Vor 20 Jahren: Gründung der Afrikanischen Union

Vor 20 Jahren: Gründung der Afrikanischen UnionSeit zwei Jahrzehnten treibt die Afrikanische Union die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit der afrikanischen Staaten voran. Die Herausforderungen für den Kontinent sind nach wie vor enorm.

Am 9. und 10. Juli 2002 wurde im südafrikanischen Durban die Afrikanische Union (AU) gegründet. Die AU ist die Nachfolgeorganisation der 1963 ins Leben gerufenen Organisation für Afrikanische Einheit (OAU). Die Initiative zur Gründung der AU stammte vom damaligen lybischen Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddafi.

Während die OAU ihren Fokus auf Diplomatie sowie Entkolonialisierung und die Beseitigung der Apartheid legte, ist der Schwerpunkt der AU die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas. Hauptsitz der Afrikanischen Union ist die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba. Mitglieder der AU sind alle anerkannten 55 Staaten Afrikas.

Ziele: Friedenschaffung und Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit
Die AU wurde als zwischenstaatliche Organisation gegründet, um die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Weitere wichtige Ziele sind die Förderung und Vertretung der afrikanischen Staaten auf internationaler Ebene – etwa gegenüber den Vereinten Nationen oder Organisationen wie der Europäischen Union (EU). Wesentliche Ziele der Organisation sind die Schaffung von Frieden und Stabilität sowie der Schutz der Menschenrechte. Die AU vermittelt bei militärischen Konflikten zwischen afrikanischen Staaten und kann darüber hinaus auch bei innerstaatlichen bewaffneten Auseinandersetzungen tätig werden. Häufig behandelte Themen waren zuletzt der Freihandel, die hohe Staatsverschuldung vieler afrikanischer Staaten und die Verbesserung der Menschenrechtssituation auf dem Kontinent.

Daneben hat sich die Afrikanische Union der Stärkung demokratischer Prinzipien und Institutionen verpflichtet. Auch die Förderung der Wissenschaft und die Verbesserung des Gesundheitsschutzes sind Ziele der AU.

Vorbild EU
Die Struktur der AU orientiert sich stark an der EU. Wichtigstes Organ der AU ist die Unionsversammlung der Staats- und Regierungschefs. Weitere Hauptentscheidungsorgane sind etwa der Ausschuss der ständigen Vertreter (Permanent Representatives Committee, PRC) sowie Fachausschüsse.

Das Pan-Afrikanische Parlament (PAP) mit 275 Mitgliedern, die von den Mitgliedsstaaten entweder gewählt oder ernannt werden, übt nur eine beratende Funktion aus und hat bislang keine Gesetzgebungsbefugnis. Jedes nationale Parlament der Mitgliedsstaaten stellt im Normalfall fünf Mitglieder für das PAP, von denen mindestens eine, eine Frau sein muss.

Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker (ACHPR) überwacht die Einhaltung der in der African Charta on Human and Peoples‘ Rights definierten Rechte. Er nahm im Juni 2006 seine Arbeit auf. Seinen Sitz hat das Gericht in Arusha in Tansania. Der Gerichtshof besteht aus elf Richterinnen und Richtern, die von der Vollversammlung der AU gewählt wurden. Zudem wurde eine afrikanische Zentralbank nach dem Vorbild der Europäischen Zentralbank (EZB) eingerichtet, mit dem Ziel einer gemeinsamen Währungspolitik und afrikanischen Währung. Die Zentralbank ist eine von drei Finanzorganen der AU, neben der Afrikanischen Investitionsbank und dem Afrikanischen Währungsfonds.

Verhalten bei innerstaatlichen Konflikten
Im Unterschied zur EU besitzt die Afrikanische Union mit dem Friedens- und Sicherheitsrat ein zentrales Organ zur Friedenssicherung, das sich am Vorbild des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen orientiert. Sein Aufgabenspektrum reicht von der Konfliktprävention und -intervention bis hin zur Förderung von Demokratie und Menschenrechtsschutz. Zusätzlich wurde eine militärische Bereitschaftstruppe (African Standby Force, ASF) eingerichtet. Sie soll, etwa im Falle von Kriegsverbrechen oder Völkermorden, in den betroffenen Mitgliedsstaaten intervenieren.

