IPG-Journal/Südafrika: Irgendwann knallt’s – Teures Essen, kein Strom und unbezahlbares Benzin – Inflation und Energiekrise haben massive Folgen

IPG-Journal/Südafrika: Irgendwann knallt’s - Teures Essen, kein Strom und unbezahlbares Benzin - Inflation und Energiekrise haben massive Folgen„Eine meiner Ängste ist, dass wir bald unsere eigene Version des arabischen Frühlings erleben“, befürchtet Ex-Präsident Thabo Mbeki. „So viele Menschen sind arbeitslos, so viele Menschen sind arm, so viele Menschen sind mit Gesetzlosigkeit konfrontiert, mit der Führung, ANC Kadern, die einer nach dem andern korrupt genannt werden – eines Tages wird es explodieren.“ Doch die drastische Warnung von Mbeki schreckte Südafrika nur kurz auf. Denn ohnehin ist vielen klar: Der soziale Frieden in Südafrika ist prekär. Die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut und sowohl Arbeitslosigkeit (44 Prozent) als auch Ungleichheit sind so hoch wie sonst kaum irgendwo auf der Welt. Große Teile der Bevölkerung sind ausgeschlossen von der öffentlichen Daseinsvorsorge, von ökonomischer Teilhabe und effektiver politischer Beteiligung. Und jetzt kommt noch die globale Energiekrise.

Mit Energiekrisen kennt man sich aus in Südafrika – vor allem mit Strommangel. Sowohl Netz als auch die Kraftwerke des staatlichen Energiekonzerns Eskom sind in desolatem Zustand. Es bedarf eines ausgeklügelten Systems von geplanten Stromabschaltungen, um das System vor dem totalen Kollaps zu schützen. Und Südafrikas Strom ist dreckig. Rund 85 Prozent werden aus Kohle gewonnen. Der Umbau des Energiesektors hin zu erneuerbaren Energien und einer ausreichenden und sicheren Stromversorgung wird schon seit Jahren heiß diskutiert. Der große Durchbruch blieb jedoch bislang aus.

Es ist Winter auf der Südhalbkugel und viele Haushalte heizen mit Elektroanlagen. Die Stromabschaltungen häuften sich im Juli, manche Gegenden hatten bis zu sechs Stunden am Tag keinen Strom. Der Unmut in der Bevölkerung wuchs so sehr, dass Präsident Cyril Ramaphosa Ende Juli einen neuen Energie-Aktionsplan vorlegte, der vor allem auf private Investoren und den Ausbau erneuerbarer Energien setzt. Auch die auf der letzten Weltklimakonferenz beschlossene Just Transition Energy Partnership, eine 8,5 Milliarden US-Dollar schwere Förderung, soll dem Kohleausstieg einen entscheidenden Schub geben, ist bislang jedoch noch wenig ausbuchstabiert.

Aufgrund der nun steigenden globalen Kohlepreise wachsen die Anreize für den eigenen Kohleabbau derzeit erneut. Profitieren können davon in Südafrika jedoch nur einige wenige. Für die große Mehrheit bedeutet die globale Energiekrise vor allem einen empfindlichen Preisanstieg der Grundversorgung. Die Inflation lag in den letzten Monaten über sieben Prozent – dem höchsten Wert seit 2009. Laut der Pietermaritzburg Economic Justice and Dignity Group sind dabei gerade die Preise für Grundnahrungsmittel deutlich stärker gestiegen: Der Preis eines durchschnittlichen Lebensmittelwarenkorbs für Niedrigverdiener ist im letzten Jahr um 13 Prozent gestiegen.

Der zunehmende ökonomische Druck lässt die sozialen Spannungen wachsen.
Größter Treiber der Inflation sind laut der südafrikanischen Statistikbehörde die Treibstoffpreise. Diese waren im Juni um 45 Prozent höher als im Vorjahr. Im April hatte die Regierung die Suspendierung der Treibstoffabgabe von erst 1.50 Rand (circa neun Cent) und dann 0.75 Rand pro Liter bis Anfang August angekündigt, dies konnte bei einem Preis von 26 Rand (1,54 Euro) pro Liter im Juli jedoch nur wenig Erleichterung schaffen. Zudem ist weiter unklar, was auf die im kommenden März auslaufenden Covid-Nothilfen für die Bevölkerung folgt. Zwar bekennt sich der African National Congress (ANC) weiter zum Ziel einer unter dem Namen „Universal Basic Income Grant“ diskutierten sozialen Grundsicherung – ein konkreter Plan für die Einführung ist aber noch nicht beschlossen.

Der zunehmende ökonomische Druck lässt die sozialen Spannungen wachsen, die sich beispielsweise in fremdenfeindlichen Übergriffen und in gewaltsamen lokalen Protestaktionen entladen. Letzteres jüngst in Tembisa, einem großen Township zwischen Johannesburg und Pretoria. Anders als bei den Unruhen im Juli letzten Jahres zielen diese Proteste darauf ab, ökonomische und politische Teilhabe zu erzwingen. „They only come when they see smoke“, sagte ein Protestierender in Tembisa – die Politikerinnen und Politiker kommen nur zu uns, wenn es brennt.

Zu mehr als zum Feuerlöschen kommt die Regierung angesichts der multiplen Krisen auch kaum. Zumal der regierende ANC voll und ganz mit internen Machtkämpfen und der Aufarbeitung der Korruptionsskandale beschäftigt ist vor dem Parteitag im Dezember, auf dem sich entscheiden wird, ob Cyril Ramaphosa für eine zweite Amtszeit kandidieren kann.

Der soziale Frieden in Südafrika ist ein fragiles Konstrukt aus vielen Kompromissen. Die stetige Verschlechterung des Zugangs zu öffentlichen Gütern, die schrumpfende politische und ökonomische Teilhabe nagen stetig an ihm. Ökonomen erwarten ab August eine Entspannung des Inflationsdrucks. Doch ohne einen strukturellen Wandel wird dies bestenfalls nur eine kurzfristige Erleichterung bieten. (Uta Dirksen, FES Südafrika)