
Gewerkschaftsproteste in Tunesien: Am Donnerstag kam es in der tunesischen Hauptstadt Tunis zu einer der größten politischen Demonstrationen der vergangenen Jahre. Zwischen 2.000 und 3.500 Menschen gingen laut Medienberichten auf die Straße, um gegen Präsident Kais Saied und zur Unterstützung des Gewerkschaftsdachverbandes Union générale tunisienne du travail (UGTT) zu protestieren.
Die Kundgebung begann vor der UGTT-Zentrale auf dem Mohamed Ali-Platz und führte über die Avenue Habib Bourguiba. UGTT-Generalsekretär Noureddine Taboubi warnte in seiner Ansprache vor zunehmenden Drohungen und Kampagnen gegen den Gewerkschaftsbund und forderte rechtsstaatliche Verfahren sowie die Freilassung politischer Gefangener. Sicherheitskräfte verhinderten, dass weitere Menschen sich dem Protest anschließen konnten.
Die Demonstration ist Teil einer Serie von Auseinandersetzungen, welche die Spannungen zwischen Regierung und der UGTT in den vergangenen Wochen deutlich verschärft haben. Am Montag verkündete Premierministerin Sarra Zaafrani Zenzari das Ende des sogenannten Gewerkschaftsurlaubs – einer seit 1956 bestehenden Praxis, die es Beamtinnen und Beamten erlaubt, mit vollem Gehalt für gewerkschaftliche Tätigkeiten freigestellt zu werden. Diese Regelung sei illegal und verschaffe bestimmten Staatsangestellten einen ungerechtfertigten Vorteil, so Zenzari. Die Entscheidung folgte nur einen Tag nach dem UGTT-Protestaufruf.
Zuvor hatte am 7. August eine Demonstration von Saied-Anhängerinnen und -Anhängern vor der UGTT-Zentrale stattgefunden, bei der dem Dachverband Korruption vorgeworfen und seine Auflösung gefordert wurde. Die UGTT sprach von einem organisierten Angriff. Präsident Saied verteidigte die Proteste öffentlich und forderte die Offenlegung von Finanzunterlagen. Analystinnen und Analysten werten dies als indirekte Legitimation der Aktion und einen weiteren Schritt zur öffentlichen Delegitimierung der UGTT.
Die Konflikte zwischen Regierung und UGTT fallen in eine Phase wachsender sozioökonomischer Spannungen. Tunesien kämpft mit hoher Inflation, steigender Arbeitslosigkeit, Versorgungsengpässen und wachsender Staatsverschuldung. Ende Juli legte ein dreitägiger Streik der mit der UGTT verbundenen General Transport Federation weite Teile des Landes lahm. Seit Mitte Mai liegen zudem die Gespräche zwischen Regierung und UGTT über die Erhöhung der Mindestlöhne und Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst auf Eis, obwohl bestehende Vereinbarungen in diesem Jahr auslaufen. Auch politisch bleibt die Lage angespannt. Seit Saieds Machtübernahme im Juli 2021 regiert dieser zunehmend autoritär. Die Wahlen 2022 und 2024 fanden unter weitgehendem Ausschluss der Opposition statt. Anfang Juli wurden mehrere prominente Oppositionspolitiker, darunter Rached Ghannouchi und Ex-Premier Youssef Chahed, zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte warnten vor willkürlichen Inhaftierungen und Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit.
Die UGTT ist mit über 700.000 Mitgliedern der größte Gewerkschaftsbund des Landes und seit ihrer Gründung 1946 eine wichtige politische Kraft. Als Teil des „Nationalen Dialogquartetts“ wurde sie 2015 für ihre Vermittlungsrolle im politischen Übergang Tunesiens nach dem Arabischen Frühling mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In den vergangenen Jahren hat die UGTT jedoch auch an Rückhalt eingebüßt. Beobachterinnen und Beobachter verweisen auf interne Kritik an der Führung, unter anderem aufgrund der Verlängerung von Mandatszeiten. Die Demonstration am Donnerstag wird von vielen dennoch als Beleg dafür gewertet, dass der Gewerkschaftsbund weiterhin mobilisieren kann und ein bedeutender Akteur im politischen Gefüge bleibt. Wie sich das Verhältnis zwischen Regierung und UGTT in den kommenden Wochen entwickelt, bleibt offen. Beobachterinnen und Beobachter sehen im aktuellen Konflikt eine mögliche Wegmarke sowohl für die künftige Rolle der UGTT als auch für die politische Dynamik im Land.
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