Greenpeace-Recherche und Demo: Afrikas Textilmüll ist unsere Verantwortung

Greenpeace-Recherche und Demo: Afrikas Textilmüll ist unsere Verantwortung
Protestaktion vor dem Brandenburger Tor. © Paul Lovis Wagner / Greenpeace

Die Fashion-Industrie hat ein gewaltiges Plastikproblem. Statt es zu lösen, wird es durch Altkleiderexporte in Länder wie Ghana, Kenia und Tansania gebracht und verschmutzt dort die Umwelt. Nicht selten wandern ganze Säcke und sogar unbenutzte Textilien in Altkleidercontainer – doch minderwertige Billigklamotten aus Plastik machen Second Hand-Ware zu einer Umweltkatastrophe in Afrika. Eine Greenpeace-Recherche zeigt das Ausmaß, Aktive protestieren gegen Fast Fashion anlässlich der Fashion Week.

Bereits in den frühen Morgenstunden herrscht auf dem Kantamanto-Markt im westafrikanischen Ghana Hochbetrieb. Mitten in der Hauptstadt Accra befindet sich einer der größten Second Hand-Märkte der Welt. An etwa 5.000 Ständen werden gebrauchte Kleidungsstücke angeboten, gehandelt und weiterverarbeitet, etwa 30.000 Menschen arbeiten hier auf dem Markt. Die Textilien stapeln sich meterhoch, nur kleine enge Gänge führen durch die Stände. Der Handel quillt in die anliegenden Straßen, wo die Ware unter freiem Himmel angeboten wird, ohne Stände oder andere Infrastruktur direkt auf dem Boden und der Straße. Was nicht schnell verkauft oder weiterverarbeitet werden kann, wird weggeworfen. Denn es gibt kaum Lagerplätze und ständig kommt mehr Ware, die Kleiderberge wachsen.

Tonnenweise Second Hand-Kleidung landet täglich in Accra, bekannt als Oburoni Wawu (“Die Kleidung der toten weißen Männer”), das meiste ist Fast Fashion. Altkleider, die in Länder außerhalb der EU exportiert werden. Jede Woche treffen rund 100 Container mit hochgerechnet 15 Millionen Artikeln in Tema ein, dem Importhafen in Ghana. Etwa 70 Prozent davon gehen vom Hafen an den Kantamanto-Markt. Doch der Großteil der aus der EU in Drittstaaten exportierten Altkleider ist oder wird zu Müll, vor allem in Ghana.

Textilmüll aus Ghana kehrt zurück nach Europa
Eine Woche lang haben Aktivist:innen von Greenpeace Afrika und Greenpeace Deutschland  im Oktober 2023 auf dem Katamanto-Markt aussortierte Kleidungsstücke gesammelt, die für die Verbrennung oder Müllhalden vorgesehen waren. “Diese Klamotten waren nicht mehr verkäuflich”, sagt Viola Wohlgemuth, Expertin für Ressourcenschutz bei Greenpeace; sie war für Greenpeace Deutschland vor Ort. “Die Händler:innen klagen, dass anstelle von brauchbaren Textilien immer mehr Wegwerf-Kleidung der Fast Fashion-Industrie kommt. Immer öfter müssen sie mehr für einen Textil-Ballen zahlen, als sie am Ende verdienen. Second Hand ist ein Glücksspiel geworden. Beim Öffnen eines Ballens zeigte ein Händler, dass über die Hälfte der Kleidung nicht für den Markt in Ghana brauchbar war.”

Die gesammelten Textilien haben die Aktivist:innen in einem Container nach Deutschland verfrachtet und analysiert. Das Ergebnis ist erschreckend: Bei der Recherche fielen 4,6 Tonnen Textilien an, etwa 19.000 Kleidungsstücke. Infrarot-Analysen zeigen, dass über 96 Prozent der Textilien aus synthetischen Fasern bestehen. So erhöhen Textilien als Plastikprodukte in Ländern wie Ghana die Plastikvermüllung massiv.

Die Ergebnisse veröffentlichte Greenpeace parallel zur Fashion Week Berlin. Aktivist:innen brachten den Textilmüll aus Ghana zum Brandenburger Tor und protestierten mit einem 3,5 Meter hohen und 12 Meter breiten Berg aus gesammelten Textilien des Kantamanto-Markts. “Der Textilmüll aus Ghana kehrt zurück nach Europa und zeigt die globale Spur der Zerstörung durch Fast Fashion”, so Wohlgemuth. “Die Fashion-Industrie hat ein gewaltiges Plastikproblem. Statt es zu lösen, wird es durch die Altkleiderexporte in Länder wie Ghana, Kenia und Tansania gebracht.” Wohlgemuth hatte bereits im Jahr 2022 mit einer Recherchereise nach Tansania und Kenia die Entsorgung europäischer Second Hand-Kleidung problematisiert und Ergebnisse in dem Report “Vergiftete Geschenke” veröffentlicht.

Nicht recyclebar: Fast Fashion mach Kleidung zu Plastik-Wegwerfartikeln
Die billig produzierten Textilien kommen meist aus Europa, Asien und Nordamerika. Für unbrauchbare Kleidung haben Händler:innen in Ghana einen extra Namen, der den ganzen Tag überall auf dem Markt zu hören ist: “Borla” – im ghanaischen Pidgin-Englisch Müll. Mit den Kleiderbergen wachsen die Müllberge, die Deponien sind überladen. Immer wieder steigt Rauch auf, oft werden die Billigklamotten einfach verbrannt – unter freiem Himmel in Ermangelung moderner Verbrennungsanlagen, die entstehende Giftstoffe herausfiltern würden. Ganze Landstriche verschwinden auf illegalen Mülldeponien unter dem Textilmüll. Fast Fashion-Klamotten landen direkt in Flüssen oder werden in der Regenzeit dorthin gespült und gelangen schließlich ins Meer – und zersetzen sich dort zu Mikroplastik.

 “Um an manchen Orten übers Wasser zu gehen, braucht es keine übernatürlichen Kräfte”, erinnert sich Wohlgemuth an ihre Recherchereise im Jahr 2022. “Etwa in Ostafrika, nahe des Gikomba-Markts, gibt es einen Abschnitt des Nairobi-Flusses, der derart voll mit weggeworfener Kleidung war, dass man darin stehen konnte. Das hat sogar Methode: Wenn Regenzeit ist, wird das ganze Zeug in den Indischen Ozean geschwemmt und ist wenigstens weg.”

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