
Aus riesigen Lautsprechern dröhnen elektronische Beats, tiefe Bässe lassen die Freiluftbühne erzittern. In ausgelassener Ekstase tanzt eine nicht enden wollende Menge im Rhythmus der Musik. Mitten durch diese Menschenmassen kämpfen sich Luis und sein Sohn Esteban. Sie suchen Marina – Tochter und Schwester, die seit ihrer Volljährigkeit verschwunden ist. Ihr letztes Lebenszeichen: eine endlose Rave-Party in den Bergen Südmarokkos.
Verzweifelt zeigen sie ihr Foto herum, doch die Befragten reagieren gleichgültig, niemand scheint Marina gesehen zu haben.
Dann greift die marokkanische Polizei ein. Alle Ausländer:innen werden in Autos und Wohnwagen gedrängt und zur Ausreise gezwungen. Doch zwei Fahrzeuge lösen sich aus dem Konvoi. Vater und Sohn schließen sich dieser Gruppe von Ravern an, die zu einer letzten Party in die Wüste aufbricht. In ihrem klapprigen Kleinbus folgen sie der Karawane.
Mit Hartnäckigkeit gelingt es Luis, von den sechs Ravern akzeptiert zu werden. Doch bald überschlagen sich die Ereignisse: Um den Militärkontrollen zu entkommen, muss die Gruppe waghalsige Umwege über Flüsse und Gebirgspfade auf sich nehmen. Ein gefährlicher Balanceakt beginnt. Die Raver wollen Luis von seiner Mission abbringen – vergeblich. In einer riskanten Aktion helfen sie ihm sogar, sein Auto über einen Fluss zu retten.
Die Route über die Berge wird zur Zerreißprobe: enge Kurven, steile Abhänge, felsige Passagen. Wieder müssen die Fahrzeuge freigeschleppt werden. Esteban soll im Wagen bleiben, um nicht von den Klippen zu stürzen. Doch plötzlich setzt sich das Auto in Bewegung – und stürzt samt Sohn in die Tiefe.
Zwischen flirrenden Wüstenbildern, dokumentarischen Sequenzen und eindringlicher Musik verdichten sich Bedrohung und Verzweiflung. Militärpatrouillen, verstörende Durchsagen und unheilvolle Ereignisse zeichnen ein Bild aus Hilflosigkeit und Hoffnung.
Für die Raver ist das Unterwegssein Lebenssinn, Ausdruck von Freiheit und Unabhängigkeit – und zugleich das Symbol ihrer Rastlosigkeit in einer Welt, in der sie keinen festen Platz finden. Luis dagegen will mit aller Kraft nur eines: seine Tochter finden.
Der Weg wird zur Qual. Benzin und Lebensmittel werden knapp, Hilfe bleibt aus. Trotzdem gibt Luis die Suche nach seinem Sohn nicht auf. Doch als zwei Fahrzeuge auf eine Mine auffahren und explodieren, wird die Gruppe weiter dezimiert.
In der letzten Szene sitzen Luis und zwei seiner überlebenden Begleiter – inzwischen zu Freunden geworden – im längsten Zug der Welt, auf dem Weg nach Zouérat in Mauretanien. Gezeichnet von inneren und äußeren Wunden, vereint durch das Grauen, das sie gemeinsam überlebt haben.
SIRAT ist ein schonungsloser Film. Er zeigt nicht nur faszinierende Landschaften, sondern auch tiefe Verzweiflung – und die Solidarität, die zwischen Fremden im Angesicht des Schreckens wachsen kann.
Der Titel „Sirat“ stammt aus dem Arabischen und bedeutet „Steg“ oder „Pfad“. Er lässt sich auch als schmale Brücke deuten – ein Weg, der ins Ziel oder in den Abgrund führen kann.
Regisseur Óliver Laxe hat ein Roadmovie geschaffen, das Fragen offenlässt und dennoch fesselt – meisterhaft inszeniert, zwischen Spanien und der marokkanischen Wüste gedreht. Bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes gewann der Film im Mai 2025 den Großen Preis der Jury.
Produzent Pedro Almodóvar, Spaniens bekanntester Filmemacher, zeichnet verantwortlich. Er hat bereits zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten, darunter den Goldenen Löwen, den Oscar und den Golden Globe.
Seit dem 14. August läuft SIRAT in allen großen deutschen Städten. (Theresa Endres)