gerissene Bilder, Vorwürfe psychischer Instabilität – alles zielt darauf ab, sie zu diskreditieren.

Gisèle Nebale Busima sieht darin eine gezielte Strategie – orchestriert von Patrick Muyaya, dem Kommunikationsminister. Hinter dieser Diffamierungskampagne erkennt sie eine dunklere Dimension: Staatlich unterzeichnete Lobbyverträge, die ihrer Meinung nach missbraucht wurden, um Muyayas persönlichen Rachefeldzug zu bedienen.

Eine Affäre mit Sprengkraft
Der Fall wirft grundlegende Fragen über den Rechtsstaat in der DR Kongo auf:

Wie kann eine Frau – auch US-Bürgerin – ohne rechtliche Grundlage verhaftet, an einem geheimen Ort festgehalten und ohne Spuren wieder freigelassen werden?

Welche Rolle spielen Nachrichtendienste in persönlichen Machtspielen?

Und wie leicht verschwimmen die Grenzen zwischen privatem Konflikt und staatlicher Repression?

„Diese Affäre zeigt, wie Staatsapparate instrumentalisiert werden, um persönliche Rechnungen zu begleichen“, kritisiert ein europäischer Diplomat. „Alles deutet darauf hin, dass diese Verschleppung mit stillschweigender Billigung, wenn nicht auf direkten Befehl hoher Amtsträger erfolgte.“

Von offizieller Seite gab es keine Stellungnahme. Doch in diplomatischen Kreisen wächst der Druck.

„Dieser Fall ist erschütternd – er zeigt, wie dünn die Trennlinie zwischen nationaler Sicherheit und persönlicher Rache in manchen Hauptstädten sein kann“, sagt ein Menschenrechtler, der mit dem Fall vertraut ist.

Gisèle hat in Brüssel Klage eingereicht. Eine Beschwerde vor den Vereinten Nationen ist in Vorbereitung. „Ich kämpfe dafür, dass diese Geschichte nicht unter den Teppich gekehrt wird. Was sie mit mir gemacht haben, haben sie auch mit anderen gemacht. Ich hatte nur das Glück, zu entkommen.“

Heute sagt Gisèle, sie wolle ihre Wahrheit erzählen und die Öffentlichkeit warnen:

„Ich bin keine Spionin. Ich bin eine Geschäftsfrau. Sie haben mich gebrochen, weil ich mich nicht unterwerfen wollte. Wenn ich morgen sterbe, soll die Welt wissen: Der Staat hat mich getötet.“ (Quelle: afrik.com)