
Seit Juni 2022 steht die Region Savanes im Norden Togos unter Ausnahmezustand. Diese außergewöhnliche Maßnahme soll der Bedrohung durch Dschihadisten aus dem benachbarten Sahel begegnen. Doch sie hat eine bereits verarmte Bevölkerung in extreme Unsicherheit gestürzt. Die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität schwindet, während das militärische Vorgehen intensiviert wird.
Stellen Sie sich eine weite, offene Landschaft vor, dominiert von warmen Erdtönen und Beigeschattierungen. Der Boden ist trocken, mit kleinen Steinen übersät, aus denen vereinzelt vergilbte Gräser sprießen. Am Horizont breitet sich ein wolkenverhangener Himmel aus, grau gefärbt, mit Lichtstrahlen, die hindurchbrechen und den Sonnenuntergang ankündigen. Das Zwielicht erzeugt eine friedliche Stimmung, während die umgebende Natur ruhig und still wirkt. In der Ferne zeichnen sich die Silhouetten von Hügeln ab und verstärken das Gefühl von Weite und Isolation.
In Koundjoaré ist es 18:30 Uhr. Wenn der Muezzin zum Abendgebet ruft, leeren sich die Straßen innerhalb weniger Minuten. Flüchtige Schatten, geschlossene Höfe. Einige Schafe huschen zwischen den verlassenen Marktständen umher. „Seit drei Jahren ist die Nacht unser Feind“, berichtet ein Bewohner, der anonym bleiben möchte. Hier wie in der gesamten Region Savanes im Norden Togos hat der geltende Sicherheitsausnahmezustand das Alltagsleben und die Freiheitsrechte tiefgreifend verändert. In diesem angespannten Klima bleibt das togolesische Militär in höchster Alarmbereitschaft.
Am 8. Juni wurde eine Gruppe von Dschihadisten in Kpinkankandi, in der Präfektur Kpendjal – einem besonders gefährdeten Gebiet – ausgeschaltet. Mehrere Dutzend Angreifer wurden getötet, ein großes Waffenarsenal sichergestellt: Waffen, Munition und fast fünfzig Motorräder, so die Nachrichtenplattform republicoftogo.com. Diese Operation fand wenige Tage nach Togos Teilnahme an der zweiten Auflage des Militärmanövers Tarha-Nakal („Liebe zum Vaterland“ auf Tamachek) statt, das vom 15. Mai bis 4. Juni in Tillia, Niger, abgehalten wurde. Die Übung war Teil der Allianz der Sahelstaaten (AES) und sollte die operative Koordination der Armeen von Niger, Mali und Burkina Faso stärken. Für Togo, das nicht zur AES gehört, aber ein strategischer Partner ist, war die Teilnahme ein Zeichen regionaler Zusammenarbeit gegen die grenzüberschreitende Dschihadistengefahr.
Bis 2019 hätten sich nur wenige Togolesen vorstellen können, dass Dschihadisten ihr Land erreichen würden. Doch am 15. März 2019 wurde ein mobiler Zollposten in Nouaho im Osten Burkina Fasos nahe der Grenzen zu Ghana und Togo angegriffen. Fünf Menschen wurden getötet, darunter ein spanischer Priester. Drei Jahre später ist die Region Savanes zu einem Vorposten im Kampf gegen das dschihadistische Netzwerk geworden, das sich allmählich über den Sahel hinaus in Richtung der Länder des Golfes von Guinea ausgebreitet hat.
Vier Jahre fortschreitender Verschlechterung
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 2021 griffen bewaffnete Männer einen Außenposten im Dorf Sanloaga (Präfektur Kpendjal) an – ohne Opfer. Es war der erste Angriff auf togolesischem Boden. Laut Innenminister Yark Damehame wurden die Angreifer zurückgedrängt und Verstärkungen entsandt. Die Sicherheitskrise hatte begonnen – und sie sollte bleiben.
