Die politische Lage in Togo spitzt sich zu – brutale Repression gegen Protestbewegung

Die politische Lage in Togo spitzt sich zu – brutale Repression gegen Protestbewegung
Aamron auf facebook

Nach über zwei Jahrzehnten an der Macht ist die Herrschaft von Faure Gnassingbé so umstritten wie nie zuvor. 2005 wurde er nach dem Tod seines Vaters in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom Militär, dem Parlament und dem Verfassungsgericht zum Nachfolger bestimmt. Erst unter internationalem Druck ließ er sich in massiv gefälschten Präsidentschaftswahlen „offiziell“ bestätigen. Bei den anschließenden Massenprotesten kamen rund 900 Menschen durch staatliche Sicherheitskräfte ums Leben, 4.000 wurden verletzt, mindestens 60.000 flohen in die Nachbarländer Ghana und Benin.

Auch in den Jahren 2012/13 und 2017/18 kam es zu landesweiten Protesten, die jeweils brutal niedergeschlagen wurden. Seit 2024 ermöglicht eine illegale und illegitime Verfassungsänderung Faure Gnassingbé den unbegrenzten Verbleib an der Macht.

Afrique-Europe-Interact hat wiederholt auf die weitgehende Straflosigkeit und politische Repression in Togo hingewiesen – insbesondere seit den Protesten 2017/18. Nun kam es im Juni 2025 erneut zu größeren Demonstrationen, auf die das Regime mit massiver Gewalt reagierte.

Vom 26. bis 28. Juni kam es in mehreren Stadtteilen der Hauptstadt Lomé zu Aktionen des zivilen Ungehorsams. Die Protestierenden forderten einen grundlegenden politischen Wandel und den Rücktritt von Staatschef Faure Gnassingbé. Die Reaktion des Staates war von massiver Gewalt geprägt: Staatliche Sicherheits- und Ordnungskräfte schlugen auf Demonstrierende ein, drangen in Häuser ein und nahmen laut Berichten in sozialen Medien dutzende Menschen fest. An ihrer Seite beteiligten sich bewaffnete Milizionäre, von denen die meisten vermummt waren, mit brutaler Gewalt an der Repression. Mit Schlagstöcken gingen sie auf wehrlose Menschen los, verletzten und töteten sie. In einer gemeinsamen Erklärung vom 27. Juni und nochmals am 29. Juni forderten mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter Togo Debout, ein sofortiges Ende der staatlichen Repression. Am 30. Juni veröffentlichte auch die Konferenz der togoischen Bischöfe eine Erklärung, in der sie die Gewalt aufs schärfste verurteilt. Mindestens sieben Menschen kamen ums Leben, darunter zwei Jugendliche im Alter von 12 und 15 Jahren.

Verhaftung des Rappers Aamron als Auslöser der Proteste
Unmittelbarer Auslöser der Ereignisse war die Verhaftung des Rappers Aamron am 26. Mai, die eine Welle des Protests, der Empörung und der Solidarität auslöste. In Live-Videos auf TikTok hatte Aamron die schlechte Regierungsführung angeprangert und den Rücktritt von Faure Gnassingbé gefordert. Nach einer Erhöhung der Strompreise intensivierte er seine öffentliche Kritik. In einer satirisch gehaltenen Botschaft rief er die Bevölkerung dazu auf, dem Staatschef am 6. Juni „einen schönen Geburtstag zu wünschen“ und ihm „für die großen Errungenschaften zu danken, die Togo zum Strahlen bringen“. Vor allem junge Menschen solidarisierten sich mit Aamron und gingen am 6. Juni spontan auf die Straße. Die über soziale Netzwerke durch Blogger und TikToker organisierten Demonstrationen wurden schnell und gewaltsam aufgelöst. Es kam zu Dutzenden Festnahmen; einige der Festgenommenen berichteten später von Misshandlungen während ihrer Festnahme und Haft. Laut Togo Debout wurden 56 Personen später wieder freigelassen.

Statt die Bewegung zu brechen, befeuerten die Repressionen den Widerstand: In der Diaspora fanden Solidaritätsaktionen statt, neue Aufrufe zu Protesten verbreiteten sich rasch online. Während die politischen Parteien ANC und FDR sowie zivilgesellschaftliche Organisationen wie Togo Debout ab dem 23. Juni zum zivilen Ungehorsam aufriefen – einer in Artikel 150 der Verfassung von 1992 verankerten Form des Protests –, mobilisierten Blogger und TikToker für landesweite Demonstrationen am 26., 27. und 28. Juni. In den Aufrufen hieß es, es sei an der Zeit, dass „das Volk seine Souveränität zurückerobert“ und „die illegitime Autorität zerschlägt“. Trotz Aamrons Freilassung am 21. Juni und anhaltender Repression gingen am 26. Juni erneut hunderte Menschen dezentral auf die Straße. Nach über zwei Jahrzehnten an der Macht ist die Herrschaft von Faure Gnassingbé so umstritten wie nie zuvor.

Kritik an illegaler und illegitimer Verfassungsänderung
Die Proteste ereigneten sich auch vor dem Hintergrund einer umstrittenen Verfassungsreform, die im April 2024 ohne Referendum verabschiedet wurde. Sie führt ein parlamentarisches System ein – die sogenannte „Fünfte Republik“ –, in dem Faure Gnassingbé den Vorsitz des Ministerrats übernimmt. Dieses Amt, das dem eines Regierungschefs entspricht, ermöglicht es ihm, die verfassungsmäßige Begrenzung der Amtszeiten zu umgehen und unbegrenzt an der Macht zu bleiben. Die Gnassingbé-Dynastie sichert sich damit die Fortführung ihrer inzwischen 58-jährigen Herrschaft.

Die Opposition bezeichnet die Reform als „Verfassungsputsch“ und spricht von einem autoritären Regime, das von Gewalt, wachsender Armut und Korruption geprägt sei. Selbst aus dem engsten Umfeld Faure Gnassingbés regt sich Widerstand: Essossimna Marguerite Gnakadè, frühere Verteidigungsministerin, fordert inzwischen öffentlich seinen Rücktritt. In einer eindringlichen Erklärung kritisiert sie die ökonomische Misswirtschaft unter der Herrschaft von Präsident Faure und ruft die Armee dazu auf, sich nicht länger als Erfüllungsgehilfe eines skrupellosen Machtapparats missbrauchen zu lassen, sondern im Sinne der Bevölkerung zu handeln.

Forderungen von Afrique-Europe-Interact
In einer Erklärung vom 1. Juli 2025 kritisieren afrikanische zivilgesellschaftliche und Menschenrechtsorganisationen – darunter verschiedene nationale Gruppen des Netzwerks Tournons la Page – den Umgang der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) mit der staatlichen Gewalt in Togo. Die ECOWAS verharmlose die staatlich organisierte Repression und schweige zu verfassungswidrigen Entwicklungen. Afrique-Europe-Interact schließt sich dieser Kritik ausdrücklich an und fordert darüber hinaus:

· ein sofortiges Ende der Repression und staatlichen Gewalt gegen Demonstrierende,

· die lückenlose Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen sowie die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen – anstelle anhaltender Straflosigkeit,

· die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung von 1992 – anstelle einer Legitimierung der sogenannten „5. Republik“ durch die bevorstehenden Kommunalwahlen,

· ein Ende der der fast 60-jährigen Herrschaft der Familie Gnassingbé, um endlich den Weg freizumachen für eine tatsächliche Demokratisierung Togos. (PM Afrique-Europe-Interact)