Wenn die UNO die Augen vor den demokratischen Entgleisungen in Afrika verschließt

Wenn die UNO die Augen vor den demokratischen Entgleisungen in Afrika verschließt
Symbolbild, KI-generiert

Die Reaktion der Vereinten Nationen auf die politische Situation in Madagaskar wirft Fragen auf. In einer offiziellen Erklärung verurteilte Generalsekretär António Guterres entschieden, was er als einen „verfassungswidrigen Regierungswechsel“ bezeichnete. Er forderte die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung und unterstützte damit die Entscheidung der Afrikanischen Union, das Land von ihren Gremien auszuschließen. Diese plötzliche Entschlossenheit hinterlässt jedoch einen bitteren Beigeschmack, wenn man sie mit dem konstanten Schweigen vergleicht, das ähnliche oder sogar schwerwiegendere Situationen in anderen Ländern des Kontinents begleitet.

Seit mehreren Jahren erodieren in Afrika einige Demokratien in nahezu völliger Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft. Präsidenten verlängern unbegrenzt ihre Amtszeiten, umgehen Verfassungen und verriegeln Institutionen – ohne dass dies ernsthafte Reaktionen der UNO oder gar der Afrikanischen Union hervorruft. In der Elfenbeinküste etwa trat Alassane Ouattara 2020 für eine umstrittene dritte Amtszeit an – entgegen der Verfassung von 2016, die das Mandat auf zwei Amtszeiten begrenzte. Doch aus New York oder Addis Abeba kam keine empörte Stellungnahme, kein scharfes Kommuniqué. In Kamerun wiederum herrscht Paul Biya seit über 40 Jahren über einen völlig kontrollierten Staatsapparat – auch hier: keine Sanktionen, keine Suspendierung, keine Verurteilung.

Ein aufrührerisches Klima, das nicht unbemerkt bleiben konnte Warum diese Ungleichbehandlung? Warum werden manche Regierungswechsel verurteilt, während andere toleriert werden – nur weil sie im Rahmen einer „Legalität“ stattfinden, die von den Regimen selbst maßgeschneidert wurde? Diese Inkohärenz nährt ein gefährliches Gefühl der Straflosigkeit. Sie vermittelt den Eindruck, dass manche Machthaber die Regeln nach Belieben ändern können, solange sie es diskret tun und keine sichtbare Krise auslösen.

Die Reaktion auf Madagaskar, so berechtigt sie auch sein mag, scheint daher mehr von der Form als vom Inhalt bestimmt. Der Volksaufstand, die Unterstützung durch Teile des Militärs und die Auflösung der Nationalversammlung schufen ein aufrührerisches Klima, das nicht übersehen werden konnte. Die UNO reagierte eilig, sobald die Spannungen offen zutage traten. Doch wo war dieselbe UNO, als sich die Keime der Instabilität anderswo auf dem Kontinent still und leise entwickelten – im allgemeinen Desinteresse?

Diplomatie mit zweierlei Maß schadet der Glaubwürdigkeit Auch die Afrikanische Union ist nicht frei von Kritik. Ihr Friedens- und Sicherheitsrat suspendierte Madagaskar in aller Eile – doch hat er ebenso gehandelt gegenüber Regimen, die ihre Verfassungen manipulieren, die Opposition unterdrücken und die Medien mundtot machen? Eine Diplomatie mit variabler Geometrie untergräbt die Glaubwürdigkeit jener Institutionen, die angeblich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte verteidigen sollen.

Es ist dringend nötig, den internationalen Ansatz in Fragen der Regierungsführung in Afrika zu überdenken. Solange Verurteilungen nur jene Regime treffen, die offen in der Krise stecken, nicht aber jene, die die demokratischen Prinzipien schleichend aushöhlen, werden die Bürger weiter das Vertrauen in die Institutionen verlieren. Die UNO darf kein Tribunal nach dem Ereignis sein – sie muss zu einem glaubwürdigen, unparteiischen und beständigen Präventionsorgan werden.

Afrika braucht keine Schein-Demokratien Das erfordert eine kontinuierliche Beobachtung der demokratischen Prozesse, eine gerechte Anwendung der Regeln und vor allem eine starke Unterstützung der Zivilgesellschaft, unabhängiger Medien und von Kontrollinstitutionen. Afrika braucht eine stabile, echte Demokratie – nicht bloß eine Fassade. Diese Stabilität entsteht nicht durch Wahlen alle fünf Jahre, sondern durch die Fähigkeit, Verfassungen zu achten, Machtwechsel zu gewährleisten und die Verfestigung von Herrschaft zu verhindern.

Mit ihrer heutigen Verurteilung der Situation in Madagaskar scheint die UNO ihre Rolle wiederentdeckt zu haben. Doch damit diese Haltung glaubwürdig ist, muss sie in allen Fällen gelten. Andernfalls wird sie nur das Gefühl von Ungerechtigkeit und Verlassenheit verstärken, das das Vertrauen der afrikanischen Völker in die internationalen Institutionen zunehmend untergräbt. (Quelle: afrik.com)