Nachdem 2017 Marokko der AU beigetreten ist, gehören der Organisation alle 55 afrikanischen Staaten an. Bei vier Mitgliedern ruht die Mitgliedschaft jedoch zurzeit. Im Februar dieses Jahres suspendierte die Afrikanische Union die Mitgliedschaft des westafrikanischen Krisenstaates Burkina Faso, nachdem dort die Armee die Macht übernommen hatte. Ebenfalls ausgeschlossen von der Teilnahme an allen Aktivitäten der AU sind wegen Militärputschen seit 2021 Guinea und Mali sowie seit 2019 der Sudan.

„Agenda 2063: The Africa We Want”
Um die Verwirklichung ihrer Ziele voranzutreiben, wurde die Agenda 2063 als strategischer Rahmen für die langfristige sozioökonomische Transformation Afrikas entwickelt. Jedoch gibt es unter einigen Mitgliedsstaaten große Vorbehalte, Souveränitätsrechte auf ein supranationales Gebilde zu übertragen. Dies und zum Teil große politische Differenzen schwächen bis heute den afrikanischen Einigungsprozess.

In der Praxis scheitert die AU bei dem Erreichen ihrer Ziele zudem immer wieder am fehlenden Geld. Der Haushalt der Afrikanischen Union belief sich 2019 auf 681,5 Millionen Euro, im Vergleich lag der EU-Haushalt 2019 bei etwa 148 Mrd. Euro. Die AU ist massiv auf Mittel internationaler Geldgeber angewiesen. Zu diesen gehört insbesondere die EU.

Oft setzen Mitgliedsstaaten die Beschlüsse der AU aus finanziellen Gründen nicht um. Insbesondere bei der Eindämmung von Konflikten und einer verbesserten wirtschaftlichen Zusammenarbeit spielt die AU jedoch eine zentrale Rolle. Ein Erfolg ist die Schaffung einer afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA) im Jahr 2020, an der sich formal fast alle Staaten des Kontinents beteiligen. Die wirtschaftlichen Effekte fielen 2021 aufgrund der Corona-Pandemie und der zwischen vielen Ländern in der Praxis noch immer bestehender Zölle jedoch überschaubar aus.

Die Maßnahmen der AU stellen einen erheblichen Fortschritt gegenüber denen der OAU dar und die Gründung der Afrikanischen Union wurde als Neubeginn in Afrika empfunden. Die Mitgliedsstaaten stehen heute viel stärker in der Verantwortung für die Lösung der drängenden humanitären Probleme und der bewaffneten Konflikte auf dem Kontinent. Zudem wird die Afrikanische Union international zunehmend als Sprecherin für die afrikanischen Interessen wahrgenommen und akzeptiert. Zuletzt kritisierte die AU die Interner Link:Getreideblockade Russlands, unter der viele afrikanische Staaten leiden, scharf.

EU intensiviert Hilfen für Afrika
In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurde immer wieder Kritik laut, die Europäische Union überließe den Kontinent der Einflussnahme Chinas. China entwickelte sich unter allen Ländern weltweit rasch zum wichtigsten Handelspartner Afrikas. Zudem stieg das Land zum größten Gläubiger des hochverschuldeten Kontinents auf.

Das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und der afrikanischen Staatengemeinschaft verbesserte sich zuletzt spürbar: Bei einem Gipfel im Februar 2022 vereinbarten die EU und die AU eine engere Zusammenarbeit. Bis zum Jahr 2030 will die EU dafür 150 Milliarden Euro aus öffentlichen und privaten Mitteln investieren. Zudem einigten sich beide Seiten auf eine bessere Zusammenarbeit in den Bereichen Corona, Impfungen, Klimaschutz und Migration. (bpb.de)