Wer die Sanloaga-Infiltration noch als Warnsignal abtat, wurde bald eines Besseren belehrt: In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2022 verübten Dschihadisten einen koordinierten Angriff auf einen Militärposten in Kpinkankandi. Die Bilanz: acht tote und dreizehn verletzte Soldaten sowie erhebliche Sachschäden. In einem offiziellen Kommuniqué verurteilte die Regierung die „feige und barbarische“ Tat und rief zur Wachsamkeit ohne Panik auf. Zum ersten Mal zahlte Togo den Blutzoll im Kampf gegen einen einst fernen Feind.
Seither verbessert sich die Sicherheitslage in der Region Savanes kaum. Die rund 8.600 km² große Region im äußersten Norden des Landes zählt etwa 550.000 Einwohner, die vorwiegend von Landwirtschaft, Viehzucht und Kleingewerbe leben. Lange Zeit vernachlässigt, leidet die Region unter ihrer Randlage und dem mangelnden Zugang zu grundlegender Infrastruktur – trotz verstärkter staatlicher Bemühungen.
„Eine gezielte und strategische Ausweitung“
Laut einem Bericht der Konrad-Adenauer-Stiftung vom März 2025 häuften sich die bewaffneten Vorfälle in den vier Präfekturen Kpendjal, Kpendjal-Ouest, Tône und Oti. „Seit Ende 2023 greifen die bewaffneten Gruppen nicht mehr nur die Grenzorte zum benachbarten Burkina Faso an. Sie dringen inzwischen tiefer nach Togo ein, auch in südlichere Kantone. Auch in den Präfekturen Oti und Oti-Sud wurden Angriffe verzeichnet“, heißt es im Bericht.
Ende November 2023 hatte die Regierung 21 Angriffe seit Beginn der Krise gemeldet – mit 31 Toten, 29 Verletzten und 3 Vermissten. Die unabhängige Organisation Acled (Armed Conflict Location & Event Data), zitiert von der französischen Zeitung Le Monde am 20. Juli 2023, zählte 14 Angriffe in den ersten sechs Monaten des Jahres – mit 66 Todesopfern. Die Gewalt richtet sich sowohl gegen militärische Stellungen als auch gegen Zivilisten. Oft kommen improvisierte Sprengsätze zum Einsatz, um das Eingreifen der Armee zu behindern. Laut der Konrad-Adenauer-Stiftung hat sich das Einsatzgebiet der Terrorgruppen seit dem Vorjahr deutlich ausgeweitet. Die Expansion der Gruppe JNIM (Jamāʿat nuṣrat al-islām wal-muslimīn – Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime), die den Anschlag auf Kpinkankandi im Mai 2022 für sich reklamierte, sei laut Acled „eine gezielte und strategische Ausweitung, kein bloßes Übergreifen“.
Zu den im Togo operierenden dschihadistischen Gruppen zählen zudem Ansarul Islam (die burkinische JNIM-Zelle), der Islamische Staat in der Sahelzone (EIS) und verschiedene nicht identifizierte Gruppierungen. Zwar kontrollieren diese Gruppen kein togolesisches Territorium, aber fünf Jahre nach Beginn der Angriffe gibt es erhebliche Bevölkerungsbewegungen. Nach Angaben des Notfallprogramms zur Stärkung der Resilienz und Sicherheit der Gemeinschaften (PURS) wurden im März 2024 8.986 Binnenvertriebene in Dapaong, Mandouri, Tchimouri, Ponio, Tambonga und Korbongou gezählt. Hinzu kommen 36.984 Geflüchtete aus Burkina Faso.
Schweigen über Militäraktionen
Nach zwei Angriffen innerhalb von sechs Monaten erkannte die togolesische Regierung, dass sich die Bedrohung dauerhaft festsetzen würde. Am 13. Juni 2022 erklärte sie die Region Savanes per Ministerratsbeschluss zum Sicherheitsausnahmegebiet. Ziel sei es, so die Regierung, „ein Umfeld und die Bedingungen zu schaffen, die für administrative und operative Maßnahmen zur erfolgreichen Durchführung militärischer Operationen, zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit erforderlich sind“. Die Sonderregelung, die dem Militär größere Handlungsfreiheit verschaffen soll, hat das Leben der Bevölkerung tiefgreifend verändert: nächtliche Ausgangssperren, Versammlungsverbote, zahlreiche Checkpoints und verstärkte Patrouillen prägen den Alltag neu. (Quelle: afriquexxi.info)