
Während sich Russland in Afrika als Opfer von Desinformationskampagnen darstellt, stößt sein Handeln auf dem Kontinent zunehmend auf gut belegte Kritik – insbesondere im sicherheitspolitischen und medialen Bereich.
Während Moskau regelmäßig eine angebliche westliche Desinformationskampagne gegen sich auf dem afrikanischen Kontinent anprangert, gerät inzwischen Russland selbst ins Zentrum der Kontroversen. Zwischen Angriffen auf lokale Journalistinnen und Journalisten und einer umstrittenen Sicherheitsbilanz wirft der russische Diskurs über Afrika zahlreiche Fragen auf.
Afrikanische Journalisten im Visier Moskaus
Unter dem Hashtag #Antifake veröffentlichen russische Botschaften vermehrt Beiträge, in denen sie dem Westen vorwerfen, afrikanische Medien zu manipulieren. Doch die russische Strategie beschränkt sich nicht mehr auf Verteidigung: Sie geht inzwischen in die Offensive und richtet sich direkt gegen Reporterinnen und Reporter des Kontinents.
Der Fall Oumarou Sanou ist das jüngste Beispiel. Dieser nigerianische Journalist geriet nach der Veröffentlichung einer kritischen Analyse zur russischen Präsenz in Afrika direkt ins Visier der russischen Botschaft. Offizielle Konten warfen ihm vor, ein bezahlter Agent zu sein, der darauf abziele, das Handeln Moskaus auf dem Kontinent zu diskreditieren.
Diese Strategie persönlicher Angriffe wirft eine zentrale Frage auf: Wenn Russland tatsächlich seine Sichtweise verteidigen möchte, warum meidet es dann die inhaltliche Debatte? Fragen zur Ausbreitung des Dschihadismus, zur zunehmenden Radikalisierung oder auch zur angeblichen Rekrutierung afrikanischer Soldaten für die ukrainische Front bleiben von russischer Seite unbeantwortet.
Eine besorgniserregende Sicherheitsbilanz
Vor Ort ist die russische Präsenz dennoch unbestreitbar. Über die Gruppe Wagner, die schrittweise durch das sogenannte Afrikanische Korps ersetzt wird, hat sich Moskau als bedeutender sicherheitspolitischer Akteur positioniert und bietet militärische Ausbildung, Bewaffnung und Schutz für die jeweiligen Regime an.
Die sicherheitspolitischen Ergebnisse sind jedoch alles andere als überzeugend. Die dschihadistische Bedrohung hat ein bislang unbekanntes Ausmaß erreicht, bedroht inzwischen sogar Bamako und breitet sich auf die Küstenstaaten aus. Elfenbeinküste, Benin, Togo und Nigeria sehen sich mit wachsender Unsicherheit konfrontiert. Der jüngst vereitelte Staatsstreich in Cotonou verdeutlicht die zunehmende Instabilität in der Region.
Täuschende wirtschaftliche Versprechen?
Über die Sicherheitslage hinaus wiegen die Vorwürfe im wirtschaftlichen Bereich besonders schwer. Unabhängige Untersuchungen dokumentieren zunehmend ein System der massenhaften Anwerbung junger Afrikanerinnen und Afrikaner, die mit Arbeitsplatzversprechen in Russland gelockt werden, letztlich aber an die ukrainische Front geschickt worden sein sollen.
Die Aussagen des Kameruners „Samuel“, der den Konflikt überlebt hat, sowie die Berichte von Mitarbeiterinnen des Programms „Alabuga Start“ stützen diese Anschuldigungen. Moskau weigert sich seinerseits, diese Vorwürfe öffentlich zu kommentieren.
Auch im Hinblick auf natürliche Ressourcen scheint die russische Strategie klar: Als inzwischen – gemeinsam mit China – zentraler Akteur im Bergbausektor exportiert Russland afrikanische Rohstoffe in großem Umfang auf den eigenen Markt, weit entfernt von dem ursprünglich versprochenen „Aufbau lokaler Kapazitäten“.
Wer profitiert vom Chaos?
Eine Frage bleibt offen: Wem nützt die zunehmende sicherheitspolitische Instabilität auf dem Kontinent tatsächlich? Ist die wachsende Unsicherheit an den Küsten, insbesondere die jüngsten Unruhen in Cotonou, zufällig – oder deutet sie auf eine umfassendere Strategie hin, die darauf abzielt, einen logistischen Korridor zwischen den Ländern der Allianz der Sahelstaaten und dem Golf von Guinea zu schaffen?
Darüber hinaus finanziert Russland ein Netzwerk von Influencern, die sich als „panafrikanisch“ präsentieren, jedoch zunehmend von den lokalen Realitäten abgekoppelt erscheinen. Diese Einflussstrategie wirft Zweifel an der Aufrichtigkeit des russischen Diskurses über die Entwicklung des Kontinents auf.
Eine notwendige Debatte
Angesichts dieser berechtigten Fragen wirkt die von Moskau eingenommene Opferrolle immer fragiler. Afrikanische Journalistinnen, Journalisten und Analysten fordern keine Konfrontation, sondern schlicht sachliche Antworten auf Fragen zur russischen Präsenz und deren Folgen.
Weit davon entfernt, naiv oder manipuliert zu sein, sind Afrikanerinnen und Afrikaner durchaus in der Lage, ihre eigene Realität zu analysieren. Was sie von Russland – wie von jedem anderen ausländischen Partner – erwarten, sind Transparenz und Rechenschaft über eingegangene Verpflichtungen.
Die zentrale Frage lautet daher nicht mehr, wer Desinformationskampagnen betreibt, sondern vielmehr, wer bereit ist, sich einer kontroversen Debatte zu stellen – und wer es vorzieht, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. (Quelle: afrik.com)