Massaker: Rebellen töten 270 Menschen im Kongo – Auch deutsche Stiftung am Rande des Virunga-Nationalparks betroffen

Massaker: Rebellen töten 270 Menschen im Kongo - Auch deutsche Stiftung am Rande des Virunga-Nationalparks betroffen
Flucht aus Kishishe

Zahlreiche Kinder aus einer Spielgruppe des SAVE Wildlife Conservation Fund aus Wülfrath haben bei einem Rebellenangriff ihre Eltern oder Verwandten verloren. SAVE – Country Director Rémy Kakule konnte sich vor dem Angriff in Sicherheit bringen. Er hatte die SAVE-Spielgruppe in Kishishe im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRC) im September eröffnet. Nun bleibt die Spielgruppe so lange geschlossen, bis sich die Situation verbessert.

Das frühkindliche Bildungsprojekt im Kongo ist eines der jüngsten von insgesamt 37 Kinderprojekten auf dem afrikanischen Kontinent. Das Ziel ist es, den Kindern die eigene Umwelt nahezubringen und sie für den Artenschutz zu gewinnen. Denn der nahe gelegene Virunga-Nationalpark beherbergt gefährdete Tiere wie zum Beispiel Elefanten, Berggorillas oder Büffel.

Was ist passiert?
Nach Angaben der Armee der Demokratischen Republik Kongo (DRC), haben Rebellen der sogenannten M23 Miliz das Dorf Kishishe überfallen und ein Massaker angerichtet. Der schreckliche Angriff ereignete sich in der Nacht vom 28. auf den 29. November 2022. Dabei sind nach aktuellen Informationen, die SAVE übermittelt wurden, 270 Menschen ermordet worden, darunter 20 Kinder im Alter von fünf Jahren und jünger. Die Rebellen zerstörten viele Häuser und plünderten deren Vorräte.

SAVE – Country Director Rémy Kakule hatte es eine Woche vor dem Angriff aus Kishishe heraus geschafft. Er habe vier Tage gebraucht, um die rund 110 Kilometer entfernte Stadt Goma zu erreichen. „Ich bin mit dem Motorrad zuerst 70 Kilometer nach Kanyabayonga gefahren, dann durch das Masisi-Territorium. Die Wege waren extrem schlecht“, sagt er. Nach dem Massaker ereilten ihn Nachrichten von den Überlebenden aus Kishishe. „Die Situation war furchtbar, als die Rebellen das Dorf überrannten. Sie beschuldigten die Männer, verfeindeten Rebellengruppen anzugehören. Daraufhin ermordeten sie alle Jungen und Männer, die sie finden konnten“, berichtet er. Doch darüber hinaus wurden auch Frauen und Kinder getötet.

Die aktuelle Informationslage sist extrem unübersichtlich, die Zahlen deshalb nur schwer zu verifizieren. Die Zahl der Todesopfer steigt kontinuierlich an, da immer mehr Tote gefunden werden. Der Chefarzt in Kishishe berichtet im Gespräch mit Rémy Kakule, dass er von einer hohen Dunkelziffer ausgeht, da noch viele Menschen als vermisst gelten. Wie viele der rund 15.200 Einwohner:innen Kishishes auf der Flucht sind, ist noch nicht bekannt.

Welche Folgen hat der Angriff für die Kinder in Kishishe?
Schätzungen nach sind jedoch zehntausende Menschen in der Region aufgrund der jüngsten Kämpfe auf der Flucht. SAVE hatte erst im September im Rahmen des „Education for Conservation“-Bildungsprogramms die Spielgruppe für Kleinkinder gegründet. Das Projekt dient dem Artenschutz und der Umweltbildung nahe des Virunga-Nationalparks und hat durch die Kämpfe extreme Rückschläge erlitten.

