Lynchjustiz in Nigeria: Frau lebendig verbrannt wegen angeblicher Blasphemie

Lynchjustiz in Nigeria: Frau lebendig verbrannt wegen angeblicher Blasphemie

Im nigerianischen Bundesstaat Niger, im Zentrum des Landes, hat eine Essensverkäuferin ihr Leben für Äußerungen verloren, die als beleidigend gegenüber dem Islam gewertet wurden. Diese Lynchjustiz, bei weitem kein Einzelfall, reiht sich in eine Spirale kollektiver Gewalt ein, die regelmäßig Blut über den afrikanischen Riesen mit 220 Millionen Einwohnern bringt – ein Land, das zwischen Muslimen und Christen geteilt ist.

Am Wochenende des 30. August 2025 wurde Nigeria erneut von einer Tragödie erschüttert. Amaye, eine Essensverkäuferin aus dem Bundesstaat Katsina, wurde von einer aufgebrachten Menge in der Gemeinde Kasuwan-Garba im Distrikt Mariga, Bundesstaat Niger, lebendig verbrannt. Ihr mutmaßliches Verbrechen? Äußerungen, die als blasphemisch gegen den Propheten Mohammed gedeutet wurden.

Diese Exekution, bestätigt durch den Sprecher der örtlichen Polizei, Wasiu Abiodun, ist Teil einer Reihe dramatischer kollektiver Gewalttaten, die Nigeria regelmäßig erschüttern. Die Frau erhielt keine Chance auf ein faires Verfahren – sie wurde Opfer dessen, was die Behörden als „kollektiven Angriff“ bezeichnen.

Ein juristisch und sozial explosiver Kontext
Nigeria weist ein komplexes Rechtssystem auf, in dem zwei Justizordnungen nebeneinander existieren. Seit dem Jahr 2000 wenden zwölf mehrheitlich muslimische Bundesstaaten im Norden die Scharia parallel zum staatlichen Recht an – eine paradoxe Rechtslage. Während die nigerianische Verfassung offiziell Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit garantiert, sieht das islamische Recht die Todesstrafe für Blasphemie vor.

Diese rechtliche Dualität erzeugt ein Klima ständiger Spannungen in einem Land mit 220 Millionen Einwohnern, das fast gleichmäßig zwischen Muslimen und Christen aufgeteilt ist. Blasphemievorwürfe dienen dabei oft als Vorwand für persönliche oder gemeinschaftliche Abrechnungen, wodurch lokale Konflikte in religiöse Dramen verwandelt werden.

Ununterbrochen Spirale der Gewalt
Der Fall von Amaye ist leider kein Einzelfall. Er reiht sich in eine erschreckende Serie von Lynchmorden ein, die das Ausmaß des Problems verdeutlichen:

  • Juni 2023: Usman Buda, ein Metzger in Sokoto, zu Tode gesteinigt wegen angeblicher Blasphemie
  • Mai 2022: Deborah Samuel, eine christliche Studentin, von muslimischen Kommilitonen nach ähnlicher Anschuldigung getötet
  • In den letzten Jahren: Mehrere Todesurteile durch Scharia-Gerichte in Kano

Amnesty International dokumentierte diese besorgniserregende Entwicklung in einem Bericht, wonach kollektive Gewaltakte „zunehmend zur Norm“ in Nigeria geworden seien. Die Organisation prangert eine „völlige Missachtung des menschlichen Lebens und der Rechtsstaatlichkeit“ an und kritisiert die Unfähigkeit der Sicherheitskräfte, wirksam einzugreifen.

Entgegen gängiger Annahmen richten sich diese Gewalttaten nicht ausschließlich gegen eine bestimmte Religionsgemeinschaft. Sowohl Christen als auch Muslime sind Opfer von Blasphemievorwürfen, die oft in persönlichen oder wirtschaftlichen Rivalitäten wurzeln, aber als religiöse Konflikte inszeniert werden. Unter den von Scharia-Gerichten Verurteilten befinden sich auch muslimische Geistliche und sogar ein muslimischer Gospel-Sänger.

Das Versagen der Behörden und die herrschende Straflosigkeit
Am beunruhigendsten bleibt die fast vollständige Straflosigkeit der Täter solcher Lynchmorde. Nach Angaben von Amnesty International werden die wenigen festgenommenen Personen meist wieder freigelassen, ohne jemals vor Gericht gestellt zu werden. Diese Praxis trägt de facto dazu bei, dass solche kollektiven Gewalttaten immer wieder geschehen.

Diese Gewaltakte fügen sich in einen ohnehin prekären Sicherheitskontext ein. Nigeria ist gleichzeitig mit dschihadistischen Gruppen wie Boko Haram, mit interkommunalen Konflikten und mit der Kriminalität bewaffneter Banden konfrontiert. Schätzungen zufolge wurden seit Beginn des Jahres 2025 mehr als 7.000 Christen getötet und 7.800 entführt – Opfer dschihadistischer Milizen.

Damit zählt Nigeria zu den gefährlichsten Ländern der Welt für religiöse Minderheiten. (Quelle: afrik.com)