
Immaculate Chienku unterstützt geflüchtete Menschen in Brandenburg mit Hilfe des Vereins Refugees Emancipation e.V. und wurde dafür soeben mit dem Verein mit dem Menschenrechtspreis 2025 der Stiftung PRO ASYL ausgezeichnet. Im Interview sprechen sie und Chu Eben, Gründer des Vereins, über Selbstverwaltung, Augenhöhe, Mutmachen und gute Nachbarschaft.
Immaculate, wofür engagierst du dich?
Ich engagiere mich in der Unterstützung von geflüchteten Menschen und kämpfe für bessere Lebensbedingungen. In den Flüchtlingsunterkünften gebe ich Informationen weiter und leite Workshops. Ich motiviere, orientiere und empowere Schutzsuchende. Und für unser Projekt und unseren Verein mache ich Verwaltungsarbeit.
Wofür steht der Verein Refugees Emancipation e.V.?
Chu Eben: Refugees Emancipation e.V. wurde 1998 von Asylsuchenden gegründet und ist ein selbstorganisiertes Projekt. Der Verein begann als Initiative für die Organisation von Internetcafés sowie Deutsch- und Computerkursen in Gemeinschaftsunterkünften.
Immaculate Chienku: Seit drei Jahren betreibt der Verein nun außerdem das Refugees Emancipation Communitiy Center (RECC) in Potsdam. Wir sind ein selbstverwaltetes Wohnprojekt, aber gleichzeitig auch ein Ort, an dem die Nachbarschaft zusammenkommen kann, Beratung, Seminare und Deutschkurse stattfinden. Im Garten grillen und essen wir regelmäßig mit allen, die vorbeikommen möchten. Jeden Freitag öffnen wir unsere Türen für ein Foodsharing-Projekt, da kommen viele Menschen aus unserem Viertel hierher.
Was ist das Besondere am Wohnprojekt RECC?
Chu Eben: Wir leben hier selbstbestimmt, geflüchtete Menschen aus ganz unterschiedlichen Regionen. Was ganz besonders ist: Die Häuser und das Grundstück gehören uns, dem Verein. Der Verein konnte alles vor drei Jahren ohne finanzielle Kostenübernehmen. Seitdem renovieren wir, bauen aus, planen und arbeiten an den Häusern und am Garten. Wir haben eine Unterstützungsgruppe von Architekten, Ingenieuren und anderen, die uns helfen.
Immaculate Chienku: Das Gelände ist 1900 Quadratmeter groß, hier stehen drei Häuser mit unterschiedlich vielen Wohneinheiten. Insgesamt wohnen 19 erwachsene Personen hier, die sonst zum Großteil in Unterkünften wohnen müssten. Wir haben aber auch viele Gemeinschaftsräume, wie die Küchen, den Waschraum, den Sportraum und andere. Wir treffen uns einmal pro Woche und besprechen alle Aufgaben, Probleme und Pläne. Wie in jeder Wohngemeinschaft gibt es auch bei uns manchmal Stress wegen des Putzplans oder anderen Aufgaben. Alle, die hier leben, zahlen Miete, wir alle kümmern uns um Strom, Müllentsorgung, Reparatur, Wasserversorgung, Heizung. Damit übernehmen wir alle Verantwortung für unseren Lebensraum. Wer hier lebt, soll sich zu Hause fühlen. Und eben auch Verantwortung für dieses Zuhause übernehmen. Wir haben auch häufig Wandergesell*innen hier zu Gast, sie leben mit uns und helfen uns, die Gebäude auszubauen.
Chu Eben: Wir wollen damit auch ein politisches Zeichen setzen. Wir brauchen keine Heimleitung, Security oder ähnliches wie in den Flüchtlingsunterkünften. Geflüchtete können und wollen sich um sich selbst kümmern und selbst Verantwortung übernehmen. Die Fremdbestimmtheit in Unterkünften verhindert ein Leben auf Augenhöhe.
Wie reagierte die Nachbarschaft, als das Projekt gestartet wurde? Immaculate Chienku: Eigentlich positiv, sie freute sich, dass hier etwas passiert und Menschen hier sind. Vorher stand alles leer. Nachbar*innen kamen vorbei und waren neugierig. Einige haben auch ihre Hilfe angeboten. Wir sind mit vielen auch in engem Kontakt beim Thema Sicherheit für unser Center und für die Nachbarschaft.
Chu Eben: Da wir hier die Besitzer und Ansprechpartner sind, haben viele gemerkt, dass sie mit uns direkt sprechen müssen, es gibt keinen Heimleiter oder ähnliches, mit dem sie sprechen können. Dadurch findet die Kommunikation mit uns auf Augenhöhe statt.
Inwiefern haben der Rechtsruck und die politischen Erfolge der Rechtsextremen einen Einfluss auf die Arbeit und das Leben im RECC?
Immaculate Chienku: Natürlich hat es einen Einfluss, wir haben eine große Zahl an Rechtsextremen im Land, das ist sehr beunruhigend.
Chu Eben: Wir treffen uns wöchentlich und sprechen über Vorfälle, die den Menschen, die hier leben, widerfahren. Und wir sprechen viel mehr über Sicherheitskonzepte für unser Center und die Bewohner*innen.
Was braucht das Projekt jetzt vor allem?
Chu Eben: Wir brauchen nach wie vor Unterstützung für die Renovierungen, Reparaturen, Instandsetzungen. Alle, die helfen wollen, sind herzlich willkommen. Wir haben immer wieder angekündigte Bautage, wo jeder, der möchte, vorbeikommen und unterstützen kann. Die finden sich online auf unserer Facebook-Seite. Vor allem brauchen wir jedoch Klempner und Elektriker, die uns bei Problemen unentgeltlich unterstützen können. Und natürlich brauchen wir Geldspenden. Wir planen, das Haus Nummer zwei auszubauen, das Dach wetterfest zu machen und so elf weitere Wohnplätze und zwei Seminarräume zu schaffen.
Welche Rolle spielt der Menschenrechtspreis der PRO ASYL Stiftung dabei?
Immaculate Chienku: Der Menschenrechtspreis hilft uns, Öffentlichkeit zu schaffen und unser Projekt und unseren Verein bekannter zu machen. Wir wollen zeigen, was wir geschafft haben und was wir können. Natürlich hoffen wir, dass es auch eine Wirkung in der Politik zeigt. Und dass politisch Verantwortliche sehen, dass Geflüchtete vieles in der Gesellschaft beitragen und Verantwortung für sich und andere übernehmen können und wollen. Wir hoffen, dass unser Projekt anderen Mut macht, weitere Community- und Wohnprojekte zu gründen. (PRO ASYL)