Erdogans Afrika-Pläne

Erdogans Afrika-Pläne
Fotoquelle: https://www.president.gov.ua

Die türkische Afrika-Strategie ist viel breiter angelegt, als es in Deutschland wahrgenommen wird. Dabei zeigt nicht nur der dritte Türkei-Afrika-Gipfel am 17. und 18. Dezember, welch wichtiger Akteur die Türkei auf diesem Kontinent inzwischen ist.

In Deutschland kaum wahrgenommen, ist die Türkei auf der Suche nach strategischen Partnern und machtpolitischer Größe. Die neuen außenpolitischen Ambitionen lassen sich besonders gut auf dem afrikanischen Kontinent beobachten. Seit seinem Amtsantritt 2014 als Präsident hat Recep Tayyip Erdogan bereits 38 Mal den afrikanischen Kontinent betreten und 28 Staaten besucht – mehr als jeder andere nicht-afrikanische Staats- oder Regierungschef. Zuletzt vom 17. bis 21. Oktober dieses Jahres besuchte er Angola, Nigeria und Togo. Erdogan ist der erste türkische Präsident, der sich für den Kontinent interessiert. Die Türkei bietet sich Afrika als Alternative zu dem Westen und China sowie Russland an.

Eines der wenigen bekannten Fotos, auf denen Erdogan in der Öffentlichkeit lacht, wurde am 19. Oktober 2021 in Lomé, der togoischen Hauptstadt aufgenommen. Er scherzt auf dem Foto mit seinem Gastgeber, Faure Essozimna Gnassingbé, dem liberianischen Präsidenten und ehemaligen Weltfußballer George Weah sowie dem Kollegen aus Burkina Faso, Roch Marc Christian Kaboré.

Erfolgreiche Erprobung von Waffensystemen
In den Libyen-Konflikt hat die Türkei ungewöhnlich stark eingegriffen. Sie heuerte Söldner aus Syrien an und setzte bewaffnete Drohnen gegen den von Russland unterstützten General Khalifa Haftar ein. Die Bayraktar TB-2 Kampfdrohnen sollen eine entscheidende Rolle gegen den Rebellengeneral Haftar gespielt haben.

Wichtigster Partner in Afrika ist nach dem Zusammenbruch aller staatlichen Strukturen 1991 Somalia. 2016 eröffnete die Türkei ihre weltweit größte Botschaft in Mogadischu. Das „Camp Turkson“ – als erste Militärbasis in Afrika – wurde ein Jahr später eröffnet. Es ist vier Quadratkilometer groß und ist die größte türkische Militärbasis außerhalb der Türkei. Derzeit werden dort 1.500 Mann der somalischen Streitkräfte geschult. Eine Eliteeinheit wird in der Türkei trainiert.

Mit der erfolgreichen Erprobung türkischer Waffensysteme im Libyen-Konflikt, in Syrien und Bergkarabach lassen sich auch die Produkte der militärischen Industrie gut verkaufen. Mitte August 2021 kamen auch ein Dutzend afrikanischer Minister zur IDEF’21, der 15. International Defence Industry Fair in Istanbul. Die Waffenindustrie in der Türkei boomt.

Diplomatie, Bildung, Unternehmen
Die Handelsoffensive begleitet die Türkei mit dem Ausbau ihres diplomatischen Netzes: Die Zahl ihrer Botschaften hat sich in den vergangenen Jahren auf 43 mehr als verdreifacht. (Die erste türkische Botschaft in „Subsahara-Afrika“ wurde 1926 in Addis Abeba eröffnet.) Statt früher 10 sind heute 32 afrikanische Länder in Ankara diplomatisch vertreten. Türkische Fluggesellschaften fliegen mittlerweile in 60 afrikanische Destinationen.

Die staatliche Maarif-Stiftung ist in 67 Ländern aktiv und unterhält 335 Schulen, darunter auch in West- und Ostafrika. Als es 2012 zum Bruch zwischen Erdogan und seinem früheren Verbündeten, dem Prediger Fethullah Gülen, kam, gab es in afrikanischen Ländern über 100 Schulen der Gülen-Bewegung. Sie befinden sich inzwischen weitgehend unter Kontrolle der Maarif-Stiftung. Die türkische Agentur für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (TIKA) unterhält 30 Koordinierungszentren auf dem Kontinent.

Türkische Unternehmen haben in Accra/Ghana die neue Nationalmoschee (Ghana National Mosque /Ghana Millet Mosque), Sportanlagen im Senegal und in Ruanda sowie das 1224 km lange Schienennetz – zusammen mit portugiesischen Partnern – in Tansania gebaut.

Das Handelsvolumen von derzeit 25 Milliarden Dollar 2021 soll sich bis 2025 verdoppeln. Exportiert werden vor allem Baumaterialien, Lebensmittel, Informationstechnologien, Rüstungsgüter, Traktoren, Textilien, medizinische Geräte, Hygiene- und Reinigungsmittel. Sie sind billiger als entsprechende Produkte aus der EU, und türkische Produkte haben bei den afrikanischen Konsumenten in der Regel einen besseren Ruf als „Made in China“. Importiert werden aus Afrika Öl und Mineralien.

Dritter Gipfel Türkei – Afrika
Am 17. und 18. Dezember 2021 wird im Rahmen der türkischen Initiative der „Afrikanischen Partnerschaft“ der 3. Gipfel Türkei – Afrika stattfinden. Aus 45 Staaten werden Staats- und Regierungschefs in Istanbul erwartet. Auf der Agenda sollen der Kampf gegen Terrorismus (2018 spendete Ankara der Antiterroreinheit der G5 Sahel 5 Millionen Dollar) und die Krisen in Libyen, Somalia und Äthiopien, die Staatsstreiche in Mali, Guinea und Sudan stehen. Aber auch der Handelsaustausch, Tourismus und die Zusammenarbeit von Universitäten.

Die Türkei ist in Afrika zu einem außenpolitischen Akteur geworden, der erst genommen werden muss. Die Einhaltung von Menschenrechten und die Förderung der Demokratie spielen wie beim chinesischen und russischen Engagement keine Rolle. Es geht auch Ankara um Zugang zu Ressourcen, die Erschließung neuer Märkte und geopolitischen Einfluss. (Quelle: achgut.com, mit freundlicher Genehmigung des Autors Volker Seitz*)

*Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“.  Die aktualisierte und erweiterte 11. Auflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zu afrikanischen Themen und hält Vorträge (z.B. „Was sagen eigentlich die Afrikaner“, ein Afrika-ABC in Zitaten).