DR Kongo: Provinz Tshopo im Bann der Psychose des „Penisdiebstahls“ – Zwei Ärzte lebendig verbrannt

DR Kongo: Provinz Tshopo im Bann der Psychose des „Penisdiebstahls“ – Zwei Ärzte lebendig verbrannt
Symbolbild

Die kongolesische Provinz Tshopo war Schauplatz einer extrem grausamen Gewalttat. Zwei Ärzte – Dr. John Tangakeya, Epidemiologe und Leiter des Epidemiebehandlungszentrums (CTE) von Makiso, sowie Dr. Placide Mbungi, Mitarbeiter der Hochschule für öffentliche Gesundheit in Kisangani – wurden am Montag der vergangenen Woche, in Ilambi (Region Isangi) gelyncht und lebendig verbrannt.

Die beiden Mediziner waren im offiziellen Auftrag der Provinzialen Gesundheitsabteilung (DPS) unterwegs, als sie von einer aufgebrachten Menge angegriffen wurden, die sie – ohne jeden Beweis – des sogenannten „Penisdiebstahls“ beschuldigte. Laut Augenzeugen ging das Gerücht um, ein bloßer Körperkontakt mit bestimmten Personen könne zu einer Schrumpfung oder zum Verschwinden männlicher Geschlechtsorgane führen.

Videos des grausamen Vorfalls, von den Tätern selbst aufgenommen, verbreiteten sich rasch in den sozialen Medien und lösten landesweite Empörung und Entsetzen im Gesundheitssektor aus. Nach Angaben der DPS/Tshopo war kein einziger Fall eines tatsächlichen Organverlustes in der Region gemeldet worden.

Eine kollektive Psychose, genährt durch Aberglauben Das Phänomen des „Penisdiebstahls“ ist in der DR Kongo nicht neu, erlebt aber in den Provinzen Tshopo und Ituri derzeit eine beunruhigende Wiederkehr. Angst, Gerüchte und tief verwurzelte mystische Überzeugungen mischen sich: der Glaube, dass „magische“ Gegenstände – etwa Ringe oder Parfums – die Männlichkeit eines Mannes allein durch Berührung stehlen könnten. Laut Gemeindeführern in Ilambi soll die Bevölkerung geglaubt haben, die beiden Ärzte trügen „verdächtige Ringe“ und verwendeten „magische Parfums“. Das Gerücht verbreitete sich daraufhin wie ein Buschfeuer und löste eine kollektive Panik aus. Ein Vertreter der Zivilgesellschaft fasste es so zusammen: „Die Menge war überzeugt, dass die Ärzte Zauberer seien. Doch es gab keinen einzigen belegten Fall. Nicht Hexerei tötet – die Angst tötet.“

Weitere Gesundheitskräfte am selben Tag gelyncht Der Vorfall von Ilambi blieb kein Einzelfall. Am selben Tag wurden in Yafira, ebenfalls im Gebiet von Isangi, zwei weitere Mitarbeiter der DPS unter ähnlichen Umständen getötet. Auch sie befanden sich im Einsatz – im Rahmen einer Impfkampagne. Ein weiterer Arzt, Vizepräsident des Provinzialen Ärzterats, entkam nur knapp dem Lynchmord. Schwer am Kopf verletzt, wurde er nach Kisangani evakuiert.

Insgesamt kamen in den letzten Monaten mindestens neun Menschen in der Provinz Tshopo durch dieselbe mörderische Gerüchtewelle ums Leben. Ähnliche Vorfälle wurden in Bumba, Basoko und Yahuma gemeldet, wo vermeintliche „Penisdiebe“ von der Menge getötet wurden.

Staatsversagen und Zusammenbruch der Vernunft Diese kollektiven Morde werfen eine erschütternde Frage auf: Wie kann eine Gesellschaft im Namen eines haltlosen Glaubens in Barbarei verfallen?

Offizielle Reaktionen stehen noch aus. Die Polizei, oft überfordert oder gar nicht vor Ort in diesen abgelegenen Regionen, konnte nicht rechtzeitig eingreifen. In mehreren Fällen beschränkte sie sich darauf, Leichen zu bergen oder Verdächtige zu evakuieren, bevor sie gelyncht wurden.

Diese Spirale der Gewalt offenbart ein doppeltes Versagen: das des Staates, der seine Bürger nicht schützt, und das der Vernunft, die von Angst und mangelnder Bildung verdrängt wird.

Aufklärungskampagnen gegen Aberglauben und Gerüchte erreichen die ländlichen Gebiete kaum, wo das magische Wort oft mehr Gewicht hat als das medizinische Wort. Ein Mitarbeiter der DPS, tief erschüttert, sagte: „Das ist eine Tragödie für die Wissenschaft und für unser Land. Wir schicken Ärzte, um Leben zu retten – und die Bevölkerung tötet sie auf Grundlage von Lügen.“

Symptom einer tieferen gesellschaftlichen Krise Hinter diesen Gewaltexzessen verbirgt sich ein tieferliegendes soziales und kulturelles Unbehagen. Die Lynchmorde spiegeln das wachsende Misstrauen gegenüber Institutionen, dem Staat und den Eliten wider. In Regionen, die von Armut und mangelnder Infrastruktur geprägt sind, wird jede rührende Geschichte zu einer einfachen Erklärung für aufgestaute Frustrationen. Sozialwissenschaftler sehen darin das Zeichen einer kognitiven Desorientierung, einer Gesellschaft im Ausnahmezustand, in der Angst vor dem Unsichtbaren die Abwesenheit verlässlicher Information ersetzt. In Kisangani bringen manche Menschen die angeblichen Opfer des „Penisdiebstahls“ weiterhin in Kirchen, um für Exorzismus zu beten.

Appell an Gerechtigkeit und Aufklärung Angesichts dieser Eskalation fordern zahlreiche medizinische und menschenrechtliche Organisationen eine gründliche gerichtliche Untersuchung, um die Urheber der Lynchmorde in Ilambi und Yafira zu identifizieren. Gleichzeitig betonen sie die Notwendigkeit einer intensiven Aufklärungsarbeit in den Gemeinden, da Repression allein die Psychose nicht stoppen könne.

Die Nationale Ärztevereinigung veröffentlichte eine Erklärung, in der sie Sicherheitsgarantien für medizinisches Personal fordert und die Behörden auffordert, breite Bildungskampagnen über falsche Glaubensvorstellungen zum Körper und zur Sexualität zu starten. Doch die Tragödie von Ilambi darf nicht als bloßer Ausbruch irrationaler Gewalt abgetan werden. Sie zeigt die dringende Notwendigkeit, das Vertrauen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, zwischen Glauben und Vernunft, zwischen Volk und Institutionen wieder aufzubauen. Solange dies nicht geschieht, wird die Gerüchtewelle weiter töten – dort, wo Wissen Leben retten könnte. (Quelle: afrik.com)