*Volker Seitz: Ein Friedensnobelpreisträger als Präsident des Kongo?

*Volker Seitz: Ein Friedensnobelpreisträger als Präsident des Kongo?Der Frauenarzt und Friedensnobelpreisträger Dr. med. Denis Mukwege ist ein möglicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen in seinem Land im Dezember 2023. Besteht Grund zur Hoffnung für die geschundene „Demokratische Republik“ Kongo?

Die sexuelle Gewalt ist in der Demokratischen Republik Kongo nicht nur bei militärischen Konflikten allgegenwärtig. Sie ist die schlimmste denkbare Form der Demütigung. Vor allem Frauen waren die Leidtragenden der Bürgerkriege im Kongo seit 1996. Dort wurde von allen Kriegsparteien systematisch sexuelle Grausamkeit als Kriegswaffe eingesetzt. Die Zahl der misshandelten Frauen, insbesondere in der Provinz Nordkivu, kennt niemand. „Sicher, es stimmt, dass Männer Frauen im Kongo schon lange vor dem Krieg als minderwertige Geschöpfe behandelten, denen es verboten war, markttaugliche Gewächse wie etwa Kaffee- oder Baumwollpflanzen anzubauen – verboten sogar, nahrhafte Speisen wie Eier oder Hühnerfleisch zu essen.“ (Quelle Ann Jones, PhD, Historikerin und Literaturwissenschaftlerin, Emergency Gender Advisor der UNO Kongo: Blätter für deutsche und internationale Politik Kongo: Krieg gegen Frauen, März 2009, Seite 100–108)

Dr. med. Denis Mukwege (geboren am 1. März 1955 in Bukavu im damaligen Belgisch-Kongo) ist ein kongolesischer Gynäkologe, der seit 1999 über 50.000 Mädchen und Frauen operiert hat. Er hat in Burundi und Frankreich studiert. Er weist unermüdlich auf die Gräuel seiner Heimat hin. In einer Rede vor den Vereinten Nationen in New York rief Mukwege 2012 dazu auf, sexualisierte Gewalt als Kriegshandlung zu verurteilen und Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht zu stellen. Im Kongo machte er sich wegen seiner deutlichen Worte Feinde. Nach der Rede in New York wurde sein Mitarbeiter Joseph Bizimana ermordet. Dr. Mukwege ist Gründer und Chirurg des Panzi-Krankenhauses in seiner Heimatstadt Bukavu im östlichen Kongo. In dem Krankenhaus arbeiten 12 Ärzte und 30 Schwestern. Mukwege gilt als Spezialist für die Behandlung von Verletzungen durch gezielte Unterleibsschädigungen. Er hat das Problem seines Landes international bekannt gemacht. 2012 überlebte er einen Mordanschlag.

An der grundsätzlichen Situation der Frauen hat sich seit Gründung seines Krankenhauses 1999 wenig geändert. Die brutale Gewalt gegen Frauen wird in weiten Teilen der Gesellschaft des Kongos als normal angesehen, denn auch Regierungstruppen und Polizisten glauben, dass sie über dem Gesetz stehen. Die UNO bezeichnete den Kongo als das gefährlichste Land für Frauen. Kulturelle Faktoren (Gewalt gegen Frauen in der Familie), Korruption und politische Einflussnahme auf die Justiz, verhindern Verurteilungen wegen sexueller Gewalt. Viele Frauen trauen sich deshalb nicht, die Täter anzuzeigen. Sie haben kein Vertrauen in die Behörden.

Reformen – eine Herkulesaufgabe
Mukwege wurde mit dem Clinton Global Citizen Award und dem Menschenrechtspreis der Vereinten Nationen ausgezeichnet. Des Weiteren erhielt er den Olof-Palme-Preis (2008), den König-Baudouin-Preis für Entwicklung in Afrika (2011), den Deutschen Medienpreis (2012) und den Sacharow-Preis für Geistige Freiheit (2014). 2013 erhielt er für seine Verdienste um die Frauen, die sexuelle Kriegsgewalt überlebt haben, und den Mut, die Verantwortlichen zu benennen, den „Alternativen Nobelpreis“. 2018 wurde Mukweges Einsatz für die Opfer sexualisierter Gewalt mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt.

Dr. Mukwege ist ein möglicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen in seinem Land im Dezember 2023. Er hat die Bevölkerung aufgefordert, sich zu mobilisieren. Er sagte: „Wenn ihr bereit seid, bin ich auch bereit (für die Kandidatur).“

Warum dieser populäre, unabhängige und kritische Arzt den Kampf gegen politische Machtstrukturen aufnehmen will, wird möglicherweise aus der treffenden Zusammenfassung von fehlgeleiteten afrikanischen Präsidenten deutlich. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Dr. Mukwege diesen Zornesausbruch über afrikanische Autokraten kennt (die Worte zur Politikkultur stammen von dem ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs von Kenia, Willy Mutunga): „Sein Gesicht ist auf den Geldscheinen, sein Foto hängt in jedem Büro, seine Minister tragen kleine Goldclips mit seinem Foto an den Revers ihrer maßgeschneiderten gestreiften Anzüge. Straßen, Fußballstadien, Krankenhäuser und Universitäten tragen seinen Namen. Er trägt einen traditionellen Stock aus Elfenbein mit Gravierungen aus Silber und einen geschnitzten Spazierstock oder eine Fliegenklatsche oder sitzt auf einem für traditionelle Chiefs reservierten Hocker. Er besteht darauf, Doktor genannt zu werden oder Großer Elefant oder Bauer Nummer Eins oder Netter Alter Mann oder Nationales Wunder oder der Populärste Präsident in der Welt. Jede seiner Stellungnahmen erscheint auf der ersten Seite der Zeitungen. Er ersetzt Minister ohne Vorwarnung und paralysiert so Politikentscheidungen, während er Anwärtern auf seinen Thron den Boden entzieht … Er fälscht Wahlen. Er entmachtet die Justiz, unterdrückt die freie Presse und unterminiert akademische Freiheit. Er unterstützt die Kirche. Bemerkungen des „Großen Mannes“ werden Gesetz. Er verlangt donnernden Applaus von Parlamentariern, wenn er weitreichende Verfassungsänderungen in Auftrag gibt. Er segnet seine Heimatregion mit Autobahnen, Schulen, Krankenhäusern, Bewässerungsprogrammen und einem Präsidentenpalast. Er bringt Angehörige seiner Ethnie im öffentlichen Dienst unter … Seine Gegner werden von der Jugendbrigade der Regierungspartei verfolgt, ins Gefängnis gesteckt oder ins Exil getrieben, sie werden erniedrigt, gefoltert oder getötet.“ (Zitiert in „Grenzüberschreitungen“ von Helmut Orbon, Selbstverlag, 2022)

Sollte sich Dr. Mukwege zu einer Kandidatur entschließen und sogar gewählt werden, besteht große Hoffnung, dass er sich wirklich dem Rechtsstaat und der Gewaltenteilung verpflichtet fühlt und ein echter Wechsel in dem geschundenen Land einkehrt. Dies wäre ein sehr positives Ereignis für die ganze Region. Es bleiben die größten Probleme wie der Kampf gegen die Armut, die korrupten Praktiken der Willkür und Bestechlichkeit im täglichen Leben und die Arbeitslosigkeit. Mit glaubwürdigem und kompetentem Personal wird er dann um Vertrauen werben müssen. (Erschienen auf achgut.com, mit freundlicher Genehmigung des Autors *Volker Seitz, Botschafter a.D., Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 11. Auflage 2021)