„Wir sind schockiert und sprechen den Menschen unser tiefstes Mitleid aus“, sagt SAVE-Gründer Lars Gorschlüter. „Wir sind gerade erst in DRC gestartet und werden jetzt nicht aufgeben. Wir werden weiter machen und den Menschen, den Kindern vor Ort, helfen.“

Country Director Rémy Kakule möchte die Spielgruppe wieder öffnen, sobald sich die Sicherheitslage verbessert, um den Kindern und ihren Familien einen Zufluchtsort zu geben. „Wir müssen den Familien helfen. Viele haben ihr zu Hause verloren und müssen jetzt auf den Straßen übernachten. Außerdem benötigen wir Medizin, Kleidung und Lebensmittel. Sobald die Kinder zurück in die Spielgruppe kommen können, werden wir versuchen, ihnen täglich eine Portion Brei zu kochen und sie mit Schuhen auszustatten. Zwölf Kinder unserer Spielgruppe haben ihre Eltern verloren, 35 weitere Familienmitglieder sind ebenfalls getötet worden. Sie haben außerdem den Vater einer unserer Lehrerinnen getötet, auch sie möchten wir unterstützen.“

Wer sind die Angreifer und warum ist die Region so umkämpft?
Die Kämpfe in der Provinz North Kivu nahe der Grenzen zu Ruanda, Uganda und Burundi flammen seit den früher Zweitausendern immer wieder auf, zuletzt seit Ende 2021.

Die Region ist unter anderem wegen ihrer reichen Bodenschätze seit langem konfliktgeladen. Mitten in den umkämpften Gebieten liegen neben menschlichen Siedlungen auch Wildtiergebiete, wie der berühmte Virunga-Nationalpark.

M23 steht für „Bewegung des 23. März“ und geht nach eigenen Angaben gegen die Unterdrückung der ethnischen Gruppierung der Tutsi in DRC vor. Doch längst haben die Kämpfe auch eine wirtschaftliche und geopolitische Motivation, wie zum Beispiel die Kontrolle von wichtigen Handelswegen.

Die Gemengelage wird zunehmend komplizierter zu durchschauen, da die Armee und die M23 nicht die einzigen Player auf der Landkarte sind. Laut der Vereinten Nationen sind in der Region etwa 130 unterschiedliche Rebellengruppen aktiv. Diese bekämpfen sich gegenseitig und setzen sich oft aus jungen Männern der verschiedenen Dörfer zusammen, berichtet SAVE-Country Director Rémy Kakule.

Die Regierung von DRC wiederum beschuldigt das Nachbarland Ruanda, die M23 zu unterstützen. Ruanda weist die Anschuldigungen zurück.

Die unzähligen Menschenrechtsverletzungen sind vor diesem Hintergrund besonders schwer nachzuvollziehen. Für die Zivilist:innen in DRC bedeutet der fortlaufende Krieg vor allem ein Leben in ständiger Angst.

„Ich bin selbst während des Krieges geboren worden“, erzählt SAVE – Country Director Rémy Kakule. „In North Kivu ist jeden Tag Krieg. Wenn er nicht im Dorf Masisi ist, ist er in Bambo. Wenn er nicht in Bambo ist, ist er in Kishishe oder irgendwo anders. Menschen sterben.“ Doch für Rémy Kakule ist auch klar, dass er so schnell wie möglich wieder nach Kishishe zurückkehren möchte, um den Menschen zu helfen.

So können Sie helfen
SAVE Wildlife Conservation Fund setzt auf Ihre Unterstützung für die Menschen von Kishishe. Ihre Spende fließt in die Beschaffung von alltäglichen Dingen: Wir wollen die Kinder und ihre Familien zunächst mit Lebensmitteln und Kleidung ausstatten. Sie brauchen jedoch auch so schnell wie möglich neue Häuser und Vieh, um sich wieder ein Leben aufzubauen. Der Krieg hinterlässt jedoch auch emotionale Narben, weshalb SAVE sich darum bemüht, psychologische Unterstützung für die vielen traumatisierten Menschen zu organisieren. (https://save-wildlife.org/de/)