*Volker Seitz/Afrika: Kleider der toten Weißen

*Volker Seitz/Afrika: Kleider der toten Weißen

Mit gebrauchter und gespendeter Alt-Kleidung werden Milliarden umgesetzt. Und oft die regionale Kleidungsindustrie ruiniert. In West- und Ostafrika nennen die Menschen die gebrauchten Kleidungsstücke aus dem Westen, die auf ihren Märkten verkauft werden, „Kleider der toten Weißen“. Der Begriff entstand, weil die Afrikaner annahmen, dass die Kleidung von Menschen stammte, die gestorben waren.

Anders als im Westen, wo Konsumenten viele Kleidungsstücke besitzen, die sie nach immer kürzerer Zeit aussortieren, wird wertvolle Kleidung in Afrika nicht entsorgt, sondern so lange wie möglich getragen.

400.000 Tonnen Second-Hand-Kleidung landen jedes Jahr in afrikanischen Häfen, sogenannte Fast Fashion. Es gibt noch immer die Legende vom karitativen Nutzen der Altkleidersammlungen. Nicht nur in Deutschland versichern Firmen immer wieder, diese kämen den „Bedürftigen in den Ländern der Dritten Welt“ zugute. Es ist jedoch weniger ein Akt der Nächstenliebe, als vielmehr ein gewöhnlicher Zweig der Exportindustrie. Anstelle von brauchbaren Textilien wird immer mehr Wegwerfk­leidung geliefert, die häufig auf dem Müll landet, weil sie keine Abnehmer findet. In Afrika zerstören sie nicht nur die Umwelt (Mülldeponien, am Straßenrand und verstopfte Kanalisation), sondern auch die lokale Textilindustrie, die mit den billigen Preisen nicht mithalten kann.

Im Juni 2024 hat Greenpeace (Österreich) 20 Kleidungsstücke mit GPS‑Trackern diversen Organisationen gespendet. Nach der am 13. August 2025 veröffentlichten Recherche landeten die Teile auf drei Kontinenten in neun verschiedenen Ländern. Mehr als ein Drittel der 20 Stücke landete in Afrika, drei in Pakistan. Altkleider legten insgesamt etwa 81.000 Kilometer zurück, doch nur drei Kleidungsstücke wurden tatsächlich weiter genutzt. Sogar gut erhaltene Altkleider blieben in Lagerhallen oder wurden in den Ländern, die oftmals keine funktionierenden Abfallsysteme besitzen, unter umweltschädlichen Bedingungen verbrannt.

Wer seine Kleidung spenden will, sollte Altkleider auf keinen Fall an kommerzielle Sammler abgeben oder an karitative Organisationen, die die Ware vollständig für rund 400 Euro pro Tonne an professionelle Verwertungsunternehmen weiterverkaufen. Altkleider sollten den Organisationen gegeben werden, die Rechenschaft über den Verbleib der Ware ablegen und auf den Export verzichten. Nicht nur deutsche Firmen und einige große Hilfsorganisationen verdienen gut an den Kleiderspenden, auch für viele Händler in Afrika sind Altkleiderspenden ein lukratives Geschäft, aber langfristig wird vielen Schneidern damit die berufliche Existenz genommen. In fast allen afrikanischen Großstädten gibt es diese Märkte. Die britische Zeitung „Guardian“ schätzt, dass mit dem Handel von Gebrauchtkleidung weltweit jährlich 3,7 Milliarden US-Dollar umgesetzt werden. (Quelle: achgut.com, mit frdl. Genehmigung des Autors *Volker Seitz, Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage).