Togo: Zwei Journalisten mit Pegasus-Spyware angegriffen

Togo: Zwei Journalisten mit Pegasus-Spyware angegriffen

Seit Anfang Januar stehen zwei togoische Journalisten wegen angeblicher Falschaussage vor Gericht. Nun veröffentlicht Reporter ohne Grenzen (RSF) Belege dafür, dass die Mobiltelefone der Reporter Loïc Lawson und Anani Sossou von staatlicher Seite überwacht wurden und Ziel eines massiven digitalen Spionage-Angriffs waren. Während der mehrere Monate dauernden Ermittlungen von RSF wurden Spuren der von Togo mindestens bis 2021 verwendeten Software Pegasus gefunden.

Diese gefährliche Spionagesoftware gehört zu den leistungsfähigsten der Welt und wird von der israelischen Firma NSO Group vertrieben.

“Wir konnten im Fall von Loïc Lawson nachweisen, dass sein Mobiltelefon immer wieder von dem Staatstrojaner Pegasus infiziert wurde. Es ist Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft, die Regierung von Togo und die NSO Group, welche diese Spionagesoftware an Togo verkauft hat, zur Verantwortung zu ziehen”, sagte Janik Besendorf, einer der beiden für die Entdeckung verantwortlichen Mitarbeiter des Berliner Digital Security Lab (DSL). Diese RSF-Abteilung deckt digitale Angriffe auf die Smartphones von Journalistinnen und Journalisten auf. Für solche Angriffe sind Staaten wie Togo auf Sicherheitslücken angewiesen, um die Smartphones zu infizieren. Diese Sicherheitslücken werden von Firmen wie der NSO Group gezielt gesucht, um sie für Spyware-Angriffe zu nutzen, statt sie an die Hersteller zu melden, damit diese sie schließen können. Dies schadet auch der IT-Sicherheit von Unbeteiligten.

„In fast allen Fällen passieren Pegasus-Angriffe im Verborgenen. Nur durch forensische Analysen lässt sich beweisen, dass solche dramatischen Eingriffe in die Pressefreiheit tatsächlich passieren und dass die Überwachungsprogramme von Herstellern wie der NSO Group massenweise für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden”, ergänzte DSL-Mitarbeiter Viktor Schlüter. Auch BND und BKA waren laut Medienberichten Kunde der NSO Group: “Es ist erschreckend, dass auch deutsche Behörden bei einem Unternehmen einkaufen, das für derart massive Angriffe auf die Pressefreiheit verantwortlich ist.”

Spionage in Serie: Details zum Fall aus Togo
Nach der ersten Infektion am 1. Februar 2021 wurden bis zum 10. Juli 2021 mindestens 23 weitere Infektionen des Telefons von Loïc Lawson identifiziert. Er ist Herausgeber von Le Flambeau des démocrates, einer führenden unabhängigen Wochenzeitung in Togo. Sein Kollege, der unabhängige Journalist Anani Sossou, wurde einige Monate später, am 25. Oktober 2021, ebenfalls Opfer eines ähnlichen Angriffs auf sein Telefon.

Der togoische Staat war nachweislich ein Kunde der Spionagesoftware Pegasus, mit der die Attacken durchgeführt worden waren. Die Ergebnisse dieser technischen Analysen wurden vom Security Lab von Amnesty International in einer unabhängigen Untersuchung verifiziert. Dieses Security Lab gilt als führend auf diesem Gebiet und konnte weltweit sehr viele Fälle von Überwachung mit Pegasus identifizieren. Die Fälle von Loïc Lawson und Anani Sossou wurden jedoch erst durch die Arbeit des Berliner DSL aufgedeckt.

Das DSL konnte die Überwachungssoftware Pegasus bereits im September 2023 auf dem Mobiltelefon einer Journalistin, die für ein unabhängiges aserbaidschanisches Medium arbeitet, entdecken. Die Veröffentlichungen zu Togo sind der zweite öffentlich bestätigte Fall des Einsatzes einer Spähtechnologie seit der Gründung des Digitallabors. Die Arbeit des RSF Digital Security Lab wird ermöglicht unter anderem durch die freundliche Unterstützung privater Förderer sowie der Postcode Lotterie und der Zeit-Stiftung.

RSF beschäftigte sich seit Anfang Dezember 2023 mit den Mobiltelefonen der beiden togoischen Journalisten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die beiden gerade 18 Tage in Untersuchungshaft verbracht, nachdem der Minister für Städtebau, Wohnungsbau und Landreform, Kodjo Adedze, Anzeige gegen sie erstattet hatte. Die Journalisten hatten berichtet, dass ihm bei einem Einbruch in sein Haus Geld und andere Dinge im Wert von umgerechnet 600.000 Euro gestohlen worden sei. Diese Summe bestritt der Minister, andere Inhalte zweifelte er nicht an. Obwohl der Politiker nie erklärte, inwiefern ihm der Bericht der Journalisten geschadet hatte, wurden die beiden Journalisten wegen „Verleumdung“, „Ehrverletzung“ und sogar „Anstiftung zur Revolte“ angeklagt.

Reporter sorgt sich um den Schutz seiner Quellen
Nachdem Loïc Lawson von RSF erfuhr, dass er massiv überwacht worden war, äußerte er sich „sehr besorgt über das Ausmaß der Informationen, zu denen die Urheber dieser Operation Zugang hatten“. Seiner Meinung nach könnten diese Eingriffe dazu gedient haben, einige seiner Quellen zu identifizieren.

Die togoische Kommunikationsministerin und Regierungssprecherin Yawa Kouigan reagierte nicht auf RSF-Anfragen: Die Organisation hatte sie dazu aufgefordert, die Attacke gegen den Journalisten und die generelle Handhabung von Spionagesoftware im Land zu erläutern.

2021 waren dank der Ermittlungen eines internationalen Teams drei weitere togoische Journalisten auf einer Liste mit 50.000 Handynummern identifiziert worden, die potenziell mit Pegasus ins Visier genommen worden waren: Ferdinand Ayité, Luc Abaki und Carlos Ketohou. Jedoch konnten ihre Handys keiner technischen Analyse unterzogen werden, um den Verdacht zu bestätigen. Im Anschluss an diesen Fall hatte RSF in Frankreich mehrere Klagen eingereicht, die 25 Medienschaffende in zehn Ländern vertreten. Die Organisation tritt nun als Nebenkläger der in Frankreich eingeleiteten Untersuchung auf. In Deutschland hat RSF im Frühjahr 2023 zudem beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen die rechtliche Grundlage für den Einsatz sogenannter Staatstrojaner durch den Bundesnachrichtendienst (BND) eingelegt.

Medienschaffende sowie kritische Redaktionen stehen in Togo regelmäßig im Visier der Behörden. Im März 2023 mussten die Journalisten Ferdinand Ayité und Isidore Kouwonou – Herausgeber und Chefredakteur des Online-Mediums L’Alternative – aus dem Land fliehen, nachdem sie festgenommen und eingeschüchtert worden waren. Zwei Minister erstatteten Anzeige gegen die Medienschaffenden. In Abwesenheit wurden sie zu drei Jahren Haft ohne Bewährung wegen „Beleidigung der Autorität“ und „Verbreitung falscher Tatsachen in sozialen Netzwerken“ verurteilt. (RSF, Bild von Mohamed Hassan auf Pixabay)