Jenseits der Schützengräben: Der 11. November aus afrikanischer Perspektive

Jenseits der Schützengräben: Der 11. November aus afrikanischer Perspektive

Alljährlich gedenkt die Welt am 11. November des Waffenstillstands von 1918. In Afrika beschränkt sich dieses Datum jedoch längst nicht mehr auf eine entfernte Ehrung der Soldaten der einstigen Imperien. Es wird zunehmend zu einem Moment aktiver Erinnerung – für ehemalige Kolonien, für heute souveräne Staaten und als Spiegel aktueller Herausforderungen, die mit Geschichte, Identität und Anerkennung verknüpft sind. So erleben verschiedene afrikanische Länder diesen Tag im Jahr 2025.

Zersplitterte Erinnerung und geteilter Tribut
Der 11. November markiert das Ende der Kampfhandlungen des Waffenstillstands von 1918, doch in mehreren afrikanischen Ländern klingt die Zeremonie auch wie ein Erinnerungsruf daran, dass Tausende von „Tirailleurs“, Kolonialsoldaten oder einfachen Hilfstruppen an der Seite der europäischen Mächte kämpften – oft ohne dass ihr Opfer vollständig anerkannt wurde.

So fällt etwa im Lesotho die Gedenkfeier mit einem Unabhängigkeitsjubiläum zusammen: „Armistice ahead of 60 years independence“.

Auch in Eswatini vereinte die Gedenkveranstaltung die nationalen Streitkräfte und religiöse Autoritäten, die den „tapferen Männern und Frauen“ gedachten, die entweder in den Weltkriegen oder im Kampf für den Frieden gefallen sind.

Diese Zeremonien zeigen somit zugleich eine nationale Pflicht des Erinnerns und eine Verbindung zu einer globalen Geschichte. Sie werfen die Frage auf: Wie integrieren diese afrikanischen Staaten diese Kapitel kolonialer Geschichte in ihr eigenes nationales Narrativ?

Vom Gedenken zur Gegenwart: Fragen der Anerkennung
Der 11. November in Afrika ist auch ein Anlass, über Rolle und Status der afrikanischen Veteranen nachzudenken. Lange nach dem Ende der Weltkriege bleibt die Anerkennung ungleich und bruchstückhaft.

In Südafrika wurden bei der Zeremonie in Kapstadt „25.000 Bürger aller Rassen und Glaubensrichtungen“ geehrt, „die ihr Leben während des Ersten Weltkriegs verloren haben“. Diese explizite Erwähnung – „aller Rassen und Glaubensrichtungen“ – markiert den Übergang von einer kolonial geprägten Ehrung zu einer nationalen Anerkennung eines gemeinsamen Opfers. Sie zeigt jedoch auch die weiterhin bestehenden Schwierigkeiten: mangelnde Sichtbarkeit, wenig entwickelte Erinnerungsorte und fragmentierte Erzählungen.

So erscheint der 11. November im afrikanischen Kontext als ein Moment, in dem sich koloniale, nationale und persönliche Erinnerung überlagern, sich manchmal widersprechen, aber auch die Chance bieten, sich diese Geschichte neu anzueignen.

Eine globale Zeremonie mit lokaler Bedeutung
In einer Welt voller innerer oder regionaler Spannungen sprengt die Gedenkfeier des 11. November den schlichten Rahmen eines militärischen Tributs. In Kapstadt versammelte die Zeremonie Soldaten, Diplomaten und Zivilisten zu einer Schweigeminute und zur Niederlegung von Kränzen. Darüber hinaus wird der Tag zur Gelegenheit, über „alle verlorenen Leben in früheren und heutigen Konflikten“ nachzudenken.

Dieser Bedeutungswandel ist entscheidend: Auf einem vom Krieg gezeichneten Kontinent – von internen, regionalen oder postkolonialen Konflikten – bietet der 11. November einen symbolischen Rahmen, um das Vergessen zu überwinden, dominierende Erzählungen zu hinterfragen und Erinnerung einzufordern.

In Afrika überschreitet die Zeremonie damit das europäische Erbe. Sie wird zu einem Spiegel der lokalen Geschichte – von Südafrikanern über Basotho bis zu Eswatiniern oder Senegalesen. Sie lädt zu einer gemeinsamen Reflexion über Frieden, Gerechtigkeit der Erinnerung und Anerkennung ein.

Durch die Zeremonien zeigt sich der Wunsch, einer vielfältigen Erinnerung Sinn zu geben, die Seite eines rein kolonialen Gedenkens umzuschlagen und die eines nationalen und panafrikanischen Erinnerungsbewusstseins zu öffnen. (Quelle: afrik.com)