Buch-Tipp: Ein AfDler in Ghana – Rainer Hackels Erzählung „Die Hose oder Ein Offenbacher in Ghana“

Buch-Tipp: Ein AfDler in Ghana – Rainer Hackels Erzählung „Die Hose oder Ein Offenbacher in Ghana“

In seiner kurzweiligen Erzählung „Die Hose oder Ein Offenbacher in Ghana“ erzählt Rainer Hackel von einer Reise nach Ghana, die er mit Hans unternimmt, einem Offenbacher Journalisten, der für die AfD arbeitet. Der Autor hatte den Mittfünfziger in Frankfurt kennengelernt und zunächst einen guten Eindruck von ihm gewonnen, so dass er das Wagnis eingehen konnte, ihn nach Ghana einzuladen – in ein Land, in das Hackel schon seit 30 Jahren reist und wo die Familie seiner Frau lebt.

Vor der Reise ließ ihm Hans eine lange Liste mit Fragen zukommen, deren skurrile Kleinkariertheit dem Autor allerdings zu denken gab. So wollte der Journalist eine eingerissene Schlafanzughose nach Ghana mitnehmen, um sie dort flicken zu lassen. In Ghana zeigt Hans dann auch sein wahres Gesicht, tritt doch seine kleinbürgerliche Spießigkeit offen zutage. Unfähig, sich dem fremden Leben zu öffnen, spielt er sich in Ghana als Besserwisser auf: „Wo immer er konnte, trat er als Gutachter und Alleswisser in Erscheinung, so dass ich ihm nahelegte, sich bei John Dramani Mahama, dem korrupten Präsidenten Ghanas, um eine Stelle als Berater zu bewerben. Da würde er mehr als bei den Blauen in Deutschland verdienen, und spätestens in einem Jahr hätte er Ghana auf Vordermann gebracht.“ Die von Hans an den Tag gelegte kleinbürgerliche Spießigkeit erinnert den Autor auf fatale Weise an die ehemaligen Kolonialherren, die Afrika ihre Wertvorstellungen aufzwingen wollten.

Davon abgesehen ist Hackels Erzählung aber auch eine gelungene Charakterstudie, ein Psychogramm eines missglückten Lebensentwurfs, denn die „ironische Selbstgefälligkeit“, mit der Hans auf alles Fremde und auf Kritik seiner Person reagiert, bewahrt ihn zwar vor Verletzungen, sie vereitelt aber auch tiefer gehende Erfahrungen: „ein Mensch, der keine Entdeckungen macht, der keine Leidenschaften kennt, der in einer Schattenwelt lebt.“

Auf der Reise werden die Differenzen zwischen dem Autor und seinem Gast immer deutlicher. Während Hackel klassische Musik und Gedichte liebt, begab sich Hans als Jugendlicher auf Love-Parades und Techno-Parties und hat für Gedichte nur Verachtung übrig. Als Hackel den kulturlosen AfDler auf das Eigene anspricht, das seine Partei doch gegenüber dem Fremden zu verteidigen sich anschicke, macht ihn die Antwort des Offenbachers sprachlos: „Das Eigene, so belehrte er mich, seien weder Gedichte noch Musik, sondern sein betongraues T-Shirt, das er auf dem Leib trage – allenfalls dürfe es auch dunkelblau sein. Alles darüber hinaus gehöre für ihn nicht mehr zum Eigenen. Endlich war die Katze aus dem Sack, endlich war mir klar, was die Blauen unter dem Eigenen verstanden! Wer hätte gedacht, dass es so banal ist!“

Hackels spannende Realsatire – mit wunderbar doppelbödigen Zeichnungen von John Bridge – ist auch eine implizite Kritik an den Wertvorstellungen der AfD, die sich bei genauerem Hinsehen als Schimäre offenbaren – denn es ist zu befürchten, dass der „Tagelöhner der Blauen“ kein Einzelfall ist. (Ester Awonoor)

Rainer Hackel: „Die Hose oder Ein Offenbacher in Ghana“
Engelsdorfer Verlag, 2025
ISBN 978-3-69095-065-7
10 Euro