Staatsstreiche in Afrika machen wieder Schlagzeilen – eine Betrachtung von Volker Seitz*

Staatsstreiche in Afrika machen wieder Schlagzeilen - eine Betrachtung von Volker Seitz*
Salif Keita hält Demokratie in afrikanischen Ländern mit hoher Analphabetenquote für ungeeignet. Foto: ia

Im Niger wurde am vergangenen Mittwoch wieder geputscht. Die Lage ist weiterhin unübersichtlich. Warum und mit welchem Ziel haben die nigrischen Militärs geputscht? Auffallend, dass die zahlreichen französischen, amerikanischen und deutschen Militärs im Niger von diesem Putsch angeblich überrascht wurden.
Die „Economic Community of West African States „ (ECOWAS) hat den Putschisten eine Frist bis zum 5. August 2023 gesetzt, um den gewählten Präsidenten wieder einzusetzen. Andernfalls droht die ECOWAS mit einem militärischen Eingreifen. Für diesen Fall erklärten die Machthaber in Burkina Faso, Mali und Guinea ihrerseits mit militärischem Eingreifen. Die Chefs dieser Länder waren selbst durch Militärputsche an die Macht gekommen.
Die Menschen in Westafrika haben die meisten Putsche seit der Unabhängigkeit erlebt.

Die amerikanischen Politikwissenschaftler Jonathan Powell und Clayton Thyne haben für den ganzen Kontinent bis 2020 etwa 220 Putschversuche seit den späten 1950er Jahren gezählt, rund die Hälfte war erfolgreich. Wegen des Zorns über Korruption, Vetternwirtschaft und Wahlmanipulation wurde die erfolgreiche Machtübernahme durch die Militärs auf den Straßen oft ausgelassen gefeiert. Dieses Mal ist der Jubel der Bevölkerung wegen der Unsicherheit verhaltener.

Die Liste der beiden Politikwissenschaftler wurde soeben von Statista.com fortgeschrieben. Die Statistiker haben von 2020 bis Ende Juli 2023 14 gelungene und versuchte Staatsstreiche gezählt. Statista versucht allerdings zu beruhigen. Der Kontinent habe schon unruhigere Zeiten gesehen. Fast die Hälfte der 220 erfolgreichen und gescheiterten Putschversuche fallen in die Zeit zwischen 1965 und 1984.

Afrikaner – wie der weltweit bekannte Sänger Salif Keita – halten die Demokratie in Ländern, in den große Teile der Bevölkerung des Lesens und Schreibens unkundig sind, für ungeeignet. Auch wenn wir diese Ansicht nicht teilen, sollten wir sie akzeptieren. Niger hat die weltweit höchste Analphabetenrate. Dort können etwa 80 Prozent der Männer und Frauen über 15 Jahre weder lesen noch schreiben. Sogar im nigrischen Parlament gibt es 70 Prozent Analphabeten.

Da sich die EU hinter die Forderungen der ECOWAS gestellt hat, stellt sich für mich die Frage welche Politik wir in Afrika betreiben. Wäre es nicht besser, nicht in das Leben von Menschen in Afrika einzugreifen und versuchen mit unseren Wertvorstellungen zu verändern. Sollten die Afrikaner nicht ihren eigenen Weg gehen und ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen ?

*Volker Seitz war drei Jahre lang im Niger an der Deutschen Botschaft tätig. Er ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv 2021, 11. Auflage.