Ein Jahr Krise in Äthiopien: Über zwei Millionen Menschen auf der Flucht vor Gewalt

Ein Jahr Krise in Äthiopien: Über zwei Millionen Menschen auf der Flucht vor GewaltSeit einem Jahr – seit Anfang November 2020 – wird in Tigray (Äthiopien) gekämpft. Eine Militäroffensive der Regierung gegen regional bewaffnete Kräfte stürzte die äthiopische Grenzregion zu Eritrea und ihre Bewohner in eine schwere Krise. Aus Angst um ihr Leben sind rund zwei Millionen Menschen in Tigray auf der Flucht. Über 55.000 Menschen sind zudem aus der umkämpften Region Tigray in das Nachbarland Sudan geflohen. Die aktuelle Kriegsrhetorik der Konfliktparteien lässt die Hoffnung auf Frieden schwinden. Die UNO-Flüchtlingshilfe appelliert, die Notlage der Menschen in der Region nicht zu vergessen. Es brauche dringend Unterstützung, um die Verschärfung der Notlage zu verhindern.

„Äthiopien darf nicht zu einer weiteren der weltweiten ‚Vergessenen Krisen‘ werden. Eine weitere Eskalation des Konflikts abseits der Weltöffentlichkeit wird die humanitäre Notlage im Land noch verschärfen. Die geflohenen Menschen wollen wieder in ihre Heimat, doch die Lage verschlechtert sich weiter“, fasst Peter Ruhenstroth-Bauer, Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe, nationaler Partner des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), zusammen.

Der seit einem Jahr anhaltende Konflikt, die Vertreibungen und der eingeschränkte humanitäre Zugang haben zu akuter Ernährungsunsicherheit geführt, die die Region an den Rand einer Hungersnot gebracht hat. Gründe für die dramatische Ernährungssituation in der Region sind neben dem Konflikt in Tigray und der Corona-Pandemie, Dürren, Überschwemmungen, Heuschreckenplagen, nicht funktionierende Märkte und hohe Nahrungsmittelpreise. Der UNHCR ist sowohl in Äthiopien als auch im Nachbarland Sudan im Einsatz, um den Menschen zu helfen. Für diese Hilfe benötigt der UNHCR 165 Millionen US-Dollar – aber nur knapp 70 Prozent sind bisher gedeckt.

Vom Hoffnungsträger zum Bürgerkriegsland
Äthiopien steckt tief in der Krise. Dabei wurde das Land am Horn von Afrika vor einigen Jahren noch als Hoffnungsträger gehandelt, politisch als auch wirtschaftlich. Der junge, aufstrebende Ministerpräsident Abiy Ahmed sollte den Vielvölkerstaat, in dem knapp 118 Millionen Menschen leben, in eine vielversprechende Zukunft führen. Er trat als weitsichtiger Vermittler und zügiger Reformer zwischen verhärteten Fronten auf: Im Jahr 2019 erhielt er für seine Bemühungen um Frieden mit dem Anrainerstaat Eritrea – eine Nachbarschaft, die seit Jahrzenten von blutigen Auseinandersetzungen geprägt ist – den Nobelpreis. Aktuell scheint es eher auf eine weitere Eskalation des Konflikts in der Region hinauszulaufen: auf Kosten der Zivilbevölkerung. (UNO-Flüchtlingshilfe, Text + Foto)