Prostitution in Marokko: Eine neu entfachte Debatte zwischen Pragmatismus und gesellschaftlichen Herausforderungen

Prostitution in Marokko: Eine neu entfachte Debatte zwischen Pragmatismus und gesellschaftlichen Herausforderungen

In Marokko flammt die Debatte rund um Prostitution erneut auf – getragen von Stimmen, die dazu aufrufen, das Thema realistisch statt mit Verdrängung anzugehen. Unter ihnen der Anwalt Mohamed Almou, Mitglied der Anwaltskammer von Rabat. Er ist der Ansicht, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einer möglichen Legalisierung den Weg zu einem strengeren Umgang mit einem Phänomen eröffnen könnte, das mittlerweile fest im gesellschaftlichen Leben Marokkos verankert ist.

Die Debatte über Prostitution in Marokko erlebt derzeit neue Aufmerksamkeit. Dabei melden sich Stimmen zu Wort, die dafür plädieren, die Frage eher unter einem pragmatischen als unter einem moralischen Blickwinkel zu betrachten. Unter ihnen der Anwalt Mohamed Almou von der Anwaltskammer Rabat, der für eine strukturierte Reflexion über eine mögliche Legalisierung eintritt. Er ist der Auffassung, dass sich das Phänomen in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet hat.

Risiken für Gesundheit und Gesellschaft besser steuern
Der Jurist stützt sich insbesondere auf ein historisches Dokument aus dem Jahr 1917: die kommunale Verordnung von Larache, die damals die Ausübung der Prostitution regelte. Für Almou zeigt dieser Präzedenzfall, dass eine rechtliche Organisation dieser Tätigkeit in der Geschichte des Landes nichts Fremdes ist. Er ist der Meinung, dass eine Rückkehr zu einer regulatorischen Betrachtung dabei helfen könnte, die gesundheitlichen und sozialen Risiken besser zu steuern – vorausgesetzt, man wählt eine Herangehensweise, die sich von rein moralischen Erwägungen löst, ohne jedoch die ethische Dimension der Debatte zu ignorieren.

Seiner Ansicht nach tragen heute mehrere Faktoren zur Ausweitung des Phänomens bei: wirtschaftliche Unsicherheit, die Entwicklung der Kommunikationstechnologien, familiäre Spannungen sowie der Mangel an beruflichen Perspektiven. Für Almou kommt es einer Form von Verleugnung gleich, das Thema weiterhin zu ignorieren, was keinerlei konkrete Lösung hervorbringe. Er schlägt daher die Einführung eines gesetzlichen Rahmens vor, der auf einer Reihe strenger Einschränkungen basiert: Verbot für Minderjährige, verheiratete Frauen und schwangere Frauen, Schließung illegaler Einrichtungen, obligatorische vorherige behördliche Genehmigungen und regelmäßige medizinische Kontrollen.

Menschenhandel begrenzen
Ziel wäre es, das Risiko sexuell übertragbarer Krankheiten zu verringern, die Sexarbeiterinnen zu schützen und die Tätigkeit krimineller Netzwerke einzudämmen. Der Anwalt betont außerdem die Notwendigkeit, die öffentliche Ordnung zu wahren. Eine Regulierung müsste seiner Ansicht nach Tätigkeitszonen definieren, Öffnungszeiten festlegen, Anbahnung auf der Straße verbieten sowie die Betreiber von Einrichtungen verpflichten, innerhalb von 24 Stunden jeden Gesundheitsvorfall zu melden. Er ist der Auffassung, dass ein solcher Rahmen dazu beitragen könnte, Menschenhandel, Betrugshandlungen und Ausbeutungsphänomene einzuschränken, wie sie in mehreren Städten beobachtet werden.

Parallel zur nationalen Debatte machen mehrere lokale Fälle das Ausmaß des Phänomens deutlich. In Marrakesch prangern Tourismusfachleute die illegale Umwandlung von Villen in Orte der Prostitution an, die häufig über digitale Plattformen vermietet werden. Diese Praktiken schadeten ihrer Meinung nach dem Image der Stadt und stellten einen unfairen Wettbewerb gegenüber Betrieben dar, die strengen gesetzlichen und steuerlichen Vorgaben unterliegen. Sie rufen zu verstärkten Kontrollen und einer konsequenten Anwendung der Gesetze auf.

In Agadir hat ein jüngster Fall zudem die ausufernden Praktiken in einigen Massagesalons offengelegt. Im Februar 2025 wurden in einem Etablissement, das im Verdacht stand, ein Prostitutionsnetzwerk zu beherbergen, 33 Personen festgenommen. Fünfundzwanzig Angeklagte wurden zu Strafen verurteilt, die von Bewährungsstrafen bis hin zu Haftstrafen reichten, und die endgültige Schließung des Salons wurde angeordnet. Dieser Fall verdeutlicht die Schwierigkeiten der Behörden, Einrichtungen zu kontrollieren, die unter dem Deckmantel von Wellness-Dienstleistungen sexuelle Angebote machen, die teilweise offen in den sozialen Netzwerken verbreitet werden.

Vor diesem Hintergrund ruft Almou zu einer nüchternen, rationalen Debatte auf. Seiner Meinung nach führt jeder nachhaltige Lösungsansatz über die ausdrückliche Anerkennung der Existenz des Phänomens und über ein gemeinschaftliches Nachdenken, das darauf abzielt, den Schutz der Gesellschaft, die Achtung der menschlichen Würde und den Kampf gegen die informelle Wirtschaft miteinander zu vereinbaren. Die Frage der Prostitution, so sein Fazit, müsse mit Klarheit behandelt werden – ohne Vereinfachung und ohne Verdrängung. (Quelle: afrik.com)