„Kiss Of Death“: illegale Grundschleppnetzfischerei zerstört Ökosysteme und Lebensgrundlagen in Tunesien (mit Video)

„Kiss Of Death“: illegale Grundschleppnetzfischerei zerstört Ökosysteme und Lebensgrundlagen in Tunesien (mit Video)Heute, 5. Mai 2023, trifft sich die Allgemeine Kommission für die Fischerei im Mittelmeer (FAO/GFCM). Zu diesem Anlass verweist die Environmental Justice Foundation (EJF) auf ihre Untersuchung, die sich mit illegaler Grundschleppnetzfischerei im tunesischen Golf von Gabès und ihre Folgen für die marine Artenvielfalt und Küstengemeinden befasst. EJF hat dazu einen Film   und einen umfangreichen Bericht erstellt.

Kernbefunde:

  • Obwohl „Kiss Trawling“ (arabisch: „kiss“ = „Sack“) nach tunesischem Recht illegal ist, wird es offen praktiziert: In den letzten zehn Jahren hat die zerstörerische Praxis, die zu einem Beifanganteil von bis zu 95 % führt, stark zugenommen; zwischen 2018 und 2022 ist die Anzahl der Trawler um mehr als ein Drittel gestiegen. Es besteht der Verdacht, dass EU-Mitgliedstaaten – vor allem Italien und Spanien – Fisch und Meeresfrüchte importieren, die illegal von „Kiss-Trawlern“ gefangen wurden.
  • Der Golf von Gabès ist eines der wichtigsten Fischereigebiete Tunesiens und besonders artenreich: 48 Hai- und Rochenarten kommen dort vor; zudem ist die Region eines der wichtigsten Gebiete für Meeresschildkröten im Mittelmeer.
  • Im Golf von Gabès findet sich eines der größten noch verbliebenen Vorkommen der Seegras-Art Posidonia oceanica. Diese bindet bis zu 70-mal mehr Kohlenstoff als dieselbe Fläche tropischen Waldes und ist ein wichtiger Lebensraum für viele Meerestierarten, darunter bedrohte Haie und Meeresschildkröten sowie kommerziell wichtige Fischpopulationen.
  • Auf den Kerkenna-Inseln leben etwa 15.500 Menschen, die für ihren Lebensunterhalt stark auf die Meeresressourcen angewiesen sind. Kleinfischer befürchten das Ende ihrer traditionellen umweltschonenden Fangmethoden und äußerten ihre Bereitschaft, auf der Suche nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten in angrenzende Länder auszuwandern.

Gegenwärtig verfügt die Allgemeine Kommission für die Fischerei im Mittelmeer (GFCM) nicht über die Befugnisse, ihre Empfehlungen direkt durchzusetzen. Sie muss daher dringend einen Mechanismus zur besseren Durchsetzung ihrer Vorschriften verabschieden, der – neben einer Liste von Sanktionen – auch die Befugnis für die GFCM vorsieht, im Falle struktureller oder wiederholter Nichteinhaltung der Vorschriften gegen Verstöße ihrer Mitglieder, wie hier im Falle Tunesiens, vorzugehen. EJF hofft, dass dieser Mechanismus noch in diesem Jahr auf der Jahrestagung der Kommission verabschiedet wird; auf der Sitzung des Compliance-Ausschusses der GFCM (CoC) muss eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen werden. (EJF)