DAS-Afrika-Pressespiegel KW 50/2023: Hitzige Debatten

DAS-Afrika-Pressespiegel KW 50/2023: Hitzige Debatten

Britisches Unterhaus stimmt für Migrationsgesetz zu Abschiebungen nach Ruanda: Am Dienstag stimmte das britische Unterhaus (House of Commons) mit einer Mehrheit von 313 zu 269 Stimmen in einer zweiten Lesung für das umstrittene Migrationsgesetz, welches Abschiebungen aus Großbritannien nach Ruanda ermöglichen soll und Ruanda zum sicheren Drittstaat erklärt. Im Rahmen eines vom britischen Premierminister Rishi Sunak vorgebrachten Notstandsgesetzes soll es der britischen Regierung nun doch erlaubt sein, irregulär in Großbritannien eingereiste Asylsuchende nach Ruanda abzuschieben – ohne Prüfung eines Antrags auf Asyl in Großbritannien und ungeachtet ihrer Herkunft.

Dieser eilig eingebrachte Gesetzentwurf basiert auf dem vom britischen Innenminister James Cleverly und vom ruandischen Außenminister Vincent Biruta unterzeichneten Asylvertrag vom 5. Dezember, der das dem bisherigen Asylabkommen der beiden Länder zu Grunde liegende Memorandum of Understanding vom April 2022 ablöst und der den Bedenken des Obersten Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs Rechnung tragen soll. Das Oberste Gericht hatte im November eben diesen umstrittenen Asylpakt zwischen Großbritannien und Ruanda als rechtswidrig erklärt, da er u.a. gegen die von Großbritannien unterzeichneten Europäischen Menschenrechtskonventionen verstöße.

Das Gericht argumentierte, es könne nicht garantiert werden, dass die ruandische Regierung den Grundsatz des Völkerrechts der Nichtzurückweisung respektieren würde. Es bestehe die akute Gefahr, dass die abgeschobenen Asylsuchenden von Ruanda aus in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden könnten, in denen ihnen möglicherweise Repressionen drohen. Darüber hinaus wurden Bedenken hinsichtlich der Menschenrechtslage in Ruanda und der bisherigen Behandlung von Flüchtlingen in dem ostafrikanischen Staat angeführt.

Dieses Urteil ersucht die britische Regierung nun durch den aktuellen Gesetzentwurf, der Ruanda zu einem sicheren Drittland erklärt und in dem garantiert wird, dass Menschen, die zur Beantragung von Asyl nach Ruanda geschickt werden, nicht der Gefahr einer Abschiebung ausgesetzt sind, zu umgehen. Um dies auch in der Praxis zu garantieren, wird hierfür im ruandisch-britischen Asylvertrag u.a. die Einsetzung eines unabhängigen Komitees vorgesehen, das sicherstellen soll, dass Ruanda seinen Verpflichtungen nachkommt. Auch soll Großbritannien demnach sowohl für die Kosten eines neuen ruandisch-britischen Berufungsgerichts als auch für Unterbringung und Lebenshaltungskosten von Menschen, die nach Ruanda umgesiedelt worden sind, für bis zu fünf Jahre aufkommen. Bisher kostete das seit 2022 forcierte Migrationsabkommen die britische Regierung 140 Millionen Pfund, am 7. Dezember bestätigte das Innenministerium die Zahlung von weiteren 100 Millionen Pfund in diesem Jahr, auch im nächsten Jahr werden zusätzliche Kosten von 50 Millionen Pfund erwartet.

Währenddessen gilt es auch trotz der knappen Zustimmung des Unterhauses am Dienstag nicht als sicher, dass der Entwurf für das Migrationsgesetz, der das Abkommen legitimieren soll, am Ende beschlussfähig ist. Im Rahmen der obligatorischen dritten Lesung des Gesetzes können noch Gesetzesänderungen vorgenommen werden. Mehrere erzkonservative Parteimitglieder der Regierungspartei Conservative and Unionist Party (umgangssprachlich Tories) drohten bereits damit, den jetzigen Entwurf dann abzulehnen, falls vorgeschlagene Änderungsanträge bezüglich weiterer restriktiver Einwanderungsbestimmungen nicht akzeptiert werden würden. Moderate Tory-Mitglieder erhoben hingegen auf Grund der Einhaltung von humanitären Standards Bedenken gegen weitere Änderungen des Gesetzes. Auch müsste das Gesetz hiernach noch durch die verschiedenen Lesungen in der zweiten Kammer des britischen Parlaments, das House of Lords. Die aktuell die Opposition stellende Labour-Party, welche in den Wahlprognosen für 2024 aktuell vorne liegt, kündigte zudem bereits die Annullierung des Gesetzes an, insofern sie die neue Regierung stellen würde.

Afrikanische Positionen bei der UN-Weltklimakonferenz COP28: Am Mittwoch ging nach über 14 Tagen die UN-Weltklimakonferenz COP28 zu Ende. Das jährliche Gipfeltreffen, bei dem in diesem Jahr Delegierte aus 197 Staaten anwesend waren, fand vom 30. November bis zum 13. Dezember unter dem Vorsitz von Sultan Ahmed Al Jaber in Dubai statt. Zu den Hauptthemen des Treffens zählten die Bestandsaufnahme (Global Stocktake) der Ziele des Pariser Klimaabkommens sowie die Verhandlung von Unterstützungsmaßnahmen für Länder des Globalen Südens beim Klimaschutz und den hierfür erforderlichen Anpassungsmaßnahmen. Am Mittwoch wurde das finale Abkommen unterzeichnet, das erstmals den Weg für eine Abkehr von fossilen Brennstoffen bereiten soll. Während das Abkommen zunächst u.a. vonseiten der EU aufgrund dessen mangelnder Bekenntnis zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern stark kritisiert und infolgedessen überarbeitet worden war, zeigte sich die Afrika-Gruppe (African Group of Negotiators on Climate Change, AGN) unter dem Vorsitz des sambischen Umweltministers Collins Nzovu weitgehend zufrieden mit den Ergebnissen des Gipfels. Begrüßt wurde vor allem die Zusage, die Finanzierung für Anpassungen an den Klimawandel in Ländern des Globalen Südens bis 2025 zu verdoppeln und bis 2030 auf zwischen 215 und 387 Milliarden Dollar pro Jahr zu erhöhen. Positiv bewertet wurde darüber hinaus die am ersten Konferenztag stattgefundene Einrichtung des bereits auf der COP27 beschlossenen Loss and Damage Funds (Pressespiegel KW 45/2022). Dieser soll den besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffenen Ländern des Globalen Südens finanzielle Unterstützung bei Anpassungsmaßnahmen zugunsten des Klimaschutzes bieten.

Zum Abschluss des Gipfels kam der Fond auf Zusagen von rund 792 Millionen US Dollar. Mehrere Delegationen kritisierten jedoch die für vier Jahre festgelegte Verwaltung des Fonds durch die Weltbank und befürchteten eine Begünstigung finanzieller Zuwendungen für deren Mitglieder. Auch wurden die teilweise vage gebliebenen Rahmenbedingungen kritisiert: Welche Länder Zugang zum neu errichteten Fonds haben sollten und welche Zahlungsverpflichtungen eingegangen werden müssten, sei so offengeblieben. Die zudem beschlossene Abkehr von fossilen Brennstoffen wurde von mehreren afrikanischen Verhandlungsführerinnen und -führern lediglich als ein Kompromiss gewertet.

Der finale Text des Abkommens enthalte in Bezug auf die Abkehr von fossilen Energieträgern keinerlei Hinweise auf dabei verbindliche Unterstützungsangebote für afrikanische Länder, bedauerte die Afrika-Gruppe. Zuvor hatten die Organisation ölexportierender Länder OPEC und auch die nigerianische Regierung die Forderung nach einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen explizit blockiert und auf die Angewiesenheit mehrerer afrikanischer Wirtschaften auf fossile Brennstoffe verwiesen.

Jenseits der Hauptverhandlungen der COP konnten dennoch mehrere auf Afrika fokussierte bi- und multilaterale Abkommen geschlossen werden, wobei vor allem der „Africa Day“ am zweiten Verhandlungstag von Bedeutung war. So gelangen u.a. die Unterzeichnung des Energieabkommens Presidential Power Initiative (PPI) zwischen Deutschland und Nigeria zur Steigerung der nigerianischen Energieproduktion sowie die Zusicherung von 175 Millionen US Dollar für die Allianz grüner Infrastruktur in Afrika (AGIA) vonseiten der deutschen, französischen und japanischen Regierung. Ruanda etwa unterzeichnete Absichtserklärungen mit Singapur und Kuwait zur Zusammenarbeit beim Aufbau des ruandischen Kohlenstoffmarktes und Kenia sicherte sich 4,47 Milliarden US Dollar Investitionen in grüne Projekte der Stromerzeugung, Düngemittelproduktion und Digitalisierung. Als Erfolg gilt auch die vereinte Stimme der Afrika-Gruppe auf der COP28, deren Grundlage auf der Nairobi-Deklaration basiert, welche auf dem ersten Afrikanischen Klimagipfel 2022 unter der Leitung des kenianischen Präsidenten William Ruto verabschiedet worden war (Pressespiegel KW 36/2023). Der afrikanische Kontinent ist, obwohl er nur vier Prozent der globalen Treibhausgasemissionen zu verantworten hat, disproportional von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Bis 2030 ist der Kontinent so auf über 2,8  Billionen US Dollar angewiesen, um Anpassungskosten für den Klimawandel zu tragen. Das vereinte Auftreten afrikanischer Staaten auf der COP28 und die gemeinsamen Forderungen sind daher als wichtiger Schritt für das Einfordern afrikanischer Interessen und einer gerechten Energiewende sowie für die Ermöglichung von Finanzierungshilfen zu werten.

Und sonst? Am Sonntag wurde der tansanische Anwalt Joseph Moses Oleshangay mit dem Weimarer Menschenrechtspreis ausgezeichnet. Er wurde für sein unermüdliches Engagement zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Tansania und für seinen Einsatz für die dort lebende Minderheit der Massai geehrt.

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