Afrikas Putsch-Gürtel weitet sich aus – 8 Länder fallen in nur vier Jahren unter Militärherrschaft

Afrikas Putsch-Gürtel weitet sich aus – 8 Länder fallen in nur vier Jahren unter Militärherrschaft

Afrika erlebt derzeit eine auffällige Rückkehr militärischer Machtübernahmen: In nur vier Jahren haben in acht Ländern erfolgreiche Putsche stattgefunden. Damit hat sich die politische Landschaft des Kontinents dramatisch verändert – mit weitreichenden Folgen für nationale Regierungsführung, regionale Stabilität, ausländische Investitionen und die Glaubwürdigkeit demokratischer Institutionen.

Seit 2020 wurden in Mali, Burkina Faso, Niger, Guinea, Tschad, Sudan, Gabun und Madagaskar gewählte Regierungen durch Militärs oder militärgestützte Bewegungen gestürzt.

Vor allem die Sahelzone ist zum Epizentrum dieser Entwicklung geworden. Dort rechtfertigen Militärführer ihre Machtübernahmen mit der wachsenden Bedrohung durch Dschihadisten, wirtschaftlichem Zusammenbruch und der allgemeinen Unzufriedenheit über zivile Regierungen.

Der jüngste Umsturz ereignete sich am 14. Oktober 2025 auf Madagaskar, als Eliteeinheiten der Armee Präsident Andry Rajoelina nach wochenlangen Protesten gegen Stromausfälle, Inflation und angebliche Korruption stürzten. Die Armee setzte die Verfassung außer Kraft und ernannte Oberst Michael Randrianirina zum Übergangspräsidenten – ein Schritt, der später vom Hohen Verfassungsgericht bestätigt wurde.

Die Afrikanische Union (AU) reagierte umgehend und suspendierte Madagaskar von allen ihren Institutionen. Sie bezeichnete den Putsch als „verfassungswidrigen Regierungswechsel, der Frieden und Stabilität untergräbt“.

Nigeria: Alarm über angeblichen Putschplan
Eine neue Dimension erreichte die Serie von Umsturzversuchen, als Nigeria, ein Land mit einer vergleichsweise stabilen demokratischen Tradition, in den Verdacht eines geplanten Putschversuchs geriet. Berichten zufolge sollte der Versuch mit den Feierlichkeiten zum 65. Unabhängigkeitstag zusammenfallen. Die Regierung sagte das Fest kurzfristig ab, nachdem sie angeblich den Plan aufgedeckt hatte. Das Verteidigungsministerium dementierte die Vorwürfe jedoch entschieden, nannte sie „falsch und böswillig“ und bekräftigte seine Loyalität zu Präsident Bola Tinubu und zur demokratischen Ordnung Nigerias.

Französisches Erbe und militärische Verflechtungen
Viele der jüngsten Putsche in Afrika haben eine gemeinsame historische Wurzel: den Einfluss der französischen Kolonialzeit und die bis heute bestehenden militärischen Bindungen an Paris.

Länder wie Mali, Niger, Burkina Faso und Tschad übernahmen nach der Unabhängigkeit politische und wirtschaftliche Systeme, die stark von Frankreich geprägt waren – einschließlich des CFA-Franc-Systems und von Verteidigungspakten, die jahrzehntelang französische Truppen im Land hielten. Was einst Stabilität versprach, gilt heute als Symbol neokolonialer Bevormundung. Junge Generationen und Militärführer kritisieren zunehmend den fortdauernden französischen Einfluss. Die Vertreibung französischer Truppen, wachsende Anti-Frankreich-Proteste und die Hinwendung zu neuen Partnern wie Russland stehen für einen breiteren Trend: den Wunsch nach echter Souveränität und nationaler Würde.

Regionale Organisationen verlieren Einfluss
Die anhaltende Serie von Putschen stellt die Handlungsfähigkeit von ECOWAS (Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten) und der Afrikanischen Union auf eine harte Probe – beides Institutionen, die lange als Hüter der Demokratie in Afrika galten.

ECOWAS reagierte mit Sanktionen, Suspendierungen und sogar militärischen Drohungen gegen Putschisten, etwa in Niger – jedoch ohne Erfolg. ECOWAS-Kommissionspräsident Omar Alieu Touray erklärte offen, der Staatenbund stehe vor einer „existentiellen Prüfung“: „Wir sehen uns den größten Herausforderungen unserer Zeit gegenüber – Terrorismus, Klimawandel und verfassungswidrigen Machtübernahmen“, warnte er. „Die Instabilität in der Sahelzone droht auf die Küstenländer Westafrikas überzugreifen.“

Auch AU-Kommissionsvorsitzender Moussa Faki Mahamat verurteilte die wiederholten Machtübernahmen scharf: „Afrika kann sich nicht weiter unter dem Gewicht militärischer Eingriffe zurückentwickeln, die Institutionen zerstören und Entwicklung behindern.“ Er forderte die Staaten auf, die tieferliegenden Ursachen von Putschen – Ungleichheit, schlechte Regierungsführung und externe Einflussnahme – anzugehen.

Trotz solcher Erklärungen sehen Beobachter sowohl ECOWAS als auch die AU als geschwächt.

2024 gründeten Mali, Niger und Burkina Faso die Allianz der Sahelstaaten (AES), die sich explizit von ECOWAS lossagte und ihr vorwarf, „westliche Interessen“ zu vertreten. Der Rückzug dieser Länder schwächte die regionale Integration weiter und vertiefte die Kluft zwischen reformorientierten Militärregimen und traditionellen Demokratien.

Regionale und globale Folgen
Die wachsende Zahl von Militärregierungen verändert Afrikas außenpolitische und wirtschaftliche Landschaft grundlegend.

In der Sahelzone suchen die Juntas verstärkt den Schulterschluss mit Russland, der Türkei und China, was eine deutliche Abkehr von westlichen Partnern wie Frankreich und den USA signalisiert.

Laut Analysten könnte dieser Kurswechsel langfristig die Sicherheitsallianzen, Investitionsströme und wirtschaftlichen Orientierungen des Kontinents neu ordnen – insbesondere in frankophonen Staaten, in denen antiwestliche Stimmungen zunehmen. Der Putsch auf Madagaskar zeigt zudem, dass politische Instabilität nicht auf eine bestimmte Region beschränkt ist. Selbst das traditionell ruhigere Südafrika sieht sich nun Fragen zur Resilienz seiner Regierungsstrukturen und zur Wirksamkeit regionaler Institutionen wie der SADC (Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika) gegenüber.

Ein Kontinent am Scheideweg
Afrika steht heute an einem entscheidenden Punkt: Seine junge Bevölkerung und die rasch fortschreitende Urbanisierung bieten enormes Potenzial für Erneuerung – doch die anhaltenden Militärputsche bedrohen die demokratischen Fortschritte und untergraben das Vertrauen der Menschen in politische Systeme.

Die große Herausforderung für Organisationen wie ECOWAS und die Afrikanische Union besteht nun darin, nicht nur Putsche zu verurteilen, sondern die strukturellen Ursachen zu bekämpfen, die sie ermöglichen – insbesondere Armut, Ungleichheit, Korruption und institutionelle Schwäche. (Quelle: Newsletter Businessinsider)