Annalena Baerbock: „Die Familien in Somalia verlieren ihr Land, dann ihren Viehbestand. Und schließlich verlieren sie ihre Kinder“.

Annalena Baerbock: „Die Familien in Somalia verlieren ihr Land, dann ihren Viehbestand. Und schließlich verlieren sie ihre Kinder“.Grußwort und Redebeitrag von Außenministerin Annalena Baerbock zur Konferenz „Uniting for Global Food Security“: Vielen Dank, dass Sie alle hier mit uns zusammengekommen sind. Uniting for Global Food Security. Vereint für die Globale Ernährungssicherheit. Erst verlieren Familien ihr Land. Dann verlieren sie ihren Viehbestand. Und schließlich verlieren sie ihre Kinder. So ein entsetzliches Fazit der Vereinten Nationen zur Nahrungsmittelkrise in Somalia, wo Hunderttausende Kinder an akuter Mangelernährung leiden.

Aber nicht nur am Horn von Afrika, auch in der Sahelzone, im Nahen und Mittleren Osten und in vielen anderen Regionen auf der Welt wissen Millionen von Männern, Frauen und Kindern nicht, woher sie ihre nächste Mahlzeit nehmen sollen.

Diese weltweite Hungerkrise wird von einem Sturm sich überlagernder Krisen angefacht – von Konflikten, häufig ausgelöst durch klimawandelbedingte Katastrophen, bis hin zu den Auswirkungen der Pandemie.

Russlands Krieg in der Ukraine verschärft all diese Faktoren mit zerstörerischer Kraft.

Russland benutzt Hunger als Waffe.

Und versucht, anderen die Schuld dafür zuzuschieben; dabei spielt es ein zynisches Lügenspiel.

Die Fakten jedoch sprechen für sich:

Es sind nicht die Sanktionen, die für die Ernährungskrise verantwortlich sind.

Richtig ist, und auch darum wird es heute gehen, dass es durch Sanktionen zu mittelbaren Effekten kommen kann. Zum Beispiel, wenn  Unternehmen oder Banken sich aus Vorsicht aus an sich erlaubten Geschäften zurückziehen. Daran arbeiten wir als EU, um rechtliche Klarheit zu schaffen.

Der Beitrag dieser indirekten Effekte ist aber gering im Vergleich zu den russischen Eingriffen in den Markt – etwa der Blockade von Häfen, der Behinderung von Ernte durch die Kampfhandlungen, die Zerstörung von Infrastruktur. Hätte Russland nicht brutal gegen die VN‑Charta verstoßen, wäre die Welt heute eine andere.

Im März kamen 141 Länder in New York in der Generalversammlung zusammen – Uniting for Peace – Vereint für den Frieden in der Ukraine.

Heute stehen wir hier – Uniting for Global Food Security – Vereint für die Globale Ernährungssicherheit.

Unsere Botschaft ist klar: Die Solidarität mit der Ukraine und die Solidarität mit jenen, die von der Ernährungskrise am meisten getroffen sind, sind untrennbar miteinander verbunden. Wir sind hier zusammengekommen, um der globalen Nahrungsmittelkrise in all ihrer Komplexität zu begegnen.

Ich bin deshalb sehr dankbar, dass die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze, und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir heute als Gastgeber dieser Konferenz an meiner Seite stehen.

Wir bringen die größtmögliche Gruppe zusammen: 50 Delegationen.

Ministerinnen und Minister, hochrangige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der G7, der Champions Group, der G20 und der Afrikanischen Union, aus den wichtigsten Geberländern, aber auch – und das ist wichtig – aus den vulnerabelsten Ländern.

Denn es ist wichtig, dass wir Ihre Stimme hören. Hier geht es um Sie. Hier geht es um Eltern, die um das Leben ihrer Kinder fürchten. Wir sind hier, um unsere gemeinsame Kraft dazu zu nutzen, dieses Leid zu lindern.

Deshalb sind in unseren Reihen auch Vertreterinnen und Vertreter der VN und der EU, Delegierte nichtstaatlicher Organisationen, Philanthropinnen und Philanthropen – alle gemeinsam hier in Berlin, um zu handeln.

Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen! In unseren heutigen Bemühungen sind vier Aspekte von Bedeutung:

Erstens müssen wir zusammenarbeiten, um zu helfen, die Lebensmittelexporte der Ukraine außer Landes zu bekommen.

Zweitens müssen wir dringend unsere humanitäre Hilfe aufstocken.

Drittens müssen wir die zugrunde liegenden Faktoren angehen, um die Welt weniger anfällig für Lebensmittelkrisen zu machen, allen voran die Klimakrise.

Viertens müssen wir uns mögliche indirekte Effekte von Sanktionen genau anschauen und gemeinsam mit unseren Partnern Lösungen finden, die Klarheit für alle bringen.

Es ist klar: Wir befinden uns nicht in einem Sprint, sondern in einem Langstreckenlauf. Wir müssen die globale Ernährungssicherheit auf der Agenda behalten – für die Männer, Kinder und Frauen, die weltweit Not leiden.

Gemeinsam können wir diesen Kampf gewinnen. Uniting for Global Food Security. Vereint für die Globale Ernährungssicherheit.“

Redebeitrag von Außenministerin Annalena Baerbock auf der Konferenz „Uniting for Global Food Security“ zum Panel Diplomatic Efforts and Immediate Humanitarian Action

Vor uns liegt die schlimmste weltweite Ernährungskrise unserer Generation.
Unsere Botschaft von dieser Konferenz an all die Hunger leidenden Männer, Frauen und Kinder ist ganz klar: Wir sehen euch. Und wir werden nicht tatenlos zusehen.
Die Tatsache, dass wir mit Russlands Krieg in der Ukraine, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, konfrontiert sind, wird unsere Aufmerksamkeit nicht von euch und euren Bedürfnissen ablenken.
Dies ist die kraftvolle, gemeinsame Botschaft aus diesem Raum.
Lieber Tony,
diese gemeinsame Botschaft und diese gemeinsamen Bemühungen habt ihr und die USA angestoßen, auf der Ministerkonferenz zur Ernährungssicherheit, die du am 18. Mai in New York einberufen hast. Wir wollen hier auf den Zusagen aus New York aufbauen.
Wir wollen auch auf der Arbeit aufbauen, die der Generalsekretär der Vereinten Nationen auf den Weg gebracht hat, gemeinsam mit vielen Partnern. Und auf der Initiative unserer französischen Freunde, der FARM‑Initiative, die durch die neue französische Außenministerin repräsentiert wird, liebe Catherine.
Wir treiben die Globale Allianz für Ernährungssicherheit, die vor einem Monat in Berlin ins Leben gerufen wurde, mit Nachdruck voran.
Und, wie der Bundeskanzler gerade gesagt hat, ebnen wir den Weg für den anstehenden G7-Gipfel in Elmau, um in den G7 an der globalen Ernährungssicherheit zu arbeiten.
Doch wir müssen noch weiter in die Zukunft denken. Ein wichtiges Element sollte sein, bei der diesjährigen VN‑Generalversammlung die Beendigung des Krieges in der Ukraine und den Umgang mit dessen katastrophalen Folgen für die weltweite Ernährungssicherheit in den Mittelpunkt zu stellen. Wir sollten in New York erneut zusammenkommen, um die Dynamik aufrechtzuerhalten!
In Bezug auf unsere heutigen Bemühungen habe ich die wichtigsten Punkte bereits skizziert:
Von unserer Unterstützung der Ukraine, ihre lebenswichtigen Nahrungsmittelexporte außer Landes zu bekommen, bis hin zum Umgang mit den langfristigen Faktoren, um die Welt weniger anfällig für Lebensmittelkrisen zu machen – allen voran dem Klimawandel.
Bei dieser Session soll es um die dringende Notwendigkeit gehen, dass wir unsere humanitäre Hilfe für die Männer, Frauen und Kinder, die sie am nötigsten brauchen, weiter ausbauen müssen.
Deutschland wird seinen humanitären Partnern in diesem Jahr die Rekordsumme von 2,8 Milliarden Euro zukommen lassen.
Das bedeutet beispielsweise, dass wir die Bemühungen des WFP in Afghanistan zur Ernährung von fast 19 Millionen Menschen finanzieren. In der Sahelzone, wo sich die Anzahl der Hunger leidenden Menschen seit 2021 verdoppelt hat, haben wir unsere Unterstützung für das WFP aufgestockt. Und in den Palästinensischen Gebieten, insbesondere im Gazastreifen, unterstützen wir UNRWA, so dass Lebensmittel an Bedürftige ausgegeben werden können.
Wir müssen uns zusammentun,
damit Hunger leidende Menschen etwas auf dem Teller haben, damit die Kranken mit Medikamenten versorgt werden können und damit diejenigen, die ihr Zuhause verloren haben, Zuflucht finden.
Ich rufe unsere Partner deshalb dringend auf, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen.
Und um es ganz klar zu sagen: Ich rufe ganz besonders all jene Partner auf, die es sich eindeutig leisten können, mehr zu tun – sei es aufgrund steigender Einnahmen durch natürliche Ressourcen oder ihrer Wirtschaftsmacht.
Bei alledem müssen wir schnell mutige Antworten finden.
Das ist keine einfache Aufgabe.
Aber wir sind heute hier, um zu zeigen, dass wir geeint handeln in der Welt. Die Tatsache, dass heute hier so viele Minister und andere Akteure versammelt sind, ist ein Zeichen der Hoffnung, dass wir nicht aufgeben.
Wir stehen gemeinsam – geeint für die globale Ernährungssicherheit und wir handeln, jetzt und heute.