
Am heutigen 6. November 2025 jährt sich einer der bedeutendsten Momente der marokkanischen Geschichte zum 50. Mal: der Grüne Marsch. Was 1975 als friedliche Massenmobilisierung begann, ist bis heute ein zentraler Pfeiler des nationalen Selbstverständnisses, aber auch ein anhaltender Konfliktpunkt in Nordwestafrika.
Historischer Wendepunkt
Im Herbst 1975 befand sich die spanische Kolonialmacht kurz vor dem Rückzug aus der Westsahara. Marokko erhob historische Ansprüche auf das Gebiet und König Hassan II. entschied, diese strategische Phase zu nutzen – nicht durch einen militärischen Angriff, sondern durch eine symbolische Bewegung.
Am 6. November 1975 startete der „Grüne Marsch“: Rund 350.000 Freiwillige – Männer, Frauen, sogar Familien – ausgestattet mit Koran, Flaggen und Bildern des Königs, überquerten friedlich die Grenze zur damaligen spanischen Sahara. Der Name „Grün“ verwies auf den Islam, nicht auf militärische Gewalt. Der Marsch sollte zeigen: Marokko beansprucht dieses Gebiet nicht nur politisch, sondern gesellschaftlich und emotional.
Folgen und politischer Kontext
Nur wenige Wochen später kündigte Spanien seinen Rückzug an. Die Verwaltung des Gebietes ging nach dem „Madrid-Abkommen“ an Marokko und Mauretanien über. Doch damit war der Konflikt nicht beendet: Die Unabhängigkeitsbewegung Polisario-Front kämpft seitdem gegen die marokkanische Kontrolle. Bis heute beansprucht die Arabische Demokratische Republik Sahara internationale Anerkennung.
Das Erbe des Grünen Marsches
In Marokko ist der 6. November ein nationaler Feiertag. Jedes Jahr werden Reden, Paraden und symbolische Marschreinszenierungen abgehalten. Für viele Marokkanerinnen und Marokkaner steht das Ereignis für: nationale Einheit, friedlichen Widerstand und das Ende kolonialer Fremdherrschaft.
Auch wirtschaftlich hat sich das Gebiet stark verändert: Die Regierung investierte in Häfen, Städtebau, erneuerbare Energien und Infrastruktur im Süden des Landes.
Kritik und internationale Perspektive
Internationale Menschenrechtsorganisationen und einige Staaten sehen die Lage differenziert. Kritikpunkte bleiben:
fehlende endgültige politische Lösung
unterschiedliche Auffassungen über Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis
der seit Jahrzehnten stagnierende UN-Prozess
Während Marokko die Gebiete als integralen Teil des Königreichs betrachtet, fordert die Polisario ein Referendum über Unabhängigkeit – ein Vorschlag, der bislang keine Umsetzung gefunden hat.
Aktuelles UNO-Votum
Vor kurzem hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen erneut über die Westsahara-Frage abgestimmt. In dem Votum wurde ein politischer Prozess unter Schirmherrschaft der UNO bekräftigt, der auf eine einvernehmliche, dauerhafte Lösung abzielt. Mehrere Staaten sprachen sich dabei für Marokkos Autonomieplan aus, andere betonten das Recht auf Selbstbestimmung der Sahrauis – ein Zeichen dafür, dass die internationale Gemeinschaft weiterhin gespalten ist, aber den Dialog stärken will. Die Konfliktparteien – Marokko, die Polisario-Front, Algerien und Mauretanien – sind aufgefordert, Vorschläge für eine breite und gemeinsame Verhandlungsagenda einzureichen. Insbesondere von Rabat wird erwartet, dass es, wie angekündigt, „eine aktualisierte und erweiterte Fassung des Autonomieplans von 2007“ vorlegt.
Für Marokko bleibt der Grüne Marsch ein Symbol nationalen Zusammenhalts. Für den Maghreb ist er ein geopolitischer Wendepunkt mit offenen Fragen. Für die Region bleibt die Suche nach einer endgültigen Lösung ein diplomatisches Puzzle.
Das schreibt die marokkanische Presse (Tageszeitung Le Matin) zu Thema:
Die Grüne Marsch – Symbol eines Königreichs, das nach Freiheit und Fortschritt strebt
Das marokkanische Volk feiert an diesem Donnerstag, dem 6. November, den fünfzigsten Jahrestag des Grünen Marsches – einen Meilenstein in der Geschichte des Königreichs und ein zentraler Schritt im Prozess der Wiederherstellung seiner territorialen Integrität. Als zeitloses Symbol der unerschütterlichen Einheit zwischen Thron und Volk verkörpert dieses glorreiche Ereignis die nationale Geschlossenheit Marokkos und seine heiligen Werte. Die Grüne Marsch bleibt zudem die eindrucksvollste Demonstration des politischen Genies und der Weitsicht des verstorbenen Königs Hassan II., des visionären Architekten dieser historischen Initiative.
In Kenntnis der politischen Realitäten jener Zeit und der regionalen wie globalen strategischen Gleichgewichte entschied sich der Souverän für die Organisation eines friedlichen Marsches, der der Rückgewinnung der damals noch kolonial besetzten südlichen Saharaprovinzen diente. Mit dieser außergewöhnlich mutigen Initiative stellte Marokko nicht nur seine territoriale Integrität wieder her, sondern erlangte auch die Bewunderung der internationalen Gemeinschaft, die diesen Schritt als einzigartiges Modell friedlichen Widerstands und legitimen Anspruchs auf nationale Souveränität würdigte.
Ein Marsch, der fiktive Grenzen überwindet Der 50. Jahrestag des Grünen Marsches bietet eine feierliche Gelegenheit, sich mit Stolz und Emotion an einen der glorreichsten Momente der modernen marokkanischen Geschichte zu erinnern. An jenem Tag zogen mehr als 350.000 freiwillige Zivilisten aus allen Regionen des Königreichs friedlich, organisiert und diszipliniert gen Süden, überschritten künstlich gezogene Grenzen und hissten stolz die marokkanische Flagge auf einem Gebiet, das seit jeher untrennbarer Bestandteil Marokkos war.
Diese menschliche Welle folgte spontan dem historischen Aufruf des verstorbenen Königs Hassan II. vom 16. Oktober 1975, in dem das marokkanische Volk zur Rückgewinnung der Saharaprovinzen aufgerufen wurde. Dieser Appell folgte der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag, der das Bestehen rechtlicher und historischer Bande zwischen den Sultanen Marokkos und den sahraouischen Stämmen bestätigte. Indem der IGH anerkannte, dass die Sahara nie „terra nullius“ – Niemandsland – gewesen war, sondern dass klare „rechtliche Bande der Loyalität“ zu Marokko existierten, wurde die historische und juristische Legitimität der marokkanischen Ansprüche bekräftigt. Diese Entscheidung war der Auslöser für einen vorbildlich friedlichen Marsch, der in der Praxis zur Befreiung des Südens und zur Wiederherstellung der nationalen Einheit führte.
„Die ganze Welt hat anerkannt, dass die Sahara seit sehr langer Zeit uns gehört; die ganze Welt hat anerkannt, dass die Bande zwischen Marokko und der Sahara nur durch die Kolonialmacht unterbrochen wurden“, sagte der verstorbene König und fügte hinzu: „Es bleibt uns also nur, einen friedlichen Marsch von Norden nach Süden zu unternehmen, um unsere Brüder wiederzutreffen.“ Nach drei Wochen sorgfältiger Vorbereitung begann die Grüne Marsch am 6. November 1975 – getragen von nationalem Enthusiasmus und perfekter Symbiose zwischen Thron und Volk. 350.000 Freiwillige, darunter 10 % Frauen, folgten dem historischen Ruf mit beispielhaftem Engagement. Mit dem Heiligen Koran und der marokkanischen Flagge in den Händen begannen sie ihren friedlichen Zug – ein Symbol des Patriotismus und der gemeinsamen Entschlossenheit. Als sie die künstlichen Grenzen überschritten, war die emotionale Intensität überwältigend: Die Teilnehmer warfen sich zu Boden, um Gott zu danken und das Gelingen einer Epopöe zu feiern, die für immer Teil des marokkanischen Nationalgedächtnisses bleiben sollte.
In goldenen Lettern in die Geschichte Marokkos eingeschrieben, ermöglichte diese Epopöe die Befreiung der marokkanischen Sahara vom kolonialen Joch und die Vollendung der territorialen Einheit des Königreichs. Für das marokkanische Volk ist die Grüne Marsch weiterhin Symbol des Stolzes und Quelle der Inspiration für den Aufbau eines geeinten, modernen und solidarischen Marokkos. Durch ihre außergewöhnliche politische und historische Dimension verkörpert sie weiterhin die Weitsicht und das Genie ihres Initiators, des verstorbenen Königs Hassan II., jenes einigenden Monarchen, der es auf friedlichem Weg schaffte, die nationale Flagge über Laâyoune wehen zu lassen – ein Zeichen für das Ende der Kolonialherrschaft und der Beginn einer neuen Ära für die Saharaprovinzen.
Fünf Jahrzehnte unermüdlichen Aufbaus Heute, fünfzig Jahre später, setzt Marokko den Weg des Fortschritts in seinen zurückgewonnenen Südprovinzen fort – im selben Geist des Patriotismus und der Treue zu den heiligen Werten der Nation. Unter König Mohammed VI. erleben die Saharaprovinzen eine beispiellose Entwicklungsdynamik. Fast täglich werden neue Projekte und Baustellen eröffnet, um diese Regionen zu einem wahren wirtschaftlichen Wachstumszentrum und einer Brücke nach Afrika zu machen.
Der marokkanische Staat ist seit 1975 der größte Investor und Arbeitgeber in den Südprovinzen. Die meisten Investitionen betreffen soziale Prioritäten – Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Wasser, Elektrizität, Wohnraum –, und übersteigen bei weitem die Einnahmen aus den natürlichen Ressourcen. „Für jeden Dirham, den die Region einnimmt, investiert Marokko sieben Dirham in seine Sahara“, erklärte König Mohammed VI. in einer Rede zum 39. Jahrestag der Grünen Marsch im Jahr 2014. Zwischen 1975 und 2013 investierte der Staat etwa 120 Milliarden Dirham (ca. 12 Milliarden Dollar), um den Lebensstandard der Bevölkerung an das Niveau der entwickeltesten Regionen des Landes anzugleichen.
Ein neues Entwicklungsmodell für den Süden Einen neuen Wendepunkt markierte die Rede des Königs anlässlich des 40. Jahrestages der Grünen Marsch, gehalten in Laâyoune. Darin legte er die Grundlagen eines neuen Entwicklungsmodells für die drei südlichen Regionen: Laâyoune-Sakia El Hamra, Dakhla-Oued Eddahab und Guelmim-Oued Noun. Seitdem hat sich der Süden in eine gigantische offene Baustelle verwandelt – Infrastruktur, Fischerei, Immobilien, Gesundheit, Bildung und Beschäftigung: alle Sektoren sind betroffen.
„Mehr als sieben Jahre nach dem Start dieses Programms und mit einer Budgetbindungsrate von rund 80 % freuen wir uns über die positiven Ergebnisse“, erklärte der König in seiner Rede zum 47. Jahrestag (2022). Mit einem Budget von über 8 Milliarden Dollar zielt dieses integrierte Entwicklungsprogramm darauf ab, Beschäftigung zu schaffen, Investitionen anzuziehen und die notwendigen Infrastrukturen aufzubauen. „Dieses ambitionierte Projekt entspricht genau den Erwartungen der Bevölkerung der Südprovinzen“, betonte der König.
Massive staatliche Investitionen
Zu den wichtigsten Projekten zählen:
- die Schnellstraße Tiznit–Dakhla
- Solar- und Windkraftwerke
- der Großhafen Dakhla Atlantique
- Industrien zur Verarbeitung von Fischereiprodukten
- landwirtschaftliche Nutzflächen für junge Bauern
- Projekte im Bereich Phosphat, Wasser und Abwasser
Dank dieser Investitionen wachsen die Südprovinzen schneller als der Rest Marokkos. Zwischen 2013 und 2019 lag ihr durchschnittliches jährliches Wachstum bei fast 6 % – deutlich höher als der nationale Durchschnitt (3,3 %). Das durchschnittliche BIP pro Einwohner stieg auf rund 50.000 Dirham (national: 30.000). Die Region Dakhla-Oued Eddahab erreicht sogar 74.359 Dirham pro Einwohner – 57 % mehr als Casablanca-Settat.
Zudem hat sich die regionale Wirtschaft diversifiziert: Der Anteil des Dienstleistungssektors an der regionalen Wertschöpfung überstieg 64 %. Heute steht die marokkanische Sahara im Zentrum einer ehrgeizigen Vision für die gesamte sahel-atlantische Zone. Ziel ist es, aus den Südprovinzen eine wirtschaftliche Lokomotive der Region zu machen. Die königliche Initiative zur Erleichterung des Zugangs der Sahelstaaten zum Atlantik verdeutlicht diese Ambition.
Aziz Rabbah: „Die Grüne Marsch – ein Erinnerungsvermächtnis, das die Jugend sich aneignen muss“ Vom weiten Saharagebiet bis zu den pulsierenden Adern der Großstädte: die marokkanische Geschichte stiftet ein starkes kollektives Bewusstsein. Beim Thema „marokkanische Sahara“ geht es nicht nur um ein Gebiet, sondern um ein lebendiges Erbe – Geschichten, Traditionen und Identität. Daher spielt die Jugend eine zentrale Rolle: Sie ist berufen, dieses Erbe weiterzutragen und ihm eine Bedeutung für die Gegenwart zu geben.
Laut Aziz Rabbah – ehemaliger Minister und Gründer der Vereinigung „Al Mobadara: Das Vaterland zuerst und immer“ – ist das Erbe eine Quelle des Stolzes, der Einheit und des internationalen Ansehens des zukünftigen Marokkos. Die Grüne Marsch ist dafür das beste Beispiel.
Das Erbe – Fundament der nationalen Identität und Zusammenhalt In Marokko ist materielles und immaterielles Erbe weit mehr als ein Zeugnis der Vergangenheit: Es verkörpert die Seele des Königreichs. Rabbah betont, dass die königlichen Weisungen immer die Bedeutung seiner Bewahrung und Aufwertung hervorhoben. In ganz Marokko wurden ehrgeizige Programme gestartet, um dieses Vermächtnis zu schützen und weiterzugeben.
Dieses Erbe strahlt über die Jahrhunderte und über alle Regionen hinaus – bis nach Spanien und Afrika. Marokko ist heute eine Referenz für Forscher, Touristen und Investoren, die von seiner Geschichte fasziniert sind. Rabbah betont, dass das nationale Erbe ein Instrument zur Bewahrung der Identität, ein Ausdruck von Stolz, ein Fundament nationaler Einheit und ein Motor zivilisatorischen Ansehens sein muss.
Bewahren – Aufwerten – Weitergeben
Er warnt davor, das Erbe nur zu konservieren: Es müsse lebendig bleiben. Er fordert:
Digitalisierung alter Manuskripte
thematische Museen
Erhalt historischer Gebäude
Wiederbelebung traditioneller Handwerkskunst
Entscheidend sei die Investition in Bildung und Kreativität: neue Universitätsfächer, Fakultäten für Kulturerbe, pädagogische Programme in Schulen, Videospiele, Lieder, Filme und Serien über marokkanische Dynastien, Sultane, Gelehrte und Künstler.
Um diesem Gedächtniserbe – dessen Herzstück die Grüne Marsch ist – Leben einzuhauchen, schlägt er außerdem Messen, Wettbewerbe und Dokumentarfilme vor, um das Interesse der Jugend zu wecken.
Kollektive Mobilisierung und neue Governance Die Bewahrung des Erbes müsse auf ein Netzwerk aus Historikern und Forschern gestützt werden, das Initiativen koordiniert. Alle relevanten Sektoren – Bildung, religiöse Angelegenheiten, Medien, Kultur, Jugend – müssten an einem Strang ziehen. Die Institutionen müssten sich modernisieren, um die nationalen Konstanten wirksam zu vermitteln.
Auch die Zivilgesellschaft spielt eine zentrale Rolle: Jugendorganisationen – politisch oder unpolitisch – müssten eingebunden werden, um eine nationale Bewegung zur Bewahrung des Erbes zu schaffen.
Identität und Modernität – das Fundament der marokkanischen Persönlichkeit Rabbah fordert ein umfassendes Bildungsprogramm für die Jugend – mit attraktiven Inhalten und motivierenden Mitteln. Angesichts zerstörerischer Ideologien und digitaler Einflüsse sei eine intelligente Herangehensweise nötig, um das Erbe positiv zu vermitteln.
Als strategisches Instrument schlägt er die Gründung einer „Nationalen Agentur zur Förderung des Kulturerbes“ vor – unabhängig von Politik, ausgestattet mit qualifiziertem Personal und ausreichenden Mitteln. Jugendliche sollen aktiv an der Planung und Umsetzung teilnehmen, um Akteure und Botschafter des Erbes zu werden.
„Es geht nicht mehr nur darum, ein Erbe zu bewahren, sondern es zu einer Kraft der Zukunft zu machen, die die Seele der kommenden Generationen nährt“, sagt Rabbah. „Unser Erbe an die Jugend weiterzugeben, heißt unsere marokkanische Identität lebendig, bewusst und stolz in die Zukunft zu tragen.“