Buchtipp: Rainer Tetzlaff „Der afrikanische Blick, unerwartete Perspektiven der Integration“

Buchtipp: Rainer Tetzlaff "Der afrikanische Blick, unerwartete Perspektiven der Integration"Der Verfasser möchte mit dieser Publikation seine Leser:innen auffordern, den Afrikaner:innen zuzuhören, was sie berichten über ihre Motive ihr Land zu verlassen, ihre Flucht, ihre Erlebnisse, die sie in Deutschland gemacht haben.

Um diesen Anspruch einzulösen, hat der Politologe und Afrika-Forscher sein Buch in acht Kapitel aufgegliedert:

Rassismus in Deutschland: Zahlreiche Autoren, die sich mit Rassismus auseinandergesetzt haben, schildern ihre mitunter sehr schmerzhaften Erfahrungen im Alltag; sie sind in den Biografien, eindrucksvoll beschrieben und nachzulesen. Lebensgeschichten von erfolgreichen, einflussreichen Deutschen mit Migrationshintergrund werden beispielhaft dargestellt.

Kultur und Kunst: In diesem Kapitel skizziert Rainer Tetzlaff den Begriff der Kultur, der sich immer wieder den sich verändernden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen anpasst. Er erwähnt die lange Geschichte, die mit der Rückgabe einige der Bronze-Figuren eine anerkennende Sichtweise auf die Kultur sichtbar macht.

Die „Flüchtlingskrise“: der Autor erinnert daran, dass die Angst vor dem Fremden, vor den Migranten:innen in Deutschland weit verbreitet sei. Er zitiert unter anderem die Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann. Sie beschreibt, dass die Ankunft der Geflüchteten eine dreifache Angst ausgelöst habe: vor Verlust der eigenen Identität, vor materiellen Verlusten und Angst um die eigene Sicherheit.

Rainer Tetzlaff benennt sechs Fluchtursachen, für ihn besonders relevant sind: Kriege und Militärputsche, wirtschaftliche und soziale Not, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Klimawandel, Diskriminierung durch Familientradition, Glaubensintoleranz, Politikversagen und korrupte Regierungen. Für den Verfasser ist das ungebremstes Bevölkerungswachstum auch ein Motor der Migration.

Migranten:innen aus muslimischen Herkunftsländern:. Die marokkanische Radio-Moderatorin Faty Badi wird zitiert, sie spricht von der marokkanischen Gesellschaft, prüde und konservativ, gleichzeitig vollkommen besessen von Sex. Diese Entwicklung erklärt sie mit dem Fehlen von Sexualkunde in den Schulen, andererseits werden Pornos konsumiert, Dating Portale und Sex-Chats genutzt. Tunesien, Sudan, Ägypten und Kamerun sind weitere Länderbeispiele, bevor die Frage aufgeworfen wird, ob der Islam ein integrierender Faktor sein könne.

Geschichten von Flucht und Flüchtlingen: Der Autor will authentische Erfahrungen von Afrikanern:innen vermitteln. Es sind unterschiedliche Flucht und Migrationserfahrungen. Das breite Spektrum von Erzählungen, aufgezeigt aus dem Kongo, aus Somalia, Ägypten, Äthiopien, Sansibar, Sambia, Eritrea, Senegal, Marokko, Nigeria, Niger und Libyen sind Zeugnisse von Verzweiflung, Not und Ängsten, aber auch von Mut und gelebten Herausforderungen.

Ankommen in Deutschland: Der Hochschullehrer und Afrika-Reisende, benennt als zentrale Erfahrung den Kulturschock der Eingereisten, die Konfrontation mit einer ihnen fremden Umwelt. Eine erlebte Abwertung, er versteht die Sprache nicht, er kennt die Essgewohnheiten nicht. Er bringt das Aussehen und das Verhalten von Frauen mit dem Frauenbild in seiner Heimat nicht in Einklang,

Eine für den Sozialwissenschaftler gelungene Integration sind die Beispiele von zwei afrikanischen Fußballern. Nicht geglückte Integration und Rückkehr nach Afrika werden ebenso thematisiert.

Zum Thema“kulturelles Gepäck“: In einer summarischen Beschreibung legt der Autor dar, dass die Gemeinschaft höher bewertet wird als das Individuum, charakterisierbar als eine kulturelle Differenz zwischen dem Westen und Afrika.

Unterschiedliche Zeitbegriffe sind ein Punkt, der zu Kontroversen beiträgt. Rainer Tetzlaff verweist auf John S. Mbiti, der ausführt, dass sich die Vorstellung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft durch unterschiedliche Gestaltung im Alltag zeigt. Missverständnisse lassen sich mit einer besseren Kenntnis der Kulturen vermeiden. Empathie, so wird weiter erläutert, ist für das Begreifen der Situation anderer wichtig und kann für Einheimische und Zugewanderte einen beidseitigen Gewinn bedeuten. Dies gilt auch für Einheirat, um eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen.

Die Biografien afrikanischer Jugendlicher zeigen, dass sie Kompetenzen für den informellen Sektor mitbringen, der für ihre Umwelt nützlich ist, aber in Deutschland nicht nachgefragt wird. Eine echte Herausforderung für die Überlebenskunst Jugendlicher.

Geschildert wird in zitierten Romanen die Gewalt in afrikanischen Familien.

Als Fazit wird das Verhalten der Eingereisten, der Integrationsbehörde, der Teilhabemöglichkeiten am sozialen Leben, als entscheidende Faktoren in diesem Zusammenspiel, formuliert. Es ist wichtig zu betonen, dass es DEN/DIE afrikanische/n Migrant:innen nicht gibt.

Deutschland als schwieriges Einwanderungsland: Angemerkt wird in diesem Kapitel, dass es keine im Konsensus getroffene Antwort auf Einwanderung gibt. Es wird diskutiert, wie viel aus anderen Kulturen können und wollen wir aufnehmen, und wie sollten wir uns ihnen gegenüber verhalten.

In biografischen Texten werden Erkenntnisse von und über Migranten:innen beschrieben. Erreicht werden soll damit mehr Verständnis für die oft sehr schwierige Situation der Flüchtlinge, aber gleichzeitig auch auf Potenziale hinzuweisen. Die Hauptursachen der Migration bleiben. Rainer Tetzlaff benennt sechs Regeln, die für die Ankommenden bindend sein sollten: das Grundgesetz, die Gleichberechtigung, der Art. 20 GG (Sozialstaat), die Bereitschaft, sich an der Demokratie zu beteiligen, Respekt zu zeigen, keine Diskriminierung.

Eine Basis zu schaffen für Verständigung und Austausch über andere Kulturen und Lebensweisen, ist das Anliegen dieses Buches. Zusammengetragen ist eine Fülle von Analysen, Beschreibungen, Schilderungen, Romanen und Studien.

Rainer Tetzlaff legt damit eine umfassende Darstellung des komplexen afrikanischen Blickes vor. Dennoch betont der Autor, dass er nicht alle Aspekte in der notwendigen Tiefe darstellen konnte. Er empfiehlt eine Vertiefung. Die umfangreiche Literaturliste ist eine Anregung, sich intensiver in die einzelnen Thematiken einzuarbeiten. (Theresa Endres)

Rainer Tetzlaff
Der afrikanische Blick, unerwartete Perspektiven der Integration
300 Seiten, Brandes & Apsel, 2023, ISBN 978-3-95558 -342
29,80 Euro