Volker Seitz*: Baobab – der hölzerne Elefant

Volker Seitz*: Baobab – der hölzerne ElefantDort, wo in Afrika der Affenbrotbaum wächst (in 31 tropischen Staaten von Angola bis Togo), gilt: Jedes Dorf hat seinen Baobab. Im Senegal ziert er das Staatswappen. Unter dem „arbre à palabres“ trifft sich das Dorf, um Gericht zu halten oder zu wichtigen Entscheidungen zu kommen. Vielerorts gilt der Baum auch als spirituelles Zentrum des Dorfes. „Affenbrotbaum“ wurde von deutschen Forschern geprägt, weil sie beobachteten, dass Affen die Früchte der Bäume ernteten.

Der wissenschaftliche Name ist „Adansonia digitata“, zu Ehren des französischen Botanikers Michel Adanson. Der in Afrika gebräuchliche Namen Baobab kommt aus dem Arabischen und heißt so viel wie: Frucht mit vielen Samen.

Marc Engelhardt ist mit „Baobab – Ein Porträt“, Matthes und Seitz, ein bemerkenswertes kleines Buch gelungen. Als Leser wird man an Orte mitgenommen, wo es noch Baobabs gibt. Die botanischen Informationen sind gut recherchiert und unterhaltsam geschrieben. Man erkennt sofort, dass der Autor sich viele Jahre mit dem Thema auf seinen Reisen beschäftigt hat. Ein rundum gelungenes Buch.

Der Baobab gehört zu den charakteristischen Bäumen im tropischen Afrika. Die Ehrfurcht vor den Bäumen ist groß, oft werden neue Straßen um einen Baobab herum gebaut, damit er nicht gefällt werden muss. Weltweit gibt es nur acht Arten überhaupt. Sechs allein in Madagaskar. Eine in Australien.

Der afrikanische Baobab ist nur auf dem übrigen Kontinent und nicht in Madagaskar aufzufinden. Baobabs werden nach neuesten Forschungen zwischen 400 und 2400 Jahre alt. Der berühmte PANKE in Simbabwe war mit seinen etwa 2400 Jahren der älteste bekannte Baobab. Die massiven und wasserspeichernden Stämme können einen Durchmesser von mehr als zehn Metern erreichen. Die Bäume zeichnen sich auch durch eine stattliche Höhe aus. Die weit ausladende riesige Krone sieht wie ein gewaltiges Wurzelgeflecht aus. In Namibia – schreibt Engelhardt – glaubt man zu wissen, dass der Baobab selbst aus Trotz seinen Kopf in den Boden versenkte, nachdem die Götter ihm den Wunsch ausschlugen, der schönste Baum von allen zu sein. Britische Kolonialisten tauften den Baum „Upside-Down-Tree“. Je nach Verbreitungsgebiet blüht der Baobab erstmals im Alter von acht bis sechzehn Jahren. Die Früchte reifen während der Trockenzeit heran. In einem Jahr ohne klimatische Unregelmäßigkeit kann ein einzelner Baobab bis zu 250 tragen.

Besonders große Baobabs sind fast immer hohl, weil er als einziger Baum nicht nur Äste, sondern auch Stämme nachwachsen lassen kann. Oft gehören fünf oder mehr Stämme zum selben Baum.

Der Baum spendet Leben. Angeblich kann ein Baobab gut 150.000 Liter Regenwasser in seinem Stamm speichern. „Wegen seiner Speicherkraft wird der Baobab auch calebassier, Flaschenbaum, genannt. Wenn anderes Essen knapp ist, ernähren sich Afrikaner vom Sahel bis zur Kalahari von dem, was der Vielzweckbaum zu bieten hat. In Mali ernten die Frauen zu Beginn der Regenzeit die jungen Blätter, die roh wie Spinat gekocht gegessen werden. Am Ende der Regenzeit, bevor die Baobabs ihre Blätter verlieren, klettern dann die Männer erneut in die Baumkronen, um die Blätter großflächig mit Sicheln abzuernten. Getrocknet können sie monatelang aufbewahrt werden. Das Fruchtfleisch enthält angeblich sechsmal mehr Vitamin C als eine Orange, zehnmal mehr Antioxidantien als ein Apfel und doppelt so viel Calcium wie Milch.“

Apothekenbaum

In Afrika lebt man traditionell mit dem Baobab, nicht von ihm. „So vielfältig sein Angebot ist, verwertet wird seit Jahrhunderten nur so viel, dass der Baum unbeschadet bleibt und im kommenden Jahr erneut genutzt werden kann.“ Die traditionelle Medizin schätzt den Baobab seiner heilenden Wirkung wegen als „Apothekenbaum“.

Pharmakologen der Pharmakonzerne suchen nach Wirkstoffen die in der Rinde, Wurzeln, Früchten oder Samen des Baobab stecken. Die Rinde soll Entzündungen hemmen, Blutgefäße erweitern. Das Fruchtfleisch soll gegen Durchfallerkrankungen helfen. In Benin wird mit einem Sud aus Baobabrinde das Fieber von Malariakranken gesenkt. In Tansania wird das Öl aus Baobabkernen gegen Rheuma angewendet.

Im Senegal gibt es einen geflügelten Satz, der den Tod eines Menschen beschreibt, der ein gutes und langes Leben geführt hat: „Ein Baobab ist gefallen.“

Der böhmische Afrikaforscher Emil Holub hat nicht übertrieben als er schrieb: „Afrika ist dort, wo die Baobabs sind.“

Anmerkung: Für englischsprachige Leser empfehle ich ergänzend das Buch „The remarkable Baobab“ (Norton New York, London) des britischen Historikers Thomas Pakenham. Es enthält zahlreiche Fotos und ist mit weiteren interessanten Informationen gespickt. Pakenham hat noch vereinzelte Baobabs in Nordamerika und in der Karibik entdeckt. Wie die Samen dort hingekommen sind, ist ungeklärt. (*Volker Seitz, Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 11. Auflage 2021)