
Ein neues Video kursiert in den sozialen Netzwerken. Zwei marokkanische Polizisten in Uniform bringen einen Mann gewaltsam zu Boden, hinter einem geparkten Auto. Einer von ihnen schwingt seinen Schlagstock, schlägt mit aller Kraft auf die festgenommene Person ein und tritt sie mehrfach. Der Mann schreit, fragt, warum er festgenommen wird. Seine Stimme verhallt im brutalen Schweigen der Institutionen. Wie immer.
Die Generaldirektion der Nationalen Sicherheit (DGSN) reagierte schnell – wie jedes Mal, wenn ein öffentlicher Skandal das Image des Königreichs beschmutzt. Sie kündigte die Einleitung einer Untersuchung durch die Generalinspektion an. Offizielles Ziel: die Echtheit der Bilder überprüfen, mögliche Verstöße feststellen und Verantwortlichkeiten klären. Eine gut einstudierte Reaktion. Doch man kann nicht umhin, sich zu fragen: Geht es hier um einen Einzelfall – oder um eine systemische Gewaltkultur, die die marokkanische Polizei durchdringt? Denn was dieses Video zeigt, ist eine wiederkehrende, banalisierte, fast schon normalisierte Realität.
Die Gewalt der Erscheinung: Prunk, Überfluss und Schamlosigkeit
In Marokko ist die Polizei nicht nur ein Instrument zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Sie ist allzu oft ein Werkzeug der Unterdrückung, im Dienst einer monarchischen Macht, die alles kontrolliert – bis hin zu den erstickten Schreien derer, die man mit Schlagstöcken niederprügelt. Hinter Uniform und Hieben steht der Schatten des Königspalastes. Die Sicherheitskräfte, die eigentlich die Bevölkerung schützen sollen, schützen in erster Linie ein System – das System eines Königs, der alle Macht in seinen Händen hält: die exekutive, legislative, religiöse und wirtschaftliche. Ein Regime, das Kritik schlecht erträgt, abweichende Stimmen unterdrückt und Aufbegehren mit Gefängnis, Exil oder Schlagstöcken bestraft.
Die Polizeigewalt ist nur der bewaffnete Arm einer viel umfassenderen, subtileren Gewalt: der Gewalt der Monarchie selbst. Man muss es wagen, es auszusprechen: Das heutige Marokko wird von einem Milliardärkönig regiert, in einem Land, in dem die Ungleichheit strukturell ist, in dem Millionen Bürger kaum würdig leben können. Diese Gewalt – leise, aber zerstörerisch – zeigt sich jeden Tag schamlos. Bei Banketten für ausländische Gäste überquellen die Säle des Königspalastes vor Opulenz: Kristalllüster, seltene Speisen, Silbergeschirr, Dekor aus einer anderen Epoche.
Wenn der Staat gewalttätig wird, zerfällt die Gesellschaft
Das starre monarchische Protokoll, eine archaische Inszenierung der Macht, ist eine Ohrfeige für jene, die mit weniger als 100 Dirham am Tag überleben müssen. Luxuswagen mit diplomatischen oder königlichen Kennzeichen fahren durch die Avenuen von Rabat und Marrakesch, als rollten sie auf einem anderen Boden – weit entfernt von der Realität der Slums, der vernachlässigten Dörfer und der verfallenen Krankenhäuser.
Das Vermögen Mohammeds VI., auf mehrere Milliarden Dollar geschätzt, wird in den nationalen Medien nie erwähnt – sie sind zum Schweigen gebracht oder zensieren sich selbst. Doch dieses Vermögen ist da, real, verborgen hinter den Palastmauern. Und es tut weh. Es verletzt. Denn es steht für Straflosigkeit, Zynismus und Verachtung einer Macht, die sich nicht einmal mehr versteckt.
Die Gewalt liegt nicht nur in den Schlägen. Sie steckt auch in dem auferlegten Schweigen, den täglichen Demütigungen, der Abwesenheit des Staates in den öffentlichen Diensten, der institutionellen Korruption, der Unzugänglichkeit der Justiz. Sie zeigt sich in willkürlichen Festnahmen, in der ständigen Überwachung von Journalisten, Aktivisten und einfachen Bürgern, die es wagen, ihre Stimme zu erheben.
Eine Macht, die nichts teilt
Die Polizeirepression ist kein Zufall. Sie ist eine Methode, eine Strategie. Sie soll Angst machen, Auflehnung ersticken, die wachsende Unzufriedenheit im Keim ersticken – angesichts einer Macht, die nichts teilt: weder Reichtum, noch Verantwortung, noch Zukunft. Man wird sagen, die Polizisten seien schlecht bezahlt, schlecht ausgebildet, einer brutalen Hierarchie unterworfen. Das stimmt. Aber das entschuldigt nichts. Es erklärt nur, dass auch sie Bauernfiguren in einem System sind, das sie benutzt, um die Illusion von Ordnung aufrechtzuerhalten – während in Wahrheit die Ungerechtigkeit herrscht.
Eine Reform der Polizei ist ohne Reform des Regimes unmöglich. Die Menschenrechte werden nicht respektiert, solange die Macht in den Händen eines unantastbaren Monarchen konzentriert bleibt, geschützt durch einen Personenkult und eine Verfassung, die ihn über jede Kritik stellt. Marokko verdient Besseres. Es verdient eine republikanische Polizei – ausgebildet, kontrolliert, respektvoll gegenüber den Grundrechten.
Verwechslung von Respekt vor der Autorität und Unterwerfung aus Angst
Marokko verdient transparente Institutionen, eine verantwortliche Monarchie oder einen echten Systemwandel. Es verdient vor allem, dass man endlich aufhört, Respekt vor Autorität mit Unterwerfung unter Angst zu verwechseln. Der Mann im Video, der am Boden liegt, der schreit, der nicht versteht, warum man ihn festnimmt – er ist kein Einzelfall. Er ist ein Symbol. Er steht für all jene, die dieses System zermalmt, erniedrigt, unterdrückt. Er schaut uns an. Er fragt uns: Wie lange werden wir noch schweigen? (Quelle: afrik